Herdecke. Es sollte nach Olympia-Silber nur ein Sabbatjahr sein, jetzt ist der Ruhestand. Warum der Herdecker Johannes Weißenfeld seine Karriere beendet:
Aus dem Sabbatjahr wird doch der Ruhestand. Im Hochleistungs-Rudern, beruflich steht Johannes Weißenfeld erst am Anfang seiner Karriere. Der Beruf, konkreter der Abschluss des Medizin-Studiums, ist auch der Hauptgrund für die Entscheidung des 28-jährigen Herdeckers, seine höchst erfolgreiche Karriere mit vier Weltmeister-Titeln und Olympia-Silber zu beenden. Nach Rang zwei bei den Olympischen Spielen 2021 in Tokio mit dem Deutschland-Achter hatte der Athlet des RC „Westfalen“ Herdecke zunächst nur ein Jahr Pause einlegen wollen, um dann mit dem Ziel Olympia 2024 in Paris wieder ins Boot zu steigen. „Gerade habe ich immer noch nicht so viel Lust auf Rudern“, erklärt Weißenfeld im Gespräch mit der Lokalsport-Redaktion: „Ich muss ja Prioritäten setzen. Bisher lagen die eher auf dem Sport, jetzt auf der beruflichen Entwicklung.“
Im Oktober - zwischen dem Ende der Ruder-Saison 2022, in dem der aktuelle Deutschland-Achter ohne ihn erstmals seit 23 Jahren das WM-Finale verpasste, und dem Vorbereitungsstart für 2023 - musste seine Entscheidung fallen. Das war Johannes Weißenfeld stets bewusst, der einräumt: „Der Weg dahin war gar nicht so leicht. Ich habe das Jahr auch gebraucht, um die Entscheidung zu formulieren.“ Er sei „noch hin- und hergerissen“, bekannte er noch vor zwei Wochen. Nun aber hat sich der Herdecker nach mehr als einem Jahrzehnt im Rudern an der Weltspitze entschieden - gegen die Wiederaufnahme der Hochleistungssport-Karriere, gegen Olympia 2024. Und die Entscheidung Bundestrainer Uwe Bender mitgeteilt. „Es war ein gutes Gespräch, er hat meine Situation zu 100 Prozent verstanden“, sagt Weißenfeld, „auch wenn er mich gern wieder im Team gehabt hätte.“ Zumal der aktuelle Achter, in dem nur noch ein Ruderer aus Tokio saß, eine historisch schwache Saison absolvierte.
Erster Weltmeistertitel 2011 bei Junioren
In der Schulzeit begann Johannes Weißenfeld mit dem Rudersport, schloss sich dem RC „Westfalen“ Herdecke an. Der erste große Erfolg gelang ihm 2011, als er mit dem deutschen Vierer ohne Steuermann bei den Junioren-Weltmeisterschaften Gold gewann. Ein Jahr später folgte WM-Bronze, 2014 dann Silber bei der U23-Weltmeisterschaft. Mit dem Vierer ohne Steuermann qualifizierte er sich für Olympia 2016 in London, war dort aber nur Ersatzmann.
2017 rückte Weißenfeld in den Deutschland-Achter auf, der mehrere Jahre bei internationalen Meisterschaften ungeschlagen blieb. So wurde der Herdecker 2018 in Sarasota/Florida und 2019 in Plovdiv/Bulgarien mit dem Großboot Weltmeister, gewann zudem vier Europameisterschaften in Folge. Bei den 2021 in Tokio stattfindenden Olympischen Spielen holte der Achter die Silbermedaille hinter Neuseeland, danach legte Weißenfeld ein Jahr Pause ein.
Als erfahrener Bugmann hätte 1,99-m-Recke Weißenfeld da helfen können. „Es wäre auch durchaus eine Option gewesen, wieder einzusteigen“, sagt er, die schlechte Verfassung des Achters sei nicht der Grund für sein Karriere-Ende: „Ich sehe da viel Potenzial, rein physisch sind die Jungs nicht schlechter als wir im letzten Achter.“ Es war vielmehr sein beruflicher Werdegang, der den Ausschlag gegeben habe. „Noch mal das Studium für den Sport aufzuschieben, war keine Option“, sagt der 28-Jährige, der sein Medizin-Studium an der Ruhr-Universität Bochum abgeschlossen hat und im nächsten Frühjahr sein zweites Staatsexamen absolvieren will: „Meine ehemaligen Kommilitonen machen das jetzt gerade.“ Mit dem üblichen Trainingsaufwand im Deutschland-Achter sei das aber nicht vereinbar.
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Beim Nikolauslauf mitmachen
Fit gehalten für eine möglich Rückkehr hat sich Weißenfeld im letzten Jahr, vor allem mit Radfahren und Krafttraining. „Im Boot gesessen habe ich tatsächlich nur einmal, beim Weihnachts-Rudern an Heiligabend auf dem Hengsteysee mit alten Bekannten“, sagt er, sechsmal pro Woche habe er trainiert: „Sich fit zu halten, geht relativ einfach, aber Spitzenleistungen sind nur ganz schwer zu konservieren. Für die paar Prozent, die da den Unterschied machen, muss man extrem viel investieren.“
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Auch Olympia 2024 konnte seine Entscheidung nicht mehr ändern. „Natürlich hätte ich das gern miterlebt“, räumt Weißenfeld ein, „aber das ist ja keine Dorfregatta. Um da zu sein, muss man in absoluter Topform sein. Und ich würde ja nicht zu Olympia wollen, um dabei zu sein, sondern um um eine Medaille zu kämpfen. Und da hatte ich nicht den Antrieb, mich noch einmal so sehr zu quälen.“ So gibt es keine Rückkehr in den Achter, auch wenn der Herdecker sich „langfristig vorstellen kann, mal wieder in ein Boot zu steigen“. Vielleicht dann beim heimischen RC „Westfