Bochum. Beim VfL Bochum gab es im Sommer einen großen Umbruch. Viele Spieler gingen, viele kamen. Eine Bewertung des Transfersommers.
Am allerletzten Tag einer langen Transferphase hat auch der VfL Bochum noch einmal zugeschlagen. Koji Miyoshi kommt für einen mittleren fünfstelligen Betrag von Birmingham City an die Castroper Straße. Damit ist der Japaner der einzige Neuzugang neben Torhüter Patrick Drewes, für den die Bochumer in diesem Transfersommer eine richtige Ablösesumme bezahlt haben. Beim großen Umbruch im Kader, den VfL-Sportdirektor Marc Lettau in diesem Sommer bewerkstelligen musste, ist das ein kleines aber spannendes Detail.
Denn es zeigt, wie überzeugt die Verantwortlichen von dem 27-Jährigen sein müssen. Das Budget auf dem Transfermarkt nämlich war gering, weil das Gesamtbudget durch diverse Faktoren belastet wird, wie Geschäftsführer Ilja Kaenzig kürzlich im Interview mit dieser Redaktion noch einmal verdeutlichte. Wenngleich Spieler wie Dani de Wit und Ibrahima Sissoko gutes Handgeld für ihre Unterschrift bekommen haben.
Diese Spieler verließen den Verein
Christopher Antwi-Adjei (Schalke 04), Takuma Asano (RCD Mallorca), Patrick Osterhage (SC Freiburg), Kevin Stöger (Bor. Mönchengladbach), Danilo Soares (1. FC Nürnberg), Moritz Römling (SV Kapfenberg), Michael Esser (Karriereende), Andreas Luthe (Karriereende), Niclas Thiede (SSV Ulm, Leihe), Jordi Osei-Tutu (Bolton Wanderers), Keven Schlotterbeck (Leih-Ende, FC Augsburg), Philipp Förster (ohne Verein), Goncalo Paciencia (Leih-Ende, Celta Vigo)
Umso erstaunlicher scheint, dass der VfL Bochum in diesem Transfersommer trotz 13 Abgängen einen qualitativ sogar verbesserten Kader zu Verfügung zu haben scheint. In unserem Transferzeugnis gucken wir uns die einzelnen Mannschaftsteile an und ziehen ein Fazit für die Arbeit von Lettau und dessen Team.
Tor: Breiter aufgestellt, ruhigere Vertreter
Nachdem sich Manuel Riemann am Ende der vergangenen Saison beim VfL Bochum selbst ins Aus befördert hat, hat der Verein schnell deutlich gemacht, dass es für den langjährigen Stammkeeper kein zurück mehr gibt. Auch wenn es Riemann selbst offenbar nicht wahrhaben will und vor dem Arbeitsgericht für die Wiederaufnahme ins Mannschaftstraining klagt. Viele in der Mannschaft wirken ohne ihn befreiter, die Neuzugänge auf der Torwartposition Patrick Drewes und Timo Horn strahlen beide Ruhe aus, liefern sich einen engen Kampf um den Stammplatz. Momentan hat Drewes seine Nase vorn, doch Horn hat an der Castroper Straße unterschrieben, um wieder in der Bundesliga zwischen den Pfosten zu stehen. Es ist ein Duell, das für den VfL nur gut sein kann. Gegenüber dem letztjährigen Torhüter-Team um Riemann und Niclas Thiede ist dies ein Upgrade für wenig Geld.
Verteidigung: Schlotterbeck ersetzt, Fragezeichen auf den Außen
Viel hing in diesem Sommer von einem Abgang von Bernardo ab. Der VfL Bochum hätte den Brasilianer gern zu Geld gemacht, der Spieler selbst wollte wechseln. Doch schlechte Leistungen in den Tests und Verletzungen machten schlussendlich einen Wechsel zunichte. Bernardo bleibt in Bochum. Was finanziell anders geplant war, ist sportlich gut für den Klub. Denn der Innenverteidiger bringt wichtige Qualitäten mit - wenn er denn nach seiner Knieverletzung wieder an alte Stärken anknüpfen kann. Nichtsdestotrotz musste Lettau in der Innenverteidigung qualitativ nachlegen. Zum einen konnte Keven Schlotterbeck aus finanziellen Gründen nicht fest verpflichtet werden, zum anderen war Bochum mit 74 Gegentoren eine der Schießbuden der Liga. Mit Jakov Medic verpflichtete Lettau einen starken Innenverteidiger auf Leihbasis von Ajax Amsterdam mit Kaufoption, der noch stärker als Ivan Ordets und Erhan Masovic einzuschätzen sein dürfte.
