Bad Berleburg. Vom Schreihals über den übermotivierten Vater bis zum Lexikon: Es gibt typische Zuschauer auf den verschiedenen Plätzen der Amateure.

Voraussichtlich noch fünf Wochen muss die Fußballszene in auf Spiele warten müssen, in denen es wirklich um etwas geht. Wir finden: Jetzt ist die richtige Zeit, um sich den Typen zu widmen, die an jedem „normalen“ Spieltagswochenende zu den Sportplätzen strömen. Ein Überblick über Zuschauer und ihre streitbaren, amüsanten und (teilweise) auch liebenswerten Eigenheiten.

Der „Patriot“

Stellt sich mitten in die Zuschauergruppe nahe des Bierverkaufs und regt sich über „die vielen Ölaugen bei denen“ auf und nennt den dunkelhäutigen Stürmer des Gegners einen „echten Deutschen“ – spricht aber doch nicht so laut, dass es auf dem Platz zu vernehmen ist. Weil ihn die Umstehenden sowieso nicht wirklich ernst nehmen und keinen Bock auf Grundsatzdiskussionen haben, lässt man ihn gewähren.

Wenn es doch mal zu bunt wird und eine klare Ansage vom Vorstand bekommt, verfällt er in leises Quengeln: „Jetzt darf man nicht mal mehr hier was sagen.“ Zwei Minuten später ist der Ärger verflogen, denn der Patriot ist wegen des Siegtors in Ekstase, erzielt durch einen Spieler mit Migrationshintergrund. Bei dem sei die Sache anders gelagert: „Der ist ja schon integriert und hat einen Job, das ist nicht so einer.“

Der Erfolgsfan

Plötzlich steht er da. Da, wo er immer stand, so viele Jahre lang, als es noch in der Bezirksliga zur Sache ging. Jetzt spielt „sein“ Verein nur noch in der Kreisliga C. Lange Zeit war er abwesend, doch nun, fünf Spiele vor Schluss – das Team ist klar Tabellenführer – ist er zurück.

Die Nachfragen seiner Stehplatz-Nachbarn, die sich verblüfft nach den Gründen für seine Abstinenz erkundigen, beantwortet er schulterzuckend: „Den Jungs habe ich immer zugetraut, dass sie das schaffen. Ich hatte viel um die Ohren und diese Kniegeschichte, da wollte ich keine langen Touren mit dem Fahrrad machen.“ Die 400 Meter von seinem Haus zum Sportplatz wären zu Fuß zu viel des Guten gewesen.

Die „Fünf-Mann-Armee“

Ihre großen, bunten Zaunfahnen stechen optisch positiv heraus – und den Mut und die Beharrlichkeit, Gesänge aus großen Arenen in einer Amateurliga zu etablieren, muss man respektieren. Dennoch: Die immer wiederkehrenden „T-T-T-S-V“-Rufe, in die aber niemand einstimmt, gehen den Leuten mit jeder Wiederholung mehr auf den Zeiger.

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„Ich kann das ausblenden, aber spätestens während der Unterbrechungen bekommst du es mit – und da nervt es“, stellt Alexander Krowarz fest, der die Fünf-Mann-Armee bei Landesliga-Spielen des VfL Bad Berleburg erlebt hat. „Anfeuerung ist schön, aber wenn Einzelne komplexe Gesänge starten, ist das komisch. Wären es 50 Mann, würde es sich vielleicht gut anhören. So fragt man sich, warum die das machen.“

Der Vater

Er ist besonders beim Jugendfußball anzutreffen: Wenn ein Teamkollege seines Sohnes es wagt, den Junior nicht anzuspielen, bekommt der Vater „200 Puls! Spiel’ auf den Justin – der weiß wenigstens was mit der Pille anzufangen!“ Justin schaut dabei angestrengt in Richtung des Waldes, der an den Platz grenzt.

Der Nostalgiker

Der 2:0-Sieg im Derby war schon nicht schlecht, doch damals wäre dieser Gegner schon mit drei Mann zur Halbzeit besiegt gewesen – und das barfuß. Überhaupt: Früher, als der Verein in der Verbandsliga spielte, war alles besser, da hatten die Spieler noch Biss und Klasse. Dass die Rahmenbedingungen andere waren, übersieht der Nostalgiker.

Wie frühere Generationen als Maßstab für die Elf der Gegenwart zur Belastung werden können, hat der von der Regionalliga zwischenzeitlich in die Kreisliga B abgestürzte VfL Klafeld-Geisweid erlebt. VfL-Co-Trainer Hanno Schäfer: „Diese Vergleiche sind weniger geworden, aber sie kommen noch vor. Das ist aber nicht hilfreich.“

Die Suffkopp

Fußballschauen und Flaschenbier – das gehört für einige Zuschauer fest zusammen. Wenn vor dem Spiel der „Zweiten“ noch ein Frühschoppen anstand, kann es beim Spiel der „Ersten“ konfus werden. „Immer die Sieben. Der hatte schon Gelb“, krakeelt der Suffkopp beim ersten Foul in der zweiten Minute, ehe er zum Clubhaus wankt, um Nachschub zu holen. Das späte Siegtor bekommt er nach einem „polnischen Abgang“ nicht mehr mit.

Der Nörgler

Wenn WM ist, gibt es 82 Millionen Bundestrainer. Die Regel lässt sich aber auch einige Ebenen tiefer anwenden, wo der Coach zur Halbzeit vor dem Clubhaus beraten wird: „Mann Trainer, nimm doch den Neuner runter, der ist blind wie ein Maulwurf!“

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Thomas Lichtenthäler, Trainerlegende aus dem Siegerland: „Egal ob jetzt Löw oder Lichtenthäler, Kritik kommt während des Spiels immer auf und meistens ist sie nicht sachlich.“ Nörgler können Motivation und Schrecken sein – laut Lichtenthäler hängt dies von der Mentalität des Kickers ab.

Der Schreihals

Auch diesen Typ Fan kennt Lichtenthäler nur zu gut. Manchmal hilft die von außen hereingetragene Unruhe der Mannschaft, manchmal genau nicht. Lichtenthäler hätte durch einen Schreihals beinahe seine B-Lizenz verloren. Er wurde bei einem Spiel des VfL Klafeld-Geisweid im Ruhrgebiet als Übeltäter ausgemacht, als ein Zuschauer lautstark „Ey Schiri, was pfeifst du für eine Scheiß“ rief. Erst vor dem Sportgericht in Kaiserau räumte der Zuschauer die Sache ein.

Das Lexikon

Vor dem Anpfiff erzählt er allen, das der linke Verteidiger des Gegners dieses Wochenende auf Montage ist – hat er auf der Facebookseite gelesen. Der Ersatzmann hat höherklassig in Hessen gespielt und kommt gerade erst aus einer Verletzung zurück: „Über diese Seite sollten wir es probieren.“ Und der Mittelstürmer, „das ist ein Fuchs, hat diese Saison schon 13 Buden. Seit 2012 hat der in sechs Spielen für drei Vereine gegen uns getroffen.“

Die Frischverliebte

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Im Austausch mit den anderen Mädels hat sie nicht nur Augen für Torschüsse und Taktik: „Das Torwarttrikot in den Komplementärfarben macht richtig was her.“