Winterberg. Ihre Fans fehlten, der Erfolg blieb erneut aus - Jacqueline Lölling konnte dem Weltcup in Winterberg wenig Positives abgewinnen.
Plötzlich huschte Jacqueline Lölling doch noch ein Lächeln übers Gesicht. Sie sollte verbal auf den kommenden Weltcup im malerischen St. Moritz in der Schweiz blicken - und allein die Gedanken an die einzige Natureisbahn im Weltcup-Zirkus hellten die Miene der 25-Jährigen auf. Hinter ihr lag ein sehr spezielles Heimrennen in Winterberg. Und das bot aus Sicht der amtierenden Gesamtweltcup-Siegerin wenig Erfreuliches.
Lölling erneut Vierte
Ein Garant für erste oder zweite Plätze war die Veltins-EisArena für die aus Brachbach stammende Athletin der RSG Hochsauerland - bis zur vergangenen Saison. Anfang Januar 2020 verpasste die Olympia-Zweite von 2018 zum ersten Mal in ihrer Karriere das Siegertreppchen beim Heim-Weltcup und musste als Vierte neben dem Podest stehend anschauen, wie sich ihre Mannschaftskollegin Tina Hermann als Siegerin feiern lassen durfte.
Damals trösteten wenigstens die aus Brachbach oder dem Hochsauerland angereisten leidenschaftlichen Lölling-Fans ihre "Jacka". Doch selbst das fiel an diesem Freitag beim Geisterrennen an der Kappe aus.
Nikitina holt EM-Titel
Aufbauende Worte und Gesten wären jedoch erneut nötig gewesen. Denn wie im Vorjahr schubste Tina Hermann als letzte Starterin ihre Teamkollegin vom Podest. Wie im Vorjahr belegte Lölling den undankbaren vierten Platz und musste bei der Siegerehrung zum Weltcuprennen sowie zur parallel gewerteten Europameisterschaft zusehen.
Unterschied: Hermann vergab die Chance auf den EM-Titel und musste sich mit lediglich sechs Hundertstelsekunden Rückstand mit Rang zwei hinter der Russin Elena Nikitina begnügen. Platz drei und Bronze holte die Österreicherin Janine Flock (+0.19 Sekunden) mit sieben Hundertstelsekunden Vorsprung auf Lölling. Fünfte wurde Hannah Neise (BSC Winterberg).
Das sagt Lölling
"Platz vier ist nicht das, was mein Ziel war. Ich hätte gerne im zweiten Lauf gezeigt, dass ich die Kleinigkeiten oben abstellen und unten heraus nochmal aufholen kann", sagte Lölling nach dem Rennen. "Es war ein spannendes Rennen, es hat leider nicht gereicht und am Ende habe ich den undankbaren vierten Platz."
Doch wieso verpasste sie nach der Durststrecke zum Saisonstart auch in der Veltins-EisArena, in ihrem Wohnzimmer, erneut das Podest?
"Wir haben noch Reserven, was die Startzeiten angeht", antwortete Lölling und umschrieb damit freundlich ein Problem ihres Teams. Nikitina, Flock, die Kanadierin Elisabeth Maier oder die Niederländerin Kimberley Bos starten schneller. Lölling und Co. müssen diesen Rückstand durch ihre Fahrkünste aufholen.
Dicht gedrängte Spitze
"Wir dürfen uns keine Fehler erlauben, sonst wird es eng", erklärte die Brachbacherin. Sie erlaubte sich im ersten Lauf kleinere und im zweiten einen im Labyrinth. "Zudem ist die Spitze in den vergangenen Jahren eng aneinander gerückt, viele haben sich fahrerisch entwickelt", erzählte Lölling weiter. Als Beweis dient das Klassement nach Lauf eins in Winterberg: Platz eins und fünf trennen nur neun Hundertstelsekunden. Mit Blick auf sich fügt Lölling an: "Ein paar Reglementänderungen kommen anderen mehr zu gute." Stichwort: Gewichtsgrenze.
Das sagt der Bundestrainer
Chef-Bundestrainer Christian Baude war im Großen und Ganzen jedoch zufrieden mit der Vorstellung seines Trios. "Wir haben gesehen, dass wir fahrerisch sehr gut in Form sind, dass das Material sehr gut läuft. Einzig die Startzeiten sind der reglementierende Faktor, warum es noch nicht ganz zum Sieg reicht", sagte er. "Mit drei Damen in den Top Fünf kann man aber nicht meckern. Wir werden dran bleiben und werden versuchen, spätestens in Altenberg auf der WM-Bahn das Blatt umzudrehen", ergänzte er.
Auch Löllings Formkurve zeigt generell nach oben, selbst wenn auf Rang drei in Innsbruck jetzt der vierte Platz in Winterberg folgte. Das stimmt die 25-Jährige zuversichtlich - neben der Aussicht auf die nächste Station St. Moritz.
Die Fans fehlen Lölling
Etwas jedoch wiegt auch St. Moritz nicht auf: Die fehlenden Lölling-Fans in Winterberg. "Als ich morgens zur Bahn kam, wurde mir erst richtig bewusst, was hier los ist", sagte die Brachbacherin. Im Gegensatz zu sonst: nichts. "Es wäre gelogen, wenn ich keinen Unterschied gemerkt hätte. Meine Fans fehlen mir einfach", erklärte sie. Eine Brachbach-Maske und viele gedrückte Daumen sind eben kein Ersatz für die Hundertschaft(en) an der Bahn: "Ich hoffe, dass die Fans in der nächsten Saison wieder da sind" - und sie zurück aufs Treppchen singen, tröten oder jubeln.