Wittgenstein. Wittgensteiner Fahrradhändler erklären, wie sie mit den aktuellen Sonderregeln umgehen. Weil viele Sportarten flachfallen, steigt das Interesse.

Auch vor dem Radsport macht die Corona-Krise nicht Halt – etliche Frühjahrsklassiker und Amateurrennen sind abgesagt, sogar der große Giro de Italia wird verschoben. Abseits des Wettkampfgeschehens, im Kleinen, ist es jedoch ein krisensicherer Sport – und sogar ein empfohlener. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn rief dazu auf, anstelle der öffentlichen Verkehrsmittel, in denen eine erhöhte Ansteckungsgefahr herrscht, das Fahrrad als Ersatz-Verkehrsmittel in Betracht zu ziehen.

Auch interessant

Empfehlenswert ist die Bewegung an der frischen Luft sowieso, da sie das Immunsystem stärkt. „Draußen zu sein und sich zu bewegen ist das Beste, was man im Moment machen kann“, sagte kürzlich auch der aktuell sehr gefragte Prof. Christian Drosten, Chefvirologe der Charité in Berlin.

Da es gute Argumente für die Nutzung von Fahrrädern gibt und die Ansteckungsgefahr – zumindest, sofern man allein fährt – gleich null ist, zählen Fahrradwerkstätten zu den Handwerksbetrieben, die von der kürzlich erfolgten Schließung des Einzelhandels ausgenommen sind.

Auch interessant

Der normale Verkauf, in der Regel verbunden mit einer Beratung, ist jedoch nicht mehr gestattet. Heißt in der Praxis: Reparieren ja, Verkaufen nein. Doch wie funktioniert dies in der Praxis, wo doch Verkaufsraum und Werkstatt oftmals keine räumliche Trennung aufweisen?

Kundenkontakt nur vor der Tür

Bei Fahrrad Wege in Feudingen bleibt die Verkaufsfläche in der alten Apotheke geschlossen. Für die Annahme und Abgabe der Räder kommen Karsten Wege und seine Frau Doris Bernshausen also vor die Tür. Wie seit Jahren bewährt bietet der Händler seinen Kunden von Dienstag bis Freitag ein „Servicefenster“ von 15 bis 18 Uhr an, in dem nach vorheriger Terminvereinbarung die Übergabe des Fahrrads stattfindet, das einen Tag später wieder abgeholt werden kann.

(Archivfoto) Auf seinen Rädern bleibt Karsten Wege vorerst sitzen. Räder zur Reparatur nimmt er aber noch an.
(Archivfoto) Auf seinen Rädern bleibt Karsten Wege vorerst sitzen. Räder zur Reparatur nimmt er aber noch an. © Lars-Peter Dickel

Aktuell sind die Termine für mehr als zwei Wochen bereits vergeben, was aber nichts mit der Coronakrise zu tun hat. „Das ist immer so im Frühjahr“, sagt Doris Bernshausen: „Aber vielleicht schaffen wir jetzt, ohne uns um den Verkauf kümmern zu müssen, ein oder zwei Räder mehr am Tag.“

Verkaufsflächen bleiben geschlossen

In Schwierigkeiten kommt der Feudinger Fahrradhandel vorerst nicht, denn bis auf eine 450-Euro-Kraft gibt es keine Angestellten. „Aber wir haben uns für den Sommer gewappnet und hoffen jetzt natürlich, dass die Situation nicht sechs Monate anhält.“

Unsicherheit besteht noch in der Frage, wie es mit dem Verkauf kleiner Teile aussieht – etwa von Ersatzschläuchen, die man besonders bei Fahrten mit einem Straßenrad für den Falle eines Plattfußes mit sich führen sollte. „Da weiß ich selbst nicht hundertprozentig, wie die Regelung ist“, sagt Bernshausen.

Auch interessant

In dieser Frage aus dem Schneider ist Uwe Sonneborn, der sein Fahrradzubehör als Teil eines Tankstellenshops in Berghausen vertreibt – und Tankstellen sind systemrelevante Betriebe ja ohnehin von den derzeitigen Schließungen ausgenommen. Um hygienischen Anforderungen gerecht zu werden, wurde in Berghausen kurzerhand eine „Klappe“ installiert, durch die ein Verkauf und das Bezahlen der Tankrechnungen ohne direkten Kontakt zum Kunden möglich ist. „Es kommt keiner mehr in den Laden rein“, betont Sonneborn.

Trotz zunehmender Verlegung vieler Büroangestellter ins Homeoffice herrschte bis zum Mittwoch noch normaler Betrieb an der Tankstelle. „Die Autofahrer halten wegen der aktuell niedrigen Preise ihren Tank voll. Erst seit heute ist spürbar weniger Betrieb“, berichtete Sonneborn am Donnerstag. Dafür klingelte häufig das Telefon – weil sich die Leute erkundigen, ob in Sachen Fahrrad „noch was geht“.

Auch interessant

Die Bremsen nachstellen, Inspektionen und Software-Updates für E-Bikes – so kommen bis zu 25 Räder am Tag in den Laden. So wie in Feudingen ist dies nach den ersten schönen Tagen des Jahres nichts Ungewöhnliches, doch zuletzt wurden noch ein paar Räder mehr als üblich verkauft. Sonneborn: „Wir hatten Kunden, die haben gesagt, die etwas haben wollten für die Zeit, in der Vieles nicht möglich ist. Das waren sozusagen Corona-Käufe.“

Online-Shop noch nutzbar

Beim E-Bike-Spezialisten Radsport Heimes in Bad Laasphe sind diese trotz geschlossener Verkaufsfläche aktuell über den Online-Shop möglich. Reparaturen sind nach telefonischer Vereinbarung weiter möglich. Der Schlauchautomat vor dem Geschäft ist weiter bestückt. Inhaber Ralf Heimes ist gespannt auf die kommenden Wochen. „Wie sich das alles einspielt, bleibt abzuwarten.“

Ausgangssperren unterschiedlich ausgelegt

In Italien, Spanien, Österreich, Frankreich und weiteren Ländern wurde von den Regierungen eine Ausgangssperre für die Bevölkerung verhängt. Auch in Deutschland gilt dies als drastischste Maßnahme im Kampf gegen den Coronavirus als Option.

In den Ländern mit Ausgangssperre darf man die eigene Wohnung nur noch in Ausnahmefällen verlassen. In Italien und Spanien werden bei Sport an der frischen Luft hohe Geldstrafen verhängt.

Frankreichs Präsident Macron ließ über seinen Innenminister ausdrücklich darauf hinweisen, dass Sport an der frischen Luft in Frankreich auch während der Ausgangssperre erlaubt ist. Also ist den Franzosen ist Joggen und Radeln erlaubt – allerdings nur alleine und nicht in Gruppen.