Schameder/Sankt Moritz. Ganz Schameder feiert mit der Medaillengewinnerin der Olympischen Jugend-Winterspiele. Celine Harms ist überwältigt und hat viel zu erzählen.

Gegen 18:21 Uhr machte sich Nervosität am Feuerwehrhaus in Schameder breit. „Die Fackeln sind gleich runtergebrannt“, stellte einer der Anwesenden fest. Doch dann fuhr mit Blaulicht und Martinshorn ein Feuerwehrwagen vor – die Situation war gerettet. Celine Harms hüpfte aus dem Fahrzeug und sah ein Ehrenspalier, das die Schamederaner mit Fackeln vom oberen Parkplatz bis zum Tor der Wache bildeten.

Auch interessant

Dies sind „nur“ rund 50 Meter. Doch die waren, zumal von lautem Johlen zur Begrüßung begleitet, überwältigend für die 16-Jährige. Harms ging mit Deutschlandflagge und der Bronzemedaille, die sie am Sonntag bei den Olympischen Jugend-Winterspielen im Monobob gewonnen hatte, den Weg hinunter. Unten gab es dann kein Halten mehr. „Danke, dass ihr gekommen seid. Danke, dass ihr mich so unterstützt habt“, rief Celine Harms später mit einer hoffnungslos von innen beschlagenen Brille. Damit richtete sie sich an alle, die gekommen waren, um ihr zum Coup von Sankt Moritz zu gratulieren.

(Fast) das halbe Dorf ist da

Es war ein Abend, an sich jeder erinnern wird, der da war. Weil Menschen zusammenkamen, wie es sonst nur bei einem Volksfest oder vielleicht bei der Weihnachtsmesse der Fall ist. Als sich die rund 150 Schamederaner zum Gratulieren in die Schlange stellten, standen darin Mütter mit dem Kind im Arm, aber auch Celines Urgroßmutter (91) mit Rollator.

Stolze Familie: Papa Dirk Harms (l.), Bruder Cedric (2.v.l.) und Mama Cindy (r.) freuen sich mit ihrer Celine.
Stolze Familie: Papa Dirk Harms (l.), Bruder Cedric (2.v.l.) und Mama Cindy (r.) freuen sich mit ihrer Celine. © Florian Runte

Heimatverein, Sportverein und natürlich die Feuerwehr, bei der Celine auch während der intensiven Vorbereitung noch regelmäßig mitwirkte, hatten Glückwunsch-Banner aufgehängt und Geschenke mitgebracht. „Es ist ein würdiger Rahmen“, freute sich Ortsvorsteher Tim Saßmannshausen, der wie viele andere mitgefiebert hatte – auch ohne Live-Übertragung aus Sankt Moritz.

Wie früher beim Videotext

„Man hat sich so ein bisschen an alte Zeiten erinnert, als man die Fußballergebnisse über Videotext verfolgt hat“, schmunzelte Ortsvorsteher Tim Saßmannshausen darüber, wie sie daheim am Live-Ticker die Entwicklung in Zahlen verfolgten.

Bei der Wahl zu den Sportlern des Jahres, die gemeinsam vom Kreissportbund, der Westfalenpost und der Westfälischen Rundschau durchgeführt wird, wurde Celine Harms mit ihren Leistungen im Jahr 2019 Fünfte bei den Frauen. Die Urkunde für die Ehrung, die am Sonntag parallel zum Bobrennen in Sankt Moritz stattfand, wurde im Rahmen der gestrigen Feier von WP-Redakteur Florian Runte (l.) und der Gemeindesportverbandsvorsitzenden Maria Breuer (r.) an Harms übergeben.
Bei der Wahl zu den Sportlern des Jahres, die gemeinsam vom Kreissportbund, der Westfalenpost und der Westfälischen Rundschau durchgeführt wird, wurde Celine Harms mit ihren Leistungen im Jahr 2019 Fünfte bei den Frauen. Die Urkunde für die Ehrung, die am Sonntag parallel zum Bobrennen in Sankt Moritz stattfand, wurde im Rahmen der gestrigen Feier von WP-Redakteur Florian Runte (l.) und der Gemeindesportverbandsvorsitzenden Maria Breuer (r.) an Harms übergeben. © Florian Runte

Auch Bürgermeister Henning Gronau und die Gemeindesportverbandsvorsitzende Maria Breuer hatten Blumen mitgebracht und gratulierten im Feuerwehrhaus, wo die Leute es sich zwischen Schläuchen und Schaufeln, Helmen und Werkzeugkisten gut gehen ließen, die Medaille begutachteten und in der Hand wogen. Währenddessen flimmerten die Bilder aus der Schweiz über eine improvisierte Leinwand.

