Herdecke. Vor 35 Jahren stiegen die Ringer in die 2. Bundesliga auf. Die alte Truppe kam zusammen und erinnert sich an mehrere Überraschungen.

„Hier sieht‘s ja immer noch so aus“, ist einer der ersten Kommentare, als die Tigers Herdecke in die Trainingshalle an der Goethestraße gehen. Es sind allerdings nicht diejenigen, die sich auf die Saison vorbereiten. Sondern diejenigen, die dies vor 35 Jahren taten und zwar so erfolgreich, dass es in der Saison 1989/90 in die 2. Bundesliga ging. Die Ringer aus dieser Zeit waren nun zu einem „Veteranentreffen“ zusammengekommen.

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Auf den Matten liegen viele Erinnerungen, die sich die ehemaligen Schwerathleten erzählen. Egal ob besonders harte Gegner, die ein oder andere Blessur oder eben die erfolgreichen Kämpfe, die sie in der Oberliga und 2. Bundesliga bestritten. Im Dezember 1989 standen die Aufstiegskämpfe an. TSG gegen den SC Beroliner aus Berlin. Zunächst ging es in Herdecke ins Kräftemessen. Die Mannschaft um Frank Meyer, der nun alle ehemaligen Teamkameraden zusammentrommelte, gewann knapp mit 7,5 Punkten Unterschied. „Die Berliner waren am Kampftag angereist und abends schon entsprechend platt. Man konnte merken, dass ihnen im Kampf die letzte Kraft fehlte“, erinnert sich Meyer.

Erbitterte und knappe Kämpfe in Berlin

So wurde von TSG-Seite aus mit dem damaligen PräsidentenWilfried Potthoff abgeklärt, dass die Fahrt in die Hauptstadt zum zweiten Kampf einen Tag eher organisiert wird. Die Tigers wollten ausgeruht antreten und konnten nach einer Übernachtung im Hotel alles geben. Zudem fuhren viele eigene Anhänger mit. „Wir waren mit drei 50-Mann-Bussen unterwegs“, erzählt Meyer. Doch am nächsten Morgen gab‘s leicht ernüchternde Nachrichten: Aus der Zeitung erfuhr die TSG, dass die Gegner noch drei starke Amerikaner startberechtigt bekamen – das war kurz nach dem Mauerfall möglich. Darunter war auch der amerikanische Meister im Freistil (Gewichtsklasse 90 Kilogramm). „Die Berliner waren euphorisch und hatten Aufstiegsshirts vorbereitet“, weiß Meyer noch.

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Er war es, der gegen den Meister aus den USA antreten musste – und er besiegte diesen überraschend knapp. Auch alle anderen TSGler warfen alles rein und kämpften füreinander. Jeder kleine Punkt war wichtig. Herdecke verlor zwar, aber nur mit 6,5 Punkten und hatte somit in der Endabrechnung einen Punkt mehr. Aufstieg! „Das war unbeschreiblich. Es war immer unser Wunsch, mal aufzusteigen. Es war der schönste Moment in meinem Ringerleben“, schwärmt Meyer. Für die Berliner brach hingegen eine Welt zusammen, da eigentlich niemand mit dem kleinen Herdecke und seinen teils noch jungen Eigengewächsen gerechnet hatte.

Bürgermeister organisiert Blaskapelle für die Tigers

Eine Überraschung wartete auf die Sieger noch: Herdeckes damaliger Bürgermeister Hugo Knauer hatte sich auf dem Laufenden gehalten und ließ ein Telegramm an das Hotel in Berlin schreiben. „Darin gab er den Schülern, die für uns angetreten sind, für den nächsten Tag schulfrei“, verrät Meyer. Als die TSG nachts um drei Uhr in der Heimat ankam, hatte der Bürgermeister eine Blaskapelle organisiert, die die Ringer zum Haus Pfingsten begleitete, in dem bis in den frühen Morgen gefeiert wurde. Bei diesen Erinnerungen strahlen die Augen von den „Veteranen“. Beim Treffen wurde viel gelacht und die Stimmung war so, als ob sich die Ringer nur eine Woche lang nicht gesehen hätten oder als ob es gerade die Feier von vor 35 Jahren war.

Jens Kresin (helles Hemd) und Steffen Barth haben sich aus Spaß wieder auf der Matte gemessen.
Jens Kresin (helles Hemd) und Steffen Barth haben sich aus Spaß wieder auf der Matte gemessen. © Hendrik Steimann | Hendrik Steimann

Steffen Barth und den extra aus Kanada angereisten Jens Kresin kribbelt es in den Fingern und so legten sie spontan einen kleinen Einlagekampf hin. Einige der Kollegen mussten sie sogar stoppen, als eine Runde vorbei war – ohne Sieger! Aber das reichte den beiden auch, die etwas aus der Puste waren. Kresin lebt wie Ralf Zimmermann in Kanada und war 1981 vom KSV Gütersloh nach Herdecke gewechselt, als er auf Turnieren angesprochen wurde. Er war allerdings nicht mehr in der 2. Bundesliga dabei, da es ihn vorher, 1986, nach Kanada zog. So wie auch Kollege Jens Pütter, der danach weiter in die USA zog. Sie verfolgen das Geschehen noch mit und freuten sich sehr, als sie damals vom Aufstieg hörten. „Es war ja die Mannschaft, die schon ein paar Jahre vorher zusammen war und es sich erarbeitet hat. Ich mochte das Vereinsleben, was mich in jungen Jahren gebunden hat“, sagt der heute 63 Jahre alte Kresin.

Jens Pütter (l.) ist für das Treffen aus den USA angereist, Jens Kresin (M.) und Ralf Zimmermann (r.) aus Kanada.
Jens Pütter (l.) ist für das Treffen aus den USA angereist, Jens Kresin (M.) und Ralf Zimmermann (r.) aus Kanada. © Hendrik Steimann | Hendrik Steimann

Ringer erkennen sich spätestens an der Stimme wieder

Knapp 40 Jahre liegen nun zwischen dem letzten Zusammenkommen mit den Tigers. „Bei manchen musste man etwas genauer hinschauen, aber spätestens an der Stimme erkennt man sich wieder“, sagt Pütter. Zimmermann, der 1958 mit vier Jahren bei der TSG mit dem Ringen begann und schnell auf Kreis-, Bezirks- und Landesebene der Beste war, organisierte später sogar mal Kämpfe zwischen deutschen und kanadischen Vereinen. Der älteste im Kreise des Treffens war Horst Schlobsnies, der 1955 vom SSV Hagen nach Herdecke gewechselt war und erstmals in die alte Halle mit all diesen Erinnerungen trat.

Mehrere Aufstiegskämpfe und Jahre in 2. Bundesliga

Die Ringer der TSG Herdecke waren nach dem Aufstieg 1990 drei Saisons am Stück in der 2. Bundesliga. Es gab noch häufiger Aufstiegskämpfe. Einmal hatten die Tigers sogar die Chance, in die erste Liga aufzusteigen. Frank Meyer wurde später Trainer und hörte 2007 in Herdecke auf, ehe er NRW-Landestrainer wurde. Zuvor war er nochmal mit Herdecke aufgestiegen.

Die finanziellen Hürden sind für einen kleinen Verein jedoch zu hoch, um kontinuierlich auf höherer Ebene mitzuhalten. Allein schon die Reisekosten. Und die Zugänge, um sportlich mithalten zu können. Beim ersten Zweitliga-Aufstieg hatten die Tigers noch keine Ringer aus dem Ostblock, dafür ein paar gute türkischstämmige Kämpfer.