Menden. Egal ob Leistungssportler, Hobbyläufer oder mit nur zwei Prozent Sehstärke: Hans-Jürgen Kasselmann weiß, worauf beim Training ankommt.
Gerade einmal zwei Grad zeigt das Thermometer, als ich das Huckenohl-Stadium in Menden betrete. Es schneit. Auf der Laufbahn sammelt sich das Wasser und meine Finger brennen vor Kälte. Für die Altersklassen-Läufer, die ich heute bei ihrem Training begleite, kein Grund, eben dieses zu verschieben. „Es gibt kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung“, sagt Hans-Jürgen Kasselmann, Vorsitzender des Marathon-Clubs Menden (MCM) und Trainer.
In schwarzer Regenjacke steht er am Bahn-Rand, motiviert uns und gibt Tipps, wie wir beispielsweise unseren Laufstil verbessern können. Der 67-Jährige weiß, wie wichtig gutes Training vor einem Lauf sein kann – gerade, wenn es sich um einen Marathon handelt. Einige seiner Läufer bereiten sich schon auf ihren ersten Wettkampf vor – von fünf Kilometern bis Marathon ist alles dabei – und auch Triathlon.
Grenzen austesten
Doch wie sieht ein klassisches Marathontraining aus? „Zunächst einmal muss man unterscheiden, ob es sich um einen Leistungssportler oder um einen Hobbyläufer handelt“, sagt Kasselmann. „Einen Leistungssportler mache ich in zwölf Wochen fit für den Wettkampf.“ Dabei sei es von Vorteil, wenn der Sportler vorab eine Leistungsdiagnostik machen lässt. Aufgrund der Analyse könne man seine individuellen Grenzen erörtern. Denn Grenzen sind wichtig für den Erfolg. „Wenn wir immer in einem für uns angenehmen Tempo bleiben, können wir uns auch nicht verbessern. Das geht nur, wenn wir mit unseren Grenzen arbeiten. Training mit Spitzensportlern heißt Training im Grenzbereich.“
Geschichte des Vereins
Vor mehr als 35 Jahren
haben sich Läufer zunächst zu einer lockeren Gruppe zusammengeschlossen. 1983 wurde dann der Verein gegründet.
Ziel war es und ist noch heute, das Mittel- und Langstreckenläufen im Leistungs- und Breitensportbereich zu fördern.
Mittlerweile zählt der Marathon-Club Menden rund 350 Mitglieder.
Für jeden seiner Läufer erstellt Kasselmann einen individuellen Plan. Und auch per WhatsApp steht er mit ihnen im engen Austausch – bis zu 200 Nachrichten schreibt er pro Tag. „Der Austausch ist wichtig. Es geht dabei um das Training und um andere Fragen, wie beispielsweise, was sie tun können, wenn sie Schmerzen haben.“ Nur wenn man seine Athleten gut kenne, könne man den optimalen Sportplan erstellen. Dabei gehören nicht nur die langen Läufe zum Training, sondern unter anderem auch Sprints, Intervall- und Stabilisationstraining.
Das Grundlagentraining
Bei einem Anfänger hingegen stehe zunächst das Grundlagentraining im Focus. „Jemand, der gerade angefangen hat zu laufen, sollte nicht direkt einen Marathon laufen. Na klar kann er es versuchen, aber es ist ungesund und schädlich für den Körper“, so der Trainer, der uns nach der Aufwärmrunde die Stufen im Huckenohl-Stadion hinauf schickt. „So schnell wie möglich die Treppe hinauf – sechs Mal. Achtet darauf, dass ihr nicht mit dem gesamten Fuß aufkommt, sondern nur mit dem Vorderfuß!“
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Und schon geht es los: „Beine weiter hoch ziehen!“, ruft er mir entgegen. Ich spüre wie mein Puls immer schneller wird. Der Weg nach unten hingegen dauert etwas länger – ich habe Angst die Stufen nicht zu treffen. „Diese Übung fördert auch das Sicherheitsgefühl und das Gleichgewicht“, so Kasselmann. Dann geht es weiter zu den breiteren Stufen. Diese sollen wir hinaufspringen. Es sind Übungen, die zur Laufschule und somit zum Grundlagentraining jeden Läufers gehören sollte. „Sie spielt im Laufsport eine wichtige Rolle. Ebenso wie das Stabilisationstraining. Das ist der Schlüssel zum Erfolg.“
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Und auch Gymnastik ist für die Sportler wichtig – besonders für ihre Rumpfmuskulatur. So wundert es nicht, dass viele der Läufer nach dem Training auf der Bahn gemeinsam mit Christel Schulte ins Warme gehen, wo die ehemalige Marathonläuferin immer dienstags “Power Fitness“ anbietet. Sie selbst sei ihren ersten Marathon mit 65 Jahren gelaufen. Heute aber mache sie den Sport weniger wegen der Wettkämpfe, sondern für sich selbst – eben für das Wohlbefinden. „Ich brauche keine Bestzeit“, sagt sie und lacht.
Mit zwei Prozent Sehstärke Läufer
Keine Bestzeit, aber irgendwann einen Marathon laufen – das möchte auch Dennis, mit dem ich gemeinsam mit zwei weiteren Läufern die letzten Runden für heute auf der Bahn drehe. Er hat eine Stirnleuchte um und schaut auf den Boden vor sich. Viel sehen kann er dennoch nicht – denn Dennis besitzt nur noch rund zwei Prozent seiner Sehkraft. Trotzdem läuft er Runde für Runde sicher im Huckenohl-Stadion; und auch der nächste Wettkampf lässt nicht mehr lange auf sich warten. „Ich möchte in Lendringsen die fünf Kilometer laufen“, sagt er.
Mit dabei wird dann ein Lauffreund aus dem Verein sein – denn alleine könne er an Straßenwettkämpfen nicht mehr teilnehmen. Hans-Jürgen Kasselmann ist stolz auf seinen Schützling. „Super gemacht“, lobt er Dennis und klopft ihm auf die Schulter. „Das ist Sport. Hier ist jeder willkommen, mitzumachen“, sagt der 67-Jährige. „Es geht hier nicht nur um Marathon. Wir sind ein Verein, in dem es den Leistungs- und um Breitensport gibt.“
Während die ersten Läufer sich bereits für die Power Fitness bereit machen, dehnen wir unsere Beine, während der Schnee immer stärker auf den Boden fällt. Denn Dehnen sei für alle Läufer wichtig – egal ob nach zehn oder 42 Kilometern. Ebenso die Regeneration – gerade nach einem Marathon. „Ich selbst habe früher in kurzer Zeit an mehreren Marathonläufen teilgenommen und Dinge gemacht, von denen ich heute weiß, dass sie nicht gut sind. Denn der Körper braucht die Regeneration nach einem Wettkampf. Ich empfehle meinen Läufern mindestens 14 Tage Paunach dem Marathon“, so der Trainer. Ein kurzer lockerer Lauf sei aber drin – ebenso alternatives Training, wie beispielsweise Radfahren.
Und auch genug Schlafen sei besonders im Leistungssport von besonderer Bedeutung – denn ausgeschlafene Sportler sind fitter, wie der Marathonexperte verrät.