Feudingen. Der Reitplatz des RuF Schloß Wittgenstein sucht in der Region seinesgleichen. Wie lange die Anlage noch genutzt werden kann, ist aber fraglich.

Bäume, Sträucher und Wiesen wohin man auch sieht. In der Nähe zirpt eine Grille, aus der anderen Richtung ist das Singen eines Vogels zu hören. Ansonsten: Stille. Keine Frage: Der Reitplatz des Reit- und Fahrvereins Schloß Wittgenstein, der etwas versteckt zwischen Feudingen und Weide liegt, ist ein echtes Kleinod. Zumindest an einem Sonntag und vom Parkplatz aus gesehen, denn im Rücken liegt das Industriegebiet „Untere Espen“.

Eine Kutsche beim Training auf dem Reitplatz des RuF Schloß Wittgenstein.
Eine Kutsche beim Training auf dem Reitplatz des RuF Schloß Wittgenstein. © Florian Runte

Auch der Reitplatz ist Teil dieses Industriegebiets – und das ist ein Problem für den RuF Schloß Wittgenstein. Wenn sich nämlich ein Betrieb in den Espen mit einer Produktions- oder Lagerhalle ansiedeln will, muss der Reitverein weichen. „Wir pachten das Gelände nur. Wer hier einen Industriebetrieb bauen will, hat im Zweifelsfall Vorrecht“, sagt Karin Schneider, Vorsitzende des Vereins, der seit Jahrzehnten nicht mehr am Bad Laaspher Schloß beheimatet ist. Durch die Ansiedlung von zwei neuen Betrieben ist die Fläche des Reitsport-Areals seit dem Bau der Anlage im Jahr 2015 von zwei auf drei Hektar geschrumpft – was noch verkraftbar war. Sollte das Gelände für einen weiteren Betrieb verkleinert werden müssen, geht es aber an die Substanz. „Das wäre schlimm“, sagt Karin Schneider.

Dabei ist im oberen Lahntal doch genügend Platz. Dies könnte man meinen, doch es ist nicht so. Die schöne Kulisse ist nämlich nicht nur Segen, sondern auch Fluch. Die feuchten Wiesentäler um das Industriegebiet sind als schutzwürdiges FFH (Flora-Fauna-Habitat)-Gebiet ausgewiesen. Doch warum hat der Verein dann, trotz des schwebenden Damoklesschwert, so viel Arbeit in das Gelände investiert? „Vorher hat sich hier zwölf Jahre lang gar nichts getan“, erklärt Schneider: „Und das Gelände ist für so eine Anlage einfach ideal.“

In der Tat: Ein Kleinod ist die Anlage nicht nur optisch, sondern auch sportlich. Die komplette Disziplinpalette des Fahrsports kann hier geübt werden. Vergleichbare Anlagen findet man erst wieder in Niederweimar (bei Gießen) oder in Reichshof-Eiershagen (Bergisches Land).

Auf dem großen Platz für das Dressurfahren, gebaut nach den internationalen Maßen, können Hufschlagfiguren in allen Gangarten geübt werden. „Das ist unheimlich wichtig für die Pferde, hier können sie sich Geschmeidigkeit für die anderen Disziplinen holen“, sagt Dieter Dickel aus Balde, Organisationswart des Vereins.

Hindernis- und Geländefahren

Hindernisse auf dem Reitplatz des RuF Schloß Wittgenstein im Industriegebiet Untere Espen.
Hindernisse auf dem Reitplatz des RuF Schloß Wittgenstein im Industriegebiet Untere Espen. © Florian Runte

Für das Hindernis- und Geländefahren stehen Kegeltore, aber auch natürliche und künstliche Geländehindernisse bereit: kleine Hügel, ein Wasserhindernis sowie Tonnen und Bäume. „Da haben auch die Pferde richtig Spaß“, sagt Schriftführerin Nadja Dittmann, die häufig an Turnieren teilnimmt. Dort gilt es für sie die Hindernisse nach vorgegebener Zeit und Strecke zu meistern. Mit Marvin Peter hat es ein Sportler des Vereins inzwischen auch in den Landeskader der Fahrsportler geschafft.

Auch Vielseitigkeitsreiter („Military“) kommen bei Feudingen auf ihre Kosten. Sie finden nicht nur Baumstämme und Bahnschranken vor, sondern beispielsweise auch ein (unbewohntes) Entenhaus. Ganz nebenbei ist auch normales Springreiten möglich. So ist der Verein inzwischen auf über 100 Mitglieder gewachsen, von denen die meisten aus dem Siegerland und Hessen ins Wittgensteiner Land kommen.

„Hier kann man alles machen“, sagt Karin Schneider: „außer Voltigieren.“ Sogar einen Holzrücke-Lehrgang hat der Verein kürzlich angeboten. Jetzt, wo der Borkenkäfer wütet wie nie, wird im Wald jede Kraft gebraucht. Vorrangig sind aber Kutschen auf dem Gelände am kleinen Lahn-Zufluss Dreisbach unterwegs. „Beim Fahren ist der Reiz, mit weniger Möglichkeiten die gleiche Leistung zu erzielen“, sagt Nadja Dittmann.

Keine Spinner

Ein Gespann auf dem Reitplatz des RuF Schloß Wittgenstein im Industriegebiet Untere Espen.
Ein Gespann auf dem Reitplatz des RuF Schloß Wittgenstein im Industriegebiet Untere Espen. © Florian Runte

Da zwischen Reiter und Pferd bzw. den Pferden kein direkter Kontakt besteht, muss anders gesteuert werden – etwa durch Rufe. Die Peitsche ersetzt die Signale, die sonst per Fuß gegeben werden. Das wichtigeste Steuermittel sind die Leinen, den den Zügeln beim „normalen“ Reiten entsprechen. „Die Pferde sind teilweise so geschmeidig, dass man sie mit dem kleinen Finger lenken kann“, erklärt Schneider. „Fahrpferde müssen allerdings Charakterpferde sein. Die dürfen nicht spinnen.“