Hagen. Mentale Gesundheit wird im Sport immer wichtiger. Der Hagener Leichtathlet Max Fischer ist ein Beispiel. Er nimmt Hilfe in Anspruch.
In der Regel läuft alles gut. Man ist auf dem Höhepunkt seiner Leistung, im Training funktioniert alles so, wie man sich das vorstellt. Doch dann kommt der Wettkampf. Auf einmal schafft man es nicht abzuliefern. So oder so ähnlich geht es vielen Sportlern in allen möglichen Sportarten. Bestes Beispiel auf Profi-Ebene ist die Schwimmerin Britta Steffen. Sie fuhr als Top-Talent mit 16 das erste Mal zu den olympischen Spielen, konnte aber lange keine Medaille holen. Erst nach einem zwischenzeitlichen Karriereende und Gesprächen mit Psychologen kam sie zurück. 2008 gewann sie vier Goldmedaillen und eine Silbermedaille. Auch der Hagener Leichtathlet Max Fischer weiß mittlerweile, wie wichtig die mentale Gesundheit im Sport ist.
Denn was in den 2000er-Jahren noch relativ neu war, wird heute immer wichtiger. Fischer ist Sprinter für den LAC Veltins Hochsauerland und vermutlich der schnellste Mann in Hagen auf die 60 Meter, seine Königsdisziplin. Das reicht auch in NRW, um ganz vorne dabei zu sein. Fischer nimmt an den Westfalenmeisterschaften teil und erzielt gute Ergebnisse. Doch sein großes Ziel bleiben die deutschen Meisterschaften im Sommer. „Ich habe mir im Sommer viel vorgenommen und mir selbst sehr viel Druck gemacht“, sagt der 23-Jährige.
Doch als es darum geht, die wichtige Norm für die deutschen Meisterschaften zu liefern, kommt Fischer nicht an sein übliches Leistungsniveau heran. „Im Training hat es funktioniert, aber im Wettkampf einfach nicht. Mein Kopf hat mir da einen Strich durch die Rechnung gemacht“, erklärt Fischer, der daraufhin enttäuscht ist. Er merkt schnell, dass sich bei ihm etwas ändern muss. „Ich kenne einige Leistungssportler, die psychologische Hilfe in Anspruch nehmen und die meinten, dass man da echt einiges rausholen kann. Es ist ja total wichtig über so etwas zu sprechen, um klar im Kopf zu sein“, sagt Fischer, der aber wie viele Sportler anfangs sehr skeptisch ist, ob die Sportpsychologie wirklich so einen Unterschied machen kann.
Gespräche tragen Früchte
Doch Fischer traut sich und wird belohnt. „Jeder geht aus anderen Gründen dorthin. Bei mir ging es um das Konstrukt Ziele, Wünsche und Vorstellungen und da haben wir recht schnell gemerkt, dass ich mehr mit Wünschen in Wettkämpfe gehen sollte. Wir haben Ziele gewählt, die ich selbst beeinflussen kann und somit realistischer sind“, beschreibt er die Vorgehensweise. Seit Sommer hat Fischer zwölf Termine absolviert, der auch persönlich von den Gesprächen profitiert. „Es hat mir auch abseits des Sports geholfen besser mit Stresssituationen umzugehen.“
Aber auch sportlich zeigt sich eine Entwicklung. Die letzten Wettkämpfe liefen sehr gut für den Medizin-Studenten. „Bei den ersten Wettkämpfen, wo ich noch sehr aufgeregt war, habe ich meine Gedanken besser kontrollieren können. Früher bin ich verspannt in die Wettkämpfe gegangen, weil ich schon Tage vorher darüber nachgedacht habe“, sagt Fischer, der jetzt ganz anders mit dem vermeintlichen Druck umgeht und auch einen entscheidenden Unterschied bei den Einzelsportarten betont.
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„Jetzt stehe ich morgens vor einem Wettkampf auf und bin entspannt, weil ich weiß, was ich zu tun habe und was ich kann. Im Gegensatz zu anderen Sportarten ist es bei uns ja so, dass wir in Wettkämpfe gehen und zeigen, was wir die ganze Zeit gemacht haben. Es gibt keine externen Einflüsse wie beim Fußball zum Beispiel. Es macht also sehr viel aus, wenn man sich vorher genau damit auseinandergesetzt hat, was man tut.“
Hundertstel unter Bestzeit
Und Fischer weiß, was er tut. Obwohl er aktuell noch leicht angeschlagen ist, läuft er auf die 60 Meter 6,9 Sekunden und damit fünf Hundertstel schneller als seine Bestzeit. Auf diesem Niveau eine deutliche Verbesserung. Doch Ziele formuliert Fischer mittlerweile nicht mehr so deutlich. „Ein großes Ziel ist es die eigene Leistung einfach besser zu gestalten. Aber ich bin jetzt total locker dabei und bisher damit gut gefahren. Langfristige Ziele setze ich mir nicht mehr, denn wenn ich mich verbessere, kommt alles von selbst.“
Das Unterstützen der mentalen Gesundheit scheint also auch bei Fischer Früchte zu tragen. Im Sport allgemein war es lange ein Tabu-Thema, bevor immer mehr Fälle wie Britta Steffen auftauchten. So auch die amerikanische Turnerin Simone Biles, die in einer schwierigen Zeit betonte, dass man manchmal einen Schritt zurückgehen müsse, um danach einen Sprung nach vorne machen zu können. Das hat auch Fischer für sich genutzt. „Ich habe gelernt, dass ich nicht jeden Lauf auf Biegen und Brechen gewinnen muss. Es ist auch mal in Ordnung in einen Wettkampf zu gehen und nur bestimmte kleine Ziele erreichen zu wollen.“
Über Max Fischer
Fischer trainiert für den LAC Veltins Hochsauerland in Dortmund oder am Ischeland. Das Fitnessstudio nimmt aber den größten Teil seines Trainings ein. Zuletzt wurde er bei den Westfalenmeisterschaften Sechster auf die 60 Meter, trotz Oberschenkelproblemen. Mit seiner aktuellen Bestzeit hat er sogar die B-Norm für die deutschen Meisterschaften erreicht. „Unter den Voraussetzungen habe ich nicht damit gerechnet. Ich bin gespannt, wohin die Reise jetzt geht.“