Schameder/Winterberg. Celine Harms aus Schameder will als Bobfahrerin zu den Olympischen Jugend-Winterspielen. Heute fährt sie ihr erstes Rennenin St. Moritz

Eigentlich sind sie noch Anfängerinnen, dennoch werden Celine Harms und Johanna Tebbe bereits bestaunt und bewundert. Etwa 20 Personen sehen im Rahmen einer Führung an der

Celine Harms und Johanna Tebbe bereiten sich auf eine Trainingsfahrt vor.
Celine Harms und Johanna Tebbe bereiten sich auf eine Trainingsfahrt vor. © Florian Runte

Winterberger Bobbahn beim Start zu, beobachten andächtig die Vorbereitungen und machen Fotos. Harms und Tebbe ziehen die Helme auf, klatschen sich ab und bringen mühsam ihren 170-Kilogramm-Schlitten auf Fahrt. Der Sprung hinein ist schon Routine – bei typischem „Kappe-Wetter“ verschwindet der Bob bereits nach wenigen Metern in einer Nebelsuppe, so dass nur das Gerumpel über die Unebenheiten der Eisrinne zu hören ist.

Eine Fahrt ins Ungewisse steht Celine Harms auch heute bevor. In St. Moritz bestreitet die 15-Jährige aus Schameder nämlich ihr erstes offizielles Bobrennen. Es ist zunächst eine Standortbestimmung – und das gleich in einem internationalen Feld. In der Schweizer Wintersport-Metropole versammelt der Bob- und Skeleton-Weltverband IBSF in dieser Woche Jugendliche aus aller Welt zu einer Trainingswoche, die nun mit dem ersten Rennen in der Youth-Series-Competition abgeschlossen wird. Kommende Woche geht es nahtlos auf der deutschen Bahn am Königssee weiter.

Bobteam Celine Harms/Johanna Tebbe beim Start.
Bobteam Celine Harms/Johanna Tebbe beim Start. © Florian Runte

Es handelt sich um erste Testrennen für die 3. Olympischen Jugend-Winterspiele (14 bis 18 Jahre), die im Januar 2020 in und um Lausanne in der Schweiz stattfinden sollen. Dort für Deutschland an den Start zu gehen ist das Ziel von Harms, die in St. Moritz allerdings ohne ihre Anschieberin auskommen muss – bei den Jugendspielen findet ihr Sport nämlich in der Variante Monobob statt, also mit einer Person pro Schlitten.

Im „Mono“ machte Harms ihre erste Bobfahrt, was nicht einmal 14 Monate her ist. Zuvor war die Wittgensteinerin auf dem Skeleton in Bauchlage im Eiskanal unterwegs, ehe man ihr der großen Körpergröße wegen zum Wechsel in den Bob riet. Das Gespür für das Eis brachte Harms vom Skeleton bereits mit – es ist ihre große Stärke und hat ihr bereits die Aufnahme in den Landeskader beschert. „Celine ist eine talentierte und gefühlvolle Fahrerin, dazu kann sie Erklärungen und Korrekturen schnell umsetzen“, sagt der Winterberger Stützpunkttrainer Andreas Neagu.

Sekunden-Bewusstlosigkeit

Das Bobteam Celine Harms/Johanna Tebbe beim Aufwärmen.
Das Bobteam Celine Harms/Johanna Tebbe beim Aufwärmen. © Florian Runte

Ein Indiz sei, dass Harms bei bislang etwa 160 Abfahrten noch nie gestürzt ist – eine bemerkenswerte Bilanz. „Jeder kippt irgendwann. Aber Celine hat einen Run“, sagt Neagu und klopft auf Holz. Seine Athletin hat einen Heidenrespekt vor den rohen Kräften, die bei bis zu 135 Stundenkilometern auf sie und ihre Teamkollegin einwirken.

„Das Adrenalin merke ich vor jedem Start und blaue Flecken habe ich durchgehend. Einmal habe ich eine Bande bekommen und bin mit dem Helm auf den Bob geschlagen, da war ich ein, zwei Sekunden bewusstlos“, verrät die Schülerin vom Gymnasium Bad Berleburg.

Um im Bob bestehen zu können und um dabei auch noch schnell zu sein, trainiert Celine viel – sehr viel. In mindestens fünf Athletik-Trainingseinheiten pro Woche stemmt sie Langhanteln, schwingt die Beinpresse und sprintet in Spikes auf der Tartanbahn. Normen muss sie zwar noch nicht erfüllen, klare Fortschritte werden aber erwartet und überprüft. Auch in Sachen Körpergewicht gibt es Vorgaben.

Trainer Andreas Neagu (r.) erklärt, Celine Harms (l.) und Johanna Tebbe hören zu.
Trainer Andreas Neagu (r.) erklärt, Celine Harms (l.) und Johanna Tebbe hören zu. © Florian Runte

„Es gibt noch Reserven. Mit 15 Jahren ist Celine logischerweise nicht austrainiert“, sagt Andreas Neagu. Der 33-jährige Winterberger, der mit Laura Nolte schon einmal eine Siegerin bei Jugend-Winterspielen hervorgebracht hat, sagt: „Sie kann viel erreichen. Ob es mal für den Weltcup reicht, sieht man immer erst später, aber die Anlagen sind gut.“ Dies bezieht er nicht nur auf die Athletik. „Celine ist ruhig, gewissenhaft und unkompliziert, kann Kritik gut annehmen. Es gibt ja auch Jugendliche, die meinen, dass sie schon alles wissen.“

Beinahe täglich pendelt Harms mit Mama oder Papa zwischen Schameder und Winterberg, Zeit für die Freunde oder die Jugendfeuerwehr bleibt weniger als früher. Wenn die Mitschüler in der Freistunde Karten spielen, vertieft sich Harms in die Schulbücher – die Vokabeln sind im Auto dran. „Klar habe ich Phasen, in denen ich das krass finde. Aber ich könnte jetzt auch nicht mehr aufhören, denn es macht einfach Spaß“, sagt Celine Harms: „Das ist schwer zu erklären, man muss es erlebt haben.“

Training unter Wolfgang Hoppe

Johanna Tebbe bei der Vorbereitung des Bobs.
Johanna Tebbe bei der Vorbereitung des Bobs. © Florian Runte

Mit Johanna Tebbe, die im Metallica-T-Shirt an den Kufen schleift, lacht sie viel, wenn es zwischen den Trainingsfahrten Leerlauf gibt. Ihre Anschieberin aus Siedlinghausen ist sich sicher: „Celine schafft es.“

Gemeint ist die Qualifikation für die Jugend-Winterspiele, für die Celine Harms im kommenden Herbst die beste Deutsche ihrer Altersklasse sein muss – keine leichte Sache. An die Stützpunkte drängen ständig Athleten aus anderen Sportarten, versuchen den Quereinstieg. Beim Abschlusstraining in Winterberg sind ein Baseball-Spieler aus Paderborn und eine Kugelstoßerin aus dem Westerwald dabei, heute in St. Moritz startet mit Maja Wagner aus Thüringen eine frühere Eisschnelläuferin als zweite Deutsche. Betreut wird das Duo von Bobsport-Legende Wolfgang Hoppe.