Hagen. . Phoenix Hagen gelang im Spiel gegen die Eisbären Bremerhaven ein unglaubliches Comeback. Nach einem 20-Punkte-Rückstand gewannen die Hagener noch mit 95:88. David White führte mit vier Dreiern im 42:21-Schlussviertel die Aufholjagd seiner Mannschaft an.

Das größte Spektakel der Basketball-Bundesliga ist zurück am Ischeland. Drei Viertel steigerten die Spieler von Phoenix Hagen im ersten Heimspiel 2013 arg stolpernd den winterlichen Bedarf an Stimmungsaufhellern beim eigenen Anhang noch. Um dann in rauschhaften letzten zehn Minuten einen Überschuss an Glückshormonen auf die Ränge zu pumpen. Davin White und seine Teamkollegen sorgten so bei ihrem 95:88 (31:47)-Sieg nicht nur für Fassungslosigkeit bei den lange überlegenen Eisbären Bremerhaven, sie entließen auch den Großteil der 3145 Zuschauer in der ausverkauften Enervie Arena beseelt auf den Heimweg. Selbst Phoenix-Geschäftsführer Oliver Herkelmann staunte: „Ich habe ja schon eine Menge Basketball-Spiele gesehen, aber so etwas noch nicht.“

Für ihr unglaubliches Comeback brauchten sie ein Loch, tiefer als der Tagesbruch an der Sporthalle Mittelstadt. Und die Phoenix-Spieler gruben es sich. „Sehr, sehr sauer“ sei er zur Pause gewesen, beschrieb Trainer Ingo Freyer seine stark oszillierenden Gefühlsschwankungen, nicht ohne als Gesamtresümee hinzuzufügen: „Ich bin sehr stolz auf meine Mannschaft.“ Doch dazu später. Zunächst schien der Erwartungsdruck nach fünf Wochen ohne Heimspiel die Gastgeber zu lähmen, wie zuletzt beim misslungenen Saisonauftakt gegen Gießen. Ein 0:6-Start machte früh die erste Auszeit von Freyer notwenig (3. Minute), doch es wurde kaum besser.

Zwar ließ der starke Adam Hess Phoenix mit zwei Dreiern beim 15:14 (7.) einmal kurz in Führung gehen. Doch der Flügelcenter - im Duell mit dem Ex-Hagener Jacob Burtschi klarer Sieger - blieb lange der einzige konstante Faktor in der Offensive. Von einem Rhythmus waren die engagiert, aber unglücklich agierenden Gastgeber ansonsten gegen klug verteidigende Bremerhavener weit entfernt, magere 32 Prozent Wurfquote zur Pause sprechen Bände. Und defensiv war vornehmlich Dino Gregory, der rekordverdächtige sieben Würfe wegblockte, mit seiner Präsenz in der Zone dafür verantwortlich, dass die Gäste nicht noch weiter enteilten. Auch so setzten sich die Eisbären kontinuierlich ab, den aus der Halbdistanz traumhaft sicher treffenden US-Flügel Stefan Jackson etwa konnte kein Hagener kontrollieren. Larry Gordons Dreier zum 31:38 (18.) beantworteten die nicht nur beim Rebound überlegenen Gäste mit einer 0:9-Serie.

Erste Pfiffe auf den Rängen waren die Folge, der Glaube an eine Wende war in der Pause ausgesprochen übersichtlich ausgeprägt. Zumal die souverän wirkenden Bremerhavener durch Center Keith Waleszkowski noch auf 31:51 (22.) erhöhten - und Phoenix weiter mit eher unglücklichen Szenen auffällig wurde. Beispielhaft, als Gordon nach Rebound und bei Fastbreak-Chance dem enteilenden Hess in den Rücken passte. Bis zum 40:59 (26.) sprach wirklich nichts für die Hagener, ehe Freyer in einer Auszeit die entscheidende Umstellung vornahm. „Wir haben alles auf eine Karte gesetzt, in der Zone verteidigt und schnell abgeschlossen“, beschrieb der Coach später, „und zum Glück getroffen, das gehört dazu.“

Bremerhaven reagierte verunsichert, beim 51:61 (28.) nach dem zweiten Dreier des in Halbzeit eins noch blassen David Bell wuchs die Hoffnung im Phoenix-Fanblock. Bis zur Viertelpause konterten die Eisbären noch kühl und führten klar (53:67), dann trieb es Freyer auf die Spitze. Mit Gregory nahm er den einzigen Center vom Parkett, dort agierten nun fünf Dreierschützen. Und die entwickelten in einem verrückten Schlussviertel plötzlich traumwandlerische Treffsicherheit. Der erste Versuch von Abe Lodwick ging noch auf den Ring, dann trafen White, Hess, Lodwick, Gordon, erneut White und Bell aus der Distanz, zwei Fastbreak-Körbe kamen hinzu. Keine vier Minuten benötigte Phoenix für eine phänomenale 22:4-Serie - und führte auf einmal mit 75:71 (34.). Was einen Lärmpegel nahe an der Schmerzgrenze auf den Rängen zur Folge hatte.

Den dämpfte Ex-Publikumsliebling Burtschi noch einmal, als er mit theatralischem Sturz ein unsportliches Foul von Hess nach dessen Rebound provozierte. Die Freiwürfe des Bremerhavener Kapitäns zum 79:80 waren seine ersten Punkte, doch nun war White - zuvor durchaus nicht fehlerfrei – überhaupt nicht mehr zu halten. Weitere zwei Dreier setzte er ganz frech ins Gesicht des 15 Zentimer größeren Philipp Zwiener, auf sein 87:81 zwei Minuten vor dem Ende hatten die Eisbären endgültig keine Antwort mehr. „Hagen war einfach in den letzten zehn Minuten viel besser“, musste Burtschi anerkennen, der die Rückkehr an seine erste, von ihm hoch geschätzte Profistation angesichts dessen als „bitter-süß“ beschrieb. Angefressen wirkte auch sein Coach Douglas Spradley nach denkwürdigen Schlussabschnitt: „Ich kann mich nicht erinnern, dass eine Mannschaft gegen mich 42 Punkte in einem Viertel erzielt hat.“ Offensichtlich hatten er und seine Spieler die Comeback-Fähigkeiten der Hagener unterschätzt. Deren Credo brachte sein Gegenüber Freyer auf den Punkt: „Phoenix kämpft immer bis zum Ende, auch wenn es aussichtslos erscheint.“

Phoenix Hagen - Eisbären Bremerhaven 95:88 (31:47)

Phoenix Hagen: Bell (21, 3/6 Dreier), Hess (20, 3/6 Dreier, 8 Rebounds), Dorris (7), Kruel, Wendt, Gordon (17, 2/4 Dreier, 6 Rebounds, 3 Ballverluste), Lodwick (5), Gregory (2, 9 Rebounds, 7 Blocks), White (23, 4/5 Dreier, 4 Assists, 5 Ballverluste, 4 Steals).

Eisbären Bremerhaven: Burrell (19, 4 Ballverluste), Waleszkowski (12), Canty (2), Zwiener (17, 9 Rebounds), Morrison (4), Jackson (17, 7 Assists), Kruger (5), Harris (6), Burtschi (6, 0/3 Dreier), Raffington.

Spielviertel: 17:24, 14:23, 22:20, 42:21.

Teamstatistik: 48:45 % Wurfquote, 14/27:2/11 Dreier, 17/23:22/28 Freiwürfe, 39:35 Rebounds, 11:15 Assists, 15:11 Ballverluste, 7:4 Steals, 8:3 Blocks

Zuschauer: 3150 (ausverkauft).