Feudingen/Siegen. Marvin Peter steckt viel Zeit in eine Disziplin, die im heimischen Verband kaum noch eine Basis hat. Harte Arbeit und der Erfolg geben ihm Recht.
So richtig zufrieden ist der junge Mann auf der Kutsche nicht. Seine beiden Welsh-B-Ponys „Washington“ und „Mr. President“ vor dem Trainingswagen laufen nicht annähernd so synchron, wie Marvin Peter das gern hätte. Nur ein Vierbeiner ist im richtigen Trott unterwegs. Aber es ist ja Training und dazu noch im vergleichsweise tiefen – mithin anstrengenden – Sandboden in der Siegener Dreisbach. Alles halb so schlimm also.
Der 22-jährige Siegener trainiert abwechselnd auf dem Gelände der Siegener Kleinpferdefreunde und der Anlage des RuF Schloss Wittgenstein. Das erstere ist für ihn deutlich schneller von Zuhause aus zu erreichen, mitten in der Krönchenstadt, am Schleifmühlchen. Lieber ist ihm allerdings der Rasen in Bad Laasphe, um die nötigen Trainingskreise zu ziehen. Dort findet er ähnliche Bedingungen wie auf den tatsächlichen Turnierplätzen.
Marvin Peter ist einer der wenigen Pferdesportler aus dem Kreisgebiet, der den Namen „Bezirks-Reiter- und Fahrerverband Siegen-Olpe-Wittgenstein“ komplett beim Wort nimmt und den zweiten Bestandteil für sich entdeckt hat. „Ich hatte nie Lust, zu reiten“, ist die einfache Erklärung, warum er die Zügel lieber vom Sitz des Wagens aus führt.
Was wohl aber auch damit zu tun hat, dass Vater Bruno ebenfalls viele Jahre gefahren ist – hobbymäßig allerdings – und seine Begeisterung auf den Sohn vererbt hat. Der Senior bekam von seinem Vater seinerzeit im Kindergartenalter das erste Pony und war damit „angefixt“. „Die große Zeit von Immenhof“, grinst Bruno Peter in Erinnerung an die kultigen Filme um „Dick und Dalli und Ethelbert“.
Mein Bruder, der Lanzenritter
Als Hufschmied hat er bis heute täglich mit Pferden zu tun. Jahrelang ging es mit dem Pferdewagen sogar in den Urlaub. Außerdem ist er begeisterter Mittelalterfreund, reitet bei den „Lanzenrittern“ mit. Das alles hatte Auswirkungen auf die Familie. Der andere Sohn Leon ist Springreiter und gleichfalls Lanzenritter – Marvin hat sich für das Fahren entschieden. Mit acht Jahren. Und das in der absoluten Diaspora.
Die letzten Fahrturniere bei den Kleinpferdefreunden liegen Jahre zurück. Die ohnehin überschaubare Gemeinde von Gleichgesinnten, zu der Bruno Peter dort einst gehörte, fiel aus den unterschiedlichsten Gründen auseinander. Marvin focht das trotzdem nicht an, der Siegener wollte einfach fahren. Er begann mit Pferden vom Stockmaß 1,50 Meter.
Seit sechs Jahren ist er mit den Welsh-B-Ponys unterwegs, die ein Stück kleiner sind (Stockmaß 1,37 Meter) und alle wie Geschwister aussehen, wenngleich zumindest direkt nicht verwandt. In der längeren Ahnenreihe wohl schon, weiß der junge Pferdeexperte, der gerade selbst in die Zucht einsteigt. Beim Laaspher Verein RuF Schloß Wittgenstein fand er ein gutes Umfeld.
Mittlerweile haben ihn Training und Entschlossenheit in den Westfalen-Kader geführt. Eine schöne Sache, wenn auch mit regelmäßigen weiten Fahrten verbunden, bis zu 5000 Kilometer im Jahr. Die große Mehrheit der Mitbewerber ist im Münsterland verortet. Dort liegen die Ziele, in Lienen oder Greven. „Die kommen eben nicht mehr extra für ein Turnier hier nach Siegen“, schüttelt Mutter Sabine Peter wissend den Kopf. Also zieht der Familientross regelmäßig mit dem übergroßen „Wohnwagen“ los, der fünf Pferde und zwei Wagen fasst.
