Züschen. Hüseyin Elcicek und seine Familie aus Züschen bei Winterberg verdanken ihr Leben Ursula Schäfer. Sie rettete fünf Leben nach einem Gasunglück. Es waren dramatische Minuten im Haus.

Im nächsten Jahr am 26. November will Hüseyin Elcicek zum ersten Mal groß Geburtstag feiern. Bisher war ihm das nie wichtig. Doch der 26. November ist jetzt Feiertag: An diesem Tag haben er, seine Frau Katharina Horn, seine Töchter Angelina (3) und Melissa (2) und sein Freund Ferat Buniaku wie durch ein Wunder ein Gasunglück in seinem Haus überlebt. Entscheidenden Anteil hat Nachbarin Ursula Schäfer, die eine Katastrophe verhinderte.

In der Nacht zum 26. November schlafen die Mädchen auffallend unruhig und weinen oft. Schließlich nimmt Katharina Horn die dreijährige Angelina zu sich ins Bett, Hüseyin Elcicek geht gegen 5 Uhr mit der ein Jahr jüngeren Melissa eine Etage tiefer ins Wohnzimmer. Der 37-Jährige, der in Züschen den Aspendos-Imbiss führt, spürt Kopfschmerzen und fühlt sich zerschlagen.

Nachbarin reagiert sofort

Auch Ferat Buniaku, der im Erdgeschoss wohnt, wird durch Übelkeit und ein seltsames Hitzegefühl im Kopf wach. Ihm schwant, dass etwas mit der Heizung nicht stimmen kann. Er wankt auf der Treppe nach oben, warnt Hüseyin Elcicek und bricht dann zusammen. „Wenn Ferat nicht umgefallen wäre, hätte ich die Gefahr für uns nicht begriffen!“ Katharina Horn ist da schon nicht mehr fähig, irgendetwas zu tun. Mit Tränen in den Augen berichtet sie, wie sie ihre Tochter schreien hört, sich aber nicht bewegen kann: „Ich war wie in meinem Körper gefangen. Mir war klar, es passiert etwas Schreckliches, aber ich konnte nichts dagegen tun.“ Kurz darauf verliert sie das Bewusstsein und kriecht wie in Trance zur Tür. Ihr Mann schleppt die ohnmächtige Melissa die Treppe herunter, reißt die Fenster auf und bringt seinen Freund nach draußen. Dort schreit er gegen 7.30 Uhr laut um Hilfe.

Ursache vermutlich Defekt der Heizungsanlage

Die Familie hat das Einfamilienhaus vor einigen Monaten gekauft, renoviert und ist erst ein paar Tage vor dem Unglück eingezogen. Die neue Gasheizung darf noch nicht laufen, weil die Abnahme vom Schornsteinfeger noch aussteht.

Messungen ergeben später eine erhöhte Konzentration von Kohlenmonoxid, die vermutlich mit der Heizungsanlage in Zusammenhang steht, heißt es im Polizeibericht. Weshalb das Gas ausströmte, wird derzeit noch ermittelt.

Das hört Ursula Schäfer und läuft auf die Straße. Als sie ihre Nachbarn herumtorkeln sieht, ruft sie die 112, holt die kleine Melissa aus dem Flur und drückt sie draußen einem anderen Nachbarn auf den Arm. Hüseyin Elcicek versucht inzwischen zu seiner Frau und seinem Kind zu gelangen, schafft es aber nicht: „Es war wie der schlimmste Horrorfilm. Meine Frau taumelte auf allen Vieren auf mich zu, ich wusste nicht, ob meine Tochter noch lebt. Aber ich kam nicht zu ihnen hin, weil ich immer wieder ohnmächtig wurde. Ich habe noch nie im Leben eine solche Angst gehabt.“

Nachbarin Ursula Schäfer gelingt es, erst Angelina und dann ihre Mutter von oben nach draußen zu schleppen. Wie genau, weiß sie nicht mehr: „Ich habe gar nicht nachgedacht oder mich in Gefahr gefühlt, sondern einfach nur gemacht. Es war für mich selbstverständlich zu helfen.“ Weitere Anwohner wagen sich nicht ins Haus. Dann treffen die Rettungskräfte ein, außerdem Anne Kießler, eine gute Freundin der Familie. Sie ist völlig geschockt, als sie ihre Freunde vor dem Haus liegen sieht und begleitet die beiden Mädchen in die Kinderklinik nach Siegen. Katharina Horn kommt im Rettungswagen zu sich. Hüseyin Elcicek und Ferat Buniaku werden nach Aachen und Münster geflogen, um sie in Druckkammern mit Sauerstoff zu behandeln. Ursula Schäfer wird nach Winterberg ins Krankenhaus gebracht. Nach einigen Tagen werden alle entlassen.

Spätfolgen noch nicht absehbar

Eine Woche später übernachtet die Familie zum ersten Mal wieder in dem Haus. Die Kohlenmonoxidvergiftung macht sich bei allen noch durch Kopfschmerzen, Atemprobleme und Schwindel bemerkbar. Ob sich Spätfolgen durch den Sauerstoffmangel einstellen, muss abgewartet werden. Jetzt, wo wieder Ruhe einkehrt, kommen die Bilder aus der Schreckensnacht zurück, vor allem bei Hüseyin Elcicek, der am längsten bei Bewusstsein war: „Neben mir in der Druckkammer lag jemand im Koma, schon seit Monaten. Als ich die Ärzte fragte, was mit ihm passiert ist, hieß es: Dasselbe wie mit Dir, nur ein paar Minuten länger. Da war mir klar: Die Grenze zwischen Leben und Tod war für uns nur hauchdünn.“

Unter dem Küchentisch steht schon eine Tüte mit Rauch- und Gasmeldern: „Wir appellieren an alle Menschen, ein paar Euro in solche Melder zu investieren, sie sind im Notfall unbezahlbar. Man kann Kohlenmonoxid nicht hören, nicht sehen und nicht riechen. Es hat nicht jeder so wie wir das Glück, eine Ursula in der Nachbarschaft zu haben.“

„Wir sind allen Einsatzkräften von der Feuerwehr, dem DRK, der Polizei, den Ärzten, unseren Nachbarn und ganz besonders Ursula Schäfer unendlich dankbar. Sie alle haben unser Leben gerettet. Außerdem bedanken wir uns bei Anne Kießler, die unsere Kinder in der Klinik nicht alleine gelassen hat, als wir selber im Krankenhaus waren und nicht bei ihnen sein konnten. Durch sie alle ist uns bewusst geworden, wie kostbar der ganz normale Alltag ist.“

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