Auch interessant

Zu sehen war auch ein Foto von Harms mit IOC-Präsident Thomas Bach, der das Rennen vor Ort verfolgt hatte. „Er hat mir ganz herzlich gratuliert, hat gesagt, dass er sich für mich freut und dass ich weitermachen soll“, erzählt Celine Harms von dem kurzen Treffen.

Ursprüngliches Flair

Tiefer eingebrannt haben sich die Erinnerungen an das besondere, sehr ursprüngliche Flair der Wettkämpfe in Sankt Moritz, die auf der Natureisbahn und (im Eisschnelllauf) auf einem Natursee unter freiem Himmel ausgetragen wurden. „Dann diese Umgebung, die Berge und alles. Das war richtig schön. Es war Stimmung an der Bahn und zwischen den Athleten war es harmonisch“, erinnert sich Harms gerne an die gemeinsamen Abende und Nachmittage in der Jugendherberge, an denen sich die Sportler beim Airhockey oder Tischtennis von der Nervosität ablenkten.

Celine Harms bei den Jugend-Winterspielen in Sankt Moritz

Von den Spielen in der Schweiz bringt Celine Harms die Bronzemedaille im Monobob-Rennen mit - und damit auch das Maskottchen der Spiele, das alle Medaillengewinner erhalten.
Von den Spielen in der Schweiz bringt Celine Harms die Bronzemedaille im Monobob-Rennen mit - und damit auch das Maskottchen der Spiele, das alle Medaillengewinner erhalten.
Los ging es mit der
Los ging es mit der "kleinen" Eröffnungsfeier in St. Moritz. Um ständige Reisereien zu vermeiden, hatte das IOC im Sinne der Nachhaltigkeit die Spiele aufgeteilt. Neben dem Olympischen Dorf und der Eröffnungsfeier in Lausanne gab es das gleiche in kleinerer Version in Sankt Moritz, das mehrere hundert Kilometer westlich liegt.
Erst wurde traditionelle Schweizer Musik gespielt...
Erst wurde traditionelle Schweizer Musik gespielt...
... und dann kamen die Fahnenträger der Kufensport-Nationen.
... und dann kamen die Fahnenträger der Kufensport-Nationen.
Zur Feier gehörte ein Bühnenprogramm...
Zur Feier gehörte ein Bühnenprogramm...
... bei dem auch getanzt wurde. Mittendrin: Celine Harms (rechts, halb verdeckt).
... bei dem auch getanzt wurde. Mittendrin: Celine Harms (rechts, halb verdeckt).
Die deutschen Nachwuchsathleten hatten einen prima Abend...
Die deutschen Nachwuchsathleten hatten einen prima Abend...
... und wurden in der Jugendherberge, ihrem Olympischen Dorf, in der Kantine versorgt (im Foto die Kantine aus Lausanne).
... und wurden in der Jugendherberge, ihrem Olympischen Dorf, in der Kantine versorgt (im Foto die Kantine aus Lausanne).
Am Tag nach der Eröffnungsfeier folgte für Celine Harms das erste Training auf der Natureisbahn...
Am Tag nach der Eröffnungsfeier folgte für Celine Harms das erste Training auf der Natureisbahn...
... und auch die Eisschnellauf-Wettbewerbe in Sankt Moritz fanden auf Natureis, auf einem See statt. Dies machte das besondere Flair der Spiele in der Schweiz aus...
... und auch die Eisschnellauf-Wettbewerbe in Sankt Moritz fanden auf Natureis, auf einem See statt. Dies machte das besondere Flair der Spiele in der Schweiz aus...
... und auch bei Nacht gab die Wintersportmetropole einiges her.
... und auch bei Nacht gab die Wintersportmetropole einiges her.
Die Bahn in St. Moritz ist die einzige Natureisbahn der Welt und führt durch einen Wald.
Die Bahn in St. Moritz ist die einzige Natureisbahn der Welt und führt durch einen Wald.
Im Rennen meisterte Celine Harms alle Schwierigkeiten und gewann Bronze...
Im Rennen meisterte Celine Harms alle Schwierigkeiten und gewann Bronze...
... weshalb sie bei der Einblendung des Resultats große Augen machte.
... weshalb sie bei der Einblendung des Resultats große Augen machte.
IOC-Präsident Thomas Bach (hier in einem anderen Zusammenhang) gehörte zu den ersten Gratulanten...
IOC-Präsident Thomas Bach (hier in einem anderen Zusammenhang) gehörte zu den ersten Gratulanten...
... ehe die erste Zeremonie stattfand. Die Medaillen gab es am Montag vor der Schlussfeier....
... ehe die erste Zeremonie stattfand. Die Medaillen gab es am Montag vor der Schlussfeier....
... ehe die Heimreise nach Schameder mit einem Riesenempfang am Feuerwehrhaus stattfand...
... ehe die Heimreise nach Schameder mit einem Riesenempfang am Feuerwehrhaus stattfand...
... wo einige Mädels zuvor in Windeseile den Olympia-Tanz gelernt hatten. Den konnte natürlich auch Celine...
... wo einige Mädels zuvor in Windeseile den Olympia-Tanz gelernt hatten. Den konnte natürlich auch Celine...
... deren Medaille interessiert begutachtet wurde.
... deren Medaille interessiert begutachtet wurde.
Auch für ein Familienfoto mit Papa Dirk, Bruder Cedric und Mama Cindy war Zeit...
Auch für ein Familienfoto mit Papa Dirk, Bruder Cedric und Mama Cindy war Zeit...
... ehe nachträglich die Urkunde für Platz 5 bei der Ehrung der Sportler des Jahres anstand. Diese Wahl und Ehrung führen der Kreissportbund, die Westfalenpost und die Westfälische Rundschau durch. WP-Redakteur Florian Runte und Maria Breuer vom Gemeindesportverband überreichten den Preis.
... ehe nachträglich die Urkunde für Platz 5 bei der Ehrung der Sportler des Jahres anstand. Diese Wahl und Ehrung führen der Kreissportbund, die Westfalenpost und die Westfälische Rundschau durch. WP-Redakteur Florian Runte und Maria Breuer vom Gemeindesportverband überreichten den Preis.
1/21

Die war nämlich durchaus groß. „Am Tag vor dem Wettkampf hat meine Familie mich den ganzen Tag abgelenkt, aber der Morgen vor dem Wettkampf war katastrophal“, lacht Harms. Erst die Routine mit dem Schleifen der Kufen und dem Aufwärmprogramm habe die Nerven beruhigt – und dann ging die Sache gut auf. Der Ärger, mit dem Touchieren einer Bande vor der letzten Kurve Silber verloren zu haben, ist längst verflogen. Anderen erging es nicht so gut, etwa der Zimmerpartnerin Maja Wagner, die nach Platz vier Trost brauchte.

„Nach der Medaillenzeremonie und den Fototerminen bin ich mit den Schweizern und Liechtensteinern zum Feiern in eine Bar gegangen. Da haben wir gesprochen, gefeiert, getanzt“, so Harms.

Zu große Kälte für die Abschlussfeier

Die „kleine“ Abschlussfeier in Sank Moritz, weit entfernt vom Kernort der Spiele in Lausanne, ließ sie mit einigem Bedauern sausen. Wegen der Kälte von minus 16 Grad. „Es war einfach zu kalt. Wir waren ja vorher schon ewig draußen.“

Zur Feier gehört auch ein spontanes Tänzchen vor dem Feuerwehrhaus. Den offiziellen Olympiatanz hatten die Mädchen kurzfristig eingeübt.
Zur Feier gehört auch ein spontanes Tänzchen vor dem Feuerwehrhaus. Den offiziellen Olympiatanz hatten die Mädchen kurzfristig eingeübt. © Florian Runte

Und dann schloss sich die Party in Schameder an – nach nur zweieinhalb Stunden Schlaf in der Nacht. „Das will ich jetzt aber erstmal genießen“, sagte die Medaillengewinnerin, die ihre Bobsaison beendet hat und ab Donnerstag wieder „normal“ in der Schule sitzen wird.

Sportlich geht es ab März mit Athletiktraining und dem Umstieg in den Zweierbob weiter, das nächste Ziel heißt Europacup. Wobei die Qualifikation nicht auf Anhieb klappen müsse, sagt Harms, weil nächstes Jahr das Abi folge – und weil die Konkurrenz bei den Frauen riesig ist. „Das wird eine noch größere Hausnummer, wir haben ja unfassbar gute Pilotinnen in Deutschland.“

Auch interessant

Ob aus der Karriere was wird, ist offen. Klar ist, dass eine Medaille bei den Jugend-Spielen einen Riesenschub geben kann – so wie vor acht Jahren bei Jacqueline Lölling oder vor vier Jahren bei Laura Nolte, die inzwischen im Zweierbob-Weltcup fährt. Die olympische Medaille hat Celine so oder so sicher – und die Erinnerungen an den atemberaubendem Empfang, der auch beim Gewinn der Gewinn der Goldmedaille nicht schöner hätte sein können