Bochum. Der VfL Bochum geht nach dem Last-minute-Klassenerhalt in das vierte Jahr Bundesliga in Serie, muss aber einen XXL-Umbruch verkraften.
Auf dem Platz unterhalb des Ruhrstadions geht es seit etwas über einer Woche wuselig zu. Teilweise bis zu 30 Spieler des VfL Bochum horchen ganz genau den Anweisungen des neuen Trainers Peter Zeidler. Bloß nichts verpassen, bloß keinen schlechten Eindruck hinterlassen zu Beginn der Vorbereitung auf die vierte Bundesliga-Saison in Serie. Der Last-minute-Klassenerhalt in der Relegation gegen Fortuna Düsseldorf? Noch lange nicht richtig verarbeitet, aber der Blick geht schon längst wieder nach vorn. Das nächste Ziel vor Augen, natürlich soll im Mai 2025 erneut der Verbleib in der höchsten Spielklasse gefeiert werden.
Die Mission führt seit dem 1. Juli der 61-jährige Zeidler an, der auf dem Trainingsplatz mit seiner tief ins Gesicht gezogenen Kappe und seinem grauen Trainingsanzug mitunter wie ein Herbergsvater wirkt, der auf seine jungen Wilden aufpasst. Nach vielen Jahren in Frankreich und der Schweiz wagt er nun spät den Gang in die Bundesliga, ein Risiko, nennen es manche. Doch beim VfL Bochum sind sie von ihrem neuen Trainer überzeugt, er passe nahezu perfekt zum neuen VfL-Weg. Junge Spieler entwickeln, aktiv im Spiel agieren, gefährlich vor dem Tor auftauchen – diese Attribute wollen die Verantwortlichen in der kommenden Spielzeit auf dem Platz sehen.
VfL Bochum: Kaderplanung mit großen Hindernissen
Dafür baut Sportdirektor Marc Lettau derzeit massiv den Kader um. Elf Spieler haben den Verein in diesem Sommer verlassen, darunter absolute Leistungsträger wie Relegationsheld Kevin Stöger (ging nach Gladbach), Patrick Osterhage (SC Freiburg) und Takuma Asano (RCD Mallorca). Auf der Torhüter-Position muss sogar ein gänzlich neues Team aufgestellt werden, weil Manuel Riemann nach dem Eklat vor der Relegation auch weiterhin suspendiert ist und sich einen neuen Verein suchen kann, weil Michael Esser und Andreas Luthe ihre Karrieren beendet haben. In Patrick Drewes (31) ist bereits ein Ex-Bochumer zurück an die Castroper Straße gekehrt, ein weiterer Keeper soll bis zum Ende der Transferperiode kommen.
Der Fokus der Kaderplaner liegt in diesem Sommer darauf, die Mannschaft deutlich zu verjüngen, in der Qualität aber zu verstärken. „Wir sind gewillt, uns auch qualitativ zu verbessern und diese Positionen entsprechend zu besetzen“, sagte Lettau. Ein schwieriges Unterfangen, wie sich derzeit zeigt. Das Budget nämlich ist äußerst begrenzt, immer wieder gerät Lettau in Gesprächen mit Spielern und Beratern an finanzielle Grenzen. Gut sechs Millionen Euro hat er zur Verfügung, Transfers lassen sich daher schwer realisieren. Lettau muss kreativ werden – und Spieler vom Weg überzeugen. Bei dem Franzosen Ibrahima Sissoko und dem Niederländer Dani de Wit gelang das. Beide kamen ablösefrei nach Bochum, beide überzeugte er mit seiner Hartnäckigkeit. „Marc hat mich immer wieder angerufen, mir geschrieben. Das hat mich überzeugt, weil der Sportdirektor normalerweise eher mit den Beratern spricht. Marc aber hat sich stark um mich bemüht und mir immer erzählt, wie gern er mich hier haben will und was der VfL vorhat“, sagte de Wit im Gespräch mit dieser Zeitung.
VfL Bochum: Kapitänsfrage offen
So will und muss Lettau auch in der Offensive weiter nachlegen. Zwar kam in Samuel Bamba von Borussia Dortmund II ein hoffnungsvolles Talent, doch in den ersten beiden Testspielen (3:1 in Ahlen, 5:1 in Velbert) waren Defizite sichtbar. Mit einigen Kandidaten vom Typ „mobile striker“ – also einem Spieler, der sowohl auf den Flügeln als auch im Zentrum spielen kann – sind die Verantwortlichen in Gesprächen. Bis zum Trainingslagerstart am 28. Juli hoffen sie, den Kader nahezu zusammen zu haben, um in der Bundesliga bestehen zu können. Auch ein Innenverteidiger wird noch gesucht. Geplant wird mit 18 Spielern mit Stammpotenzial, sechs Perspektivspielern und drei bis vier Torhütern.
Viele Steine werden in Bochum derzeit umgedreht. Auch in der Kabine wird sich einiges ändern: neuer Mannschaftsrat, womöglich neuer Kapitän. Trainer Zeidler ließ noch offen, ob Anthony Losilla auch in seiner vermeintlich letzten Saison die Binde tragen wird. Zudem ein neues System. 4-4-2 mit Raute im Mittelfeld – so will Zeidler seine Mannschaft sehen. Das wird in den ersten Testspielen deutlich. Das Experiment Dreierkette, das Ex-Trainer Thomas Letsch angegangen war, ist beim VfL gänzlich zu den Akten gelegt. „Ich bin für die Viererkette, da fühle ich mich am wohlsten“, sagte Zeidler klar.
Eine Konstante gibt es aber auch: Ilja Kaenzig wurde nach dem Rücktritt von Patrick Fabian zum alleinigen Geschäftsführer ernannt, darunter gibt es mehrere Direktoren, die mehr Verantwortung übernehmen sollen. Auch da geht der VfL Bochums einen eigenen Weg, der am Ende möglichst im Klassenerhalt enden soll. Der erste echte Härtetest dafür: am Freitagabend gegen Drittligaaufsteiger Alemannia Aachen.