Hagen. Auf den Fußballplätzen in Hagen und Umgebung eskaliert die Lage immer mehr. Stimmt das? Und wie kommt man aus der Gewaltspirale heraus?
Tritte, Schläge und eine Menge Frust und Hass: „Was ist los auf unseren Sportplätzen?“ - diese Frage stand am Donnerstagabend im Mittelpunkt einer Diskussionsrunde im Vereinsheim der SpVg. Hagen 1911 auf der Bezirkssportanlage auf Emst. Der Radiosender WDR5, der zur Podiumsdisksussion eingeladen hatte und die Moderation übernahm, ging auf Ursachenforschung. Mit dabei waren Peter Mann vom Kreissportgericht des Fußballkreises Hagen Ennepe-Ruhr, WP-Lokalsportreporter Fabian Vogel und Elfer-Jugendleiter Alexander Baumgardt.
Warum ist die Zündschnur mancher Fußballer so kurz? Und warum ist vor allem der Jugendbereich so stark von Spielabbrüchen betroffen? Diese Fragen sollten Experten und Betroffene aus Hagen und Umgebung zunächst einordnen, ehe auch Lösungsvorschläge diskutiert wurden.
Vier Spielabbrüche waren weniger erwähnenswert
Peter Mann hat als Fußball-Richter regelmäßig mit den Ausschreitungen auf den heimischen Sportplätzen zu tun. Fast alle Sachverhalte, die eskalieren, landen immerhin auf seinem Tisch. „Die Wahrnehmung, dass gefühlt jede Woche richtig was los, die ist aber nicht ganz richtig. Diese Wahrnehmung haben zwar viele und ich habe sie auch, aber das stimmt nicht ganz“, sagt Mann und verweist darauf, wie unterschiedlich die Sachverhalte sind - und wie differenziert das Kreissportgericht die Vorfälle Woche für Woche aufarbeiten muss: „Wir haben im Seniorenbereich in dieser Hinrunde fünf Spielabbrüche gehabt. Vier davon waren, ich sage mal, weniger erwähnenswert. In dem einen Fall war es dann so, dass einem Schiedsrichter ins Gesicht geschlagen wurde“, sagt Mann, der das Problem ohnehin eher im Jugendbereich beheimatet sieht.
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Seine Grundthese: Die Fußball-Profis leben falsch vor, wie man mit dem Schiedsrichter umgeht. Es werde zu viel diskutiert und es gebe zu wenig Disziplin im Profi-Fußball: „Es gibt einen Pfiff und sofort rennen sieben, acht Mann zum Schiri und machen Theater. Beim Handball ist das nicht so, weil das sofort bestraft wird“, findet Mann.
Vor allem bei Kindern und Jugendlichen finde dieses Verhalten Nachahmer: Dort, wo mitunter nicht ausgebildete Trainer auf der Bank sitzen und Betreuer als Schiedsrichter einspringen, weil es im Kreis nicht genügend Unparteiische gibt: „Das Problem sind aber nicht die Kinder, sondern das, was am Spielfeldrand passiert. Die Eltern haben sich teilweise überhaupt nicht im Griff und haben es offenbar nicht geschafft, ihren Kindern Respekt beizubringen.“ Im Gegenteil: Sie stachelten die Kinder gar noch auf, findet Mann.
Eltern mischen sich zu viel ein
Diese Beobachtung teilt Elfer-Jugendleiter Alexander Baumgardt. Bei Hagen 11, so betont er, sei es vergleichsweise diszipliniert, wenn auch nicht problemfrei. An der Bezirkssportanlage auf Emst gibt es inzwischen Aushänge, die Eltern auf Benimmregeln hinweisen: Sie sollten nicht vergessen, dass es sich beim Jugendspiel nicht um eine Weltmeisterschaft handele - und respektvoll miteinander umgehen, steht auf einem Stück Papier, das am Vereinsheim angebracht ist.
Auch Baumgardt bestätigt: Es sind vor allem die Eltern, die ihren Kindern immer mehr Anweisungen geben. Damit sorgten viele Väter und Mütter nicht nur für eine aufgeheizte Stimmung, sondern sie torpedierten darüber hinaus auch ein ums andere Mal die taktischen Vorgaben des Trainers und behinderten damit die Matchpläne der eigenen Mannschaft.
Fußball muss Treiber der Integration sein
Im Laufe dieser Diskussion wurde klar: Das Problem mit besonders erschreckenden Gewaltexzessen ist ein Fußball-Problem. Zwar nicht exklusiv, aber die beliebteste Sportart der Deutschen ist besonders stark betroffen. WP-Redakteur Fabian Vogel fasst zusammen: „Keine andere Sportart in Deutschland bildet die Gesellschaft so gut ab, wie der Fußball“, sagt Vogel, auch im Hinblick auf die Herausforderungen mit Migration, die beim Thema Gewalt auch eine Rolle spielt. Denn wo Kulturen und verschiedene Sprachen aufeinandertreffen, entstehen Missverständnisse. Aus Missverständnissen kann Ärger entstehen. Aus Ärger folgt im schlimmsten Fall Gewalt: „Und das ist das Traurige“, findet Vogel: „Der Fußball ist ein Treiber für Integration - nur leider nicht immer.“
Die Zuschauer der Diskussionsrunde merkten: Das Problem ist komplex und eine allgemeingültige Lösung konnte an diesem Abend nicht gefunden werden. Immerhin: Härtere Strafen und mehr Geld für die Vereine, um für Prävention zu sorgen, waren zwei der Vorschläge, die aus dem Publikum, das vom Radiosender eingebunden wurde, formuliert wurden.
In einer Sache waren sich alle einig: Das Thema Gewalt im Fußball hat in erster Linie mit dem Elternhaus und der Erziehung zu tun. In jedem Fall sei es aber eine Schattenseite des geliebten Fußballs. Ein Missstand, der aus dem Schatten der Gesellschaft geholt werden und konstruktiv diskutiert werden müsse. Dieser Diskussionsabend war ein Beitrag dazu.