Bochum. Geritt Holtmann war beim VfL Bochum längst abgeschrieben. Gegen Bayer Leverkusen erlebt er eine Renaissance und dient als Vorbild für alle im Klub.

So ganz genau ist nicht überliefert, wie Gerrit Holtmann den Moment erlebte, als sein für ihn eingewechselter Teamkollege Koji Miyoshi in der 89. Minute den Ausgleichstreffer für den VfL Bochum gegen Bayer Leverkusen (1:1) erzielte. Klar ist nur, dass der 29-Jährige in seiner dicken Winterjacke mittendrin war in der Jubeltraube, die an der Seitenlinie und über den Platz hüpfte.

Der VfL sendete beim 1:1 ein Lebenszeichen im Kampf um den Klassenerhalt, das zu diesem Zeitpunkt kaum für möglich gehalten worden war. Ähnlich wie das Comeback Holtmanns beim VfL Bochum, der längst auf der Abschussliste stand.

Holtmann war Verkaufskandidat Nummer eins im Sommer. Zum einen aus Kostengründen - er verdient ein durchaus stattliches Gehalt für einen vermeintlichen Reservespieler - zum anderen aus Leistungsgründen. Zwar bekam er unter dem damals neuen Trainer Peter Zeidler zu Beginn der Vorbereitung eine neue Chance, gänzlich überzeugen konnte er aber nicht. „Es war brutal schwer im Sommer. Das, was die Verantwortlichen und der alte Trainer gesagt haben - da musste ich schon schlucken“, sagte er nun am Samstagabend in den Katakomben des Ruhrstadions. „Ich habe aber immer gesagt, dass ich alles gebe.“

VfL Bochum: Holtmann nimmt Frimpong aus dem Spiel

Das tat er. Nicht nur in den vergangenen Wochen, als er schon unter Interimstrainer Markus Feldhoff in Frankfurt zum Einsatz kam. Am Samstag dann beorderte der neue Trainer Dieter Hecking ihn sogar in die Startelf. Mit einer klaren Mission: der schnellste jemals gemessene Sprinter der Bundesliga sollte sich federführend um den genauso spurtstarken Niederländer Jeremie Frimpong kümmern. Hecking setzte dafür sogar eigens auf eine Fünferkette, die Bochum deutlich mehr Stabilität gab. „Es hat mich wirklich gefreut, dass der Trainer mir das Vertrauen geschenkt hat und ich das bestmögliche getan habe, Frimpong aus dem Spiel zu nehmen“, sagte Holtmann.

Kämpfer für den VfL Bochum: Gerrit Holtmann (M.) im Zweikampf mit Leverkusens Jonas Hofmann.
Kämpfer für den VfL Bochum: Gerrit Holtmann (M.) im Zweikampf mit Leverkusens Jonas Hofmann. © AFP | Ina Fassbender

Mit Bravour beackerte er die linke Seite, stellte seinen Gegenspieler gut zu, wenngleich manchmal durchschien, warum er eher in der Offensive als in der Defensive zu Hause ist. Sowohl im negativen als auch im positiven Sinn. Hinten stand er ein, zweimal nicht gut, sodass Frimpong nach 30 Minuten die große Chance zum 2:0 hatte, aber an Patrick Drewes scheiterte, der lange stehen blieb.

Vorn war er mit seiner Schnelligkeit zudem Ideengeber und mutig genug, auch selbst den Abschluss zu suchen. Wenngleich in den meisten Situationen die Genauigkeit fehlte. „Gerrit hat zuletzt keine großartige Rolle gespielt, aber er hat nie aufgegeben. Er war immer da und hat seine Chance genutzt. Er kann für uns eine richtige Waffe sein“, lobte Kapitän Anthony Losilla.

Stolz war Publikumsliebling Holtmann, der nach seiner Auswechslung Standion Ovations bekam, dennoch auf seine Teamkollegen. Weil sie anders als in den Vorwochen nicht nach einem Rückstand zusammenbrachen. Weil sie gegen den Deutschen Meister aus Leverkusen dagegenhielten und selbst Nadelstiche setzten. „Was ich hier heute erlebt habe, haben wir neun Spieltage vermissen lassen. Das war ja unfassbar. Nach dem Spiel denkst du, du gewinnt hier, obwohl es nur ein Unentschieden war. Darauf müssen wir aufbauen, kämpfen, eine Einheit sein.“ Dann wurde er kurz sentimental: „Ich bin dankbar, das auf dem Platz miterlebt zu haben. Wer weiß, wie lange noch. Ich bin gespannt, was passiert.“

Holtmann begeistert von VfL-Trainer Dieter Hecking

Ein Holtmann in dieser Form allerdings wird in Bochum wohl gegen Leverkusen nicht sein letztes Spiel gemacht haben. Auch wenn Trainer Hecking sagte, dass er die zwei Wochen der Länderspielpause dafür nutzen will, die Mannschaft weiterzuentwickeln. Die defensive Stabilität sei die Grundlage, nun müsse auch das Spiel mit dem Ball im Vordergrund stehen. Dass dies gelingen wird, davon ist Holtmann überzeugt. „Er ist ein überragender Trainer. Er hat Charisma und Aura und gibt uns etwas mit. Er sagt was und du glaubst ihm“, sagte er.

So sei auch im Training gearbeitet worden. Mit Intensität, mit Detailarbeit. „Wir haben die Fünferkette trainiert, wie man die Linien eng hält. Er hat uns positive Sicherheit gegeben, hat uns Bilder gezeigt, was wir gut oder schlecht gemacht haben. Mit Basics hat er uns Sicherheit gegeben. Zum Schluss hat man gesehen, was in uns steckt“, so Holtmann, der auf die „Wiederaufstehen“ hofft, zeitgleich aber mahnt: „Wenn wir in Stuttgart aber wieder fünf bekommen, gibt es auf die Schnauze.“

News und Hintergründe zum VfL Bochum

Apropos Stuttgart, wo der VfL am 23. November gastiert: Wenn es nach Holtmann gehen würde, könnte die Partie schon in der kommenden Woche ausgetragen werden - allerdings steht zunächst eine zweiwöchige Länderspielpause an, in der es auch für ihn auf große Fahrt geht. Er wurde erneut für die philippinische Nationalmannschaft nominiert, tritt bereits am Donnerstag in Hong Kong an. Er freue sich auf die Reise, bekam dort unter dem ehemaligen BVB-Co-Trainer Albert Capellas zuletzt eine Chance, als in Bochum kaum jemand an ihn glaubte. „Die philippinische Nationalmannschaft hat mir geholfen, ich habe da zwei Spiele bekommen, bin wieder in den Flow gekommen.“

In diesem will er bleiben. Denn eines ist klar: „Meine Mission ist hier noch nicht zu Ende, ich will hier bleiben, solange es möglich ist.“ Am besten auch nach der Saison weiter als Bundesligist.