Die Neuzugänge des VfL Bochum
Koji Miyoshi (Birmingham City), Dani de Wit (AZ Alkmaar), Ibrahima Sissoko (RC Straßbourg), Niklas Jahn (1. FC Nürnberg II), Timo Horn (RB Salzburg), Patrick Drewes (Karlsruher SC), Samuel Bamba (Bor. Dortmund II), Myron Boadu (AC Monaco, Leihe), Aliou Baldé (OGC Nizza, Leihe), Jakov Medic (Ajax Amsterdam, Leihe)
Auf den Außenverteidiger-Positionen allerdings gibt es kleinere Fragezeichen. Hinter Maximilian Wittek fehlt auf der linken Seite eine echte Alternative - zumindest so lange Bernardo verletzt ist. Hier könnte auch nach Transferschluss noch ein ablösefreier Spieler helfen. Auf der rechten Seite hat Felix Passlack klar die Nase gegenüber Cristian Gamboa vorn. Es wird viel von der Tagesform von Passlack und Wittek abhängen, zumal die Außenverteidiger im aggressiven Pressing des neuen Trainers Peter Zeidler eine wichtige Rolle spielen. Hier hätten Verstärkungen für Entspannung sorgen können. Vorerst darf Wittek und Passlack nichts passieren.
Defensives Mittelfeld: Sissoko bringt viel Qualität ins VfL-Spiel
Wenn Anthony Losilla fit ist, spielt der Kapitän. Dieser Grundsatz galt Jahre lang beim VfL Bochum. Durch die ablösefreie Verpflichtung von Ibrahima Sissoko, dem neuen Defensiv-Anker im Team, ist diese Weisheit wohl vorerst überholt. Denn Sissoko bringt alles mit, um seinen Losilla zu ersetzen. Von der körperlichen Präsenz schwärmen alle im Team, zudem läuft er viele Löcher zu und initiiert auch Angriffe. Qualitativ macht die Zeidler-Mannschaft durch ihn einen großen Sprung nach vorn. Zudem können sich in seinem Schatten die Talente wie Niklas Jahn entwickeln. Der Abgang von Patrick Osterhage nach Freiburg lässt sich so wohl gut verkraften. Zumal dieser nicht durchgängig auf höchstem Niveau spielte und vor allem nach seiner Verletzung nicht mehr an die starke Hinrunde anknüpfen konnte.
Offensives Mittelfeld: de Wit wird Leitwolf, Pannewig kann überraschen
Der ablösefreie Abgang von Kevin Stöger ist natürlich ein massiver Verlust für den VfL Bochum, der schwer zu ersetzen war. Vor allem eins zu eins. Lettau und sein Team haben es auf eine andere Art und Weise versucht, zumal Trainer Zeidler künftig auf eine Raute setzen wird. Das bedeutet: zwei Achter und ein Zehner werden in der Regel auf dem Feld stehen. Einer dieser Achter wird Dani de Wit sein, bei dem sich Bochum gegen namhafte und zahlungskräftigere Konkurrenz durchgesetzt hatte. Der ablösefreie Transfer - ein echter Toptransfer.
Miyoshi kann zudem der Offensive das gewisse Extra geben. Von seinen Steckpässen erhoffen sich die Verantwortlichen ähnliche Auswirkungen wie von denen von Stöger. Klar ist aber, dass dieser Abgang im Kollektiv und durch eine andere Spielweise aufgefangen werden soll. Mats Pannewig etwa deutete inzwischen mehrfach an, dass er den Sprung in die Bundesliga schaffen kann, auch Winter-Neuzugang Agon Elezi ist engagiert. Insgesamt dürften die Bochumer auch hier einen Schritt nach vorn gegangen sein, weil die Last auf mehrere Schultern verteilt wird.
Offensive Außenbahn: Bamba braucht Zeit, Holtmann kann noch gehen
Lange hatte man gehofft, dass Asano doch noch bleibt. Auch Antwi-Adjei hatte lange ein Vertragsangebot vorliegen, bis man dieses schlussendlich doch noch zurück zog. Dass Asano und Antwi-Adjei zwar beliebt waren in Bochum, aber auch nicht immer ihre Leistungen auf den Platz brachten, gehört auch zur Wahrheit. Mit Gerrit Holtmann kann zudem ein weiterer Offensivspieler den Verein auch nach Ende des Transferfensters in Deutschland noch verlassen. Steine würde man ihm keine in den Weg legen. Also war klar, dass vor allem auf den Außenbahnen stark nachgelegt werden müsste. Der VfL Bochum tat dies. Miyoshi etwa kann genauso gut auf dem rechten Flügel spielen, hat dort vielleicht sogar noch größere Stärken.
Gänzlich auf der Außenbahn zu Hause sind Samuel Bamba und Aliou Baldé. Während Baldé, der für die Nationalmannschaft auf Guinea nominiert wurde, schon in seinem ersten Einsatz bei RB Leipzig unter Beweis stellte, dass er mit seinem Tempo und seiner Dribblingstärke ein echter Unterschiedsspieler sein kann, muss Bamba diesen Beweis noch erbringen. Der Sohn des ehemaligen Zweitligaprofis Musemestre Bamba ist zwar schnell, doch das Bundesliga-Niveau scheint ihn doch noch stark herauszufordern. Im Idealfall kann er im Schatten der internen Konkurrenz lernen und sich entwickeln. Ohnehin aber sind die Flügelflitzer im ursprünglichen 4-4-2-System von Zeidler nicht elementar wichtig. Sie sollen eher nach Einwechslungen ihre Stärken ausspielen, wenn auch das System im Spielverlauf angepasst wird. Gut möglich, dass sie im Saisonverlauf sogar mehr Akzente setzen können als Asano und Antwi-Adjei.
Sturm: Boadu kann der Unterschiedsspieler werden
Myron Boadu ist als Stoßstürmer neu gekommen, per Leihe. Er wird, sofern er fit bleibt, eine echte Verstärkung für den VfL Bochum sein. Seine Qualitäten sind unbestritten und mit etwas mehr Trainingseinheiten und Spielpraxis wird an ihm im Sturm kein Weg vorbeiführen. Kein Vergleich zu Goncalo Paciencia, der im vergangenen Jahr Druck auf Philipp Hofmann und Moritz Broschinski ausüben sollte.
Fazit: Der VfL Bochum ist qualitativ besser aufgestellt als in der Vorsaison
Marc Lettau hat es zusammen mit seinem Team geschafft, jeden Abgang zu ersetzen. Nicht immer eins zu eins von der Qualität her, wie etwa bei Kevin Stöger. Dennoch ist der Kader im vierten Bundesliga-Jahr in Serie vielleicht der spannendste vom Entwicklungspotenzial. Und das, obwohl durch die Relegationsteilnahme sogar bereits nahezu festgezurrte Transfers noch scheiterten. Wie etwa der von Jarne Streuckers, mit dem sich Bochum nach Informationen dieser Redaktion bereits einig war. Mit geringem Budget haben es die Bochumer dennoch geschafft, echte Qualitätsspieler wie Sissoko, de Wit, Medic und Boadu an die Castroper Straße zu lotsen. Sie besitzen entweder langfristige Verträge - oder der VfL Kaufoptionen. Sie haben sich gut ins Mannschaftsgefüge eingefügt und auch von der Bank dürfte in diesem Jahr mehr Qualität zu erwarten sein.
Durch einen Verkauf von Bernardo wäre gar noch mehr finanzieller Spielraum gewesen, dann hätte vor allem die Breite in der Qualität verbessert werden können. Dennoch sind auch die Verantwortlichen zufrieden. Zumal auch die Spieler, die im vergangenen Jahr schon im Kader standen, einen Schritt nach vorn machen sollen. Vor allem von Philipp Hofmann, Lukas Daschner, Matus Bero, Maximilian Wittek, Felix Passlack und Moritz-Broni Kwarteng erwarten die Verantwortlichen viel. Kwarteng wird intern zudem nach einer schwierigen ersten Saison mit vielen Verletzungen als interner Neuzugang gesehen. Wenn sich die Mannschaft im neuen System und der neuen Spielweise einspielt, kann der VfL Bochum eines der Überraschungsteams dieser Saison werden. Zumindest sind die Voraussetzungen dafür geschaffen.