Wechselnde Beifahrer
„Ohne Familie geht es nicht“, betont Marvin und ist dankbar, dass seine Mutter an diesem Trainingsabend in der Dreisbach hinten auf dem Wagen steht. Notfalls sei das auch bei Turnieren so, ergänzen die beiden unisono. Dass Marvin – noch – bei den Junioren startet, stört da nicht. Die Klasse zähle nur für den Sportler an sich. Die Beifahrer könnten durchaus älter sein. Der Beifahrer ist unerlässlich, grundsätzlich für die Balance, für kleine Notreparaturen und vor allem im Gelände als Hilfe für das Einhalten des Kurses.
Nach Möglichkeit nimmt der junge Siegener seine Freundin für diese Aufgabe mit. Hat die keine Zeit, wird Bruder Leon rekrutiert, der dann auch schon mal auf ein Springturnier verzichten muss. Und im allerletzten Notfall sind die Eltern da.
Die harte Arbeit von Marvin Peter lässt sich in Erfolgen messen. Jahr für Jahr wird der Name Marvin Peter beim Reiterball aufgerufen. Mangels Mitbewerbern wird keine Fahrerverbandsmeisterschaft mehr in den Klassen M oder gar S ausgetragen, aber die guten Ergebnisse des U-25-Mannes sind dem Verbandsvorstand regelmäßig eine Sonderehrung wert.
2018 holte Marvin den zweiten Platz bei den Westfälischen Jugendmeisterschaften, dazu kamen zwei vierte Ränge bei den Westfälischen Meisterschaften und den Deutschen Jugendmeisterschaften in der Mannschaft. Jeweils in der M-Klasse.
Einen weiteren vierten Platz gab es in der der Klasse S bei den „Westfälischen“ in Gronau-Epe. Diese erstmalige Top-Platzierung in der höchsten Klasse war wichtig für den jungen Sportler, der auf mittlere Sicht auch auf die nationalen Meisterschaften und mit enormer Vorsicht noch eine Ecke weiter schaut.
Stilechte Bekleidung spielt eine Rolle
„Aber wirklich erst, wenn ich da eine Chance habe“, schränkt Marvin sofort ein. Hinfahren, um gleich wieder mit einer Klatsche abzureisen, das ist nichts für ihn. Beim S-Wettbewerb 2018 hatte er erstmals verstärkten Kontakt zu den Top-Fahrern des Landes. „Die kochen auch nur mit Wasser“, sagt der junge Mann. Aber einen starken Vorteil gebe es dennoch. „Sie kommen mit einer gewissen Reputation in den Wettbewerb. Darauf wird von der Jury geachtet“, erklärt er weiter.
Wenn der Starter dann entsprechend auf einigermaßen hohem Niveau fahre, sorge das sicher auch für entsprechende Eindrücke und Noten. Bewertet wird übrigens nicht nur die sportliche Leistung, auch die stilechte Bekleidung bei der Dressur sowie die Ausrüstung der Kutsche, etwa mit Lampen – die im Training nicht montiert werden.
Und wie sieht ein solcher Wettbewerb praktisch aus? Die meisten Fahrturniere bestehen aus Prüfungen in den Disziplinen Dressur, Geländefahren und Hindernisfahren. Drei Pferde darf er jeweils melden, weil die Tiere trotz des so gleichen Aussehens extrem unterschiedliche Charaktere seien und damit auch verschieden talentiert für die drei Teildisziplinen.
Für die Wettkämpfe trainiert Marvin regelmäßig, wenngleich es „meistens nur für dreimal in der Woche“ reiche. Oft gehe es nur noch in den Wald, um die Tiere in Sachen Ausdauer fit zu halten. Vor Turnieren muss er die Aufgabenbücher studieren. Marvin hat einen Metallberuf gelernt und dann bei seinem Vater weiter, Richtung Hufschmied. Die Firma hat einen Angestellten.
„Die Jungs schmeißen den Laden inzwischen“, schmunzelt Bruno Peter. Ist das ok, für den Vater zu arbeiten? „Ich kann ihm ja sowieso nichts vormachen“, zuckt der Sohn lachend die Achseln. Das sei schon genau richtig. Genug zu tun haben sie auch, aber das wirkt sich dann auf die Trainingszeit aus. Andererseits werde Geld fürs Beschlagen gespart, alle acht Wochen rund 240 Euro.
Kurze Zeit hatte Marvin versucht, im hessischen Landesverband unterzukommen, das wäre räumlich näher gewesen. „Aber die wollten mich damals irgendwie nicht“, stellt er gelassen fest. Also musste und muss gereist werden, und billig ist die Sache auch nicht. Aber der Erfolg versüßt all diesen Einsatz. Wenn der im bisherigen Stil anhält und der Sportler weiter in dieser Weise arbeitet, könnte der Name Marvin Peter durchaus auch nach dem 25. Geburtstag noch in den Erfolgslisten zu finden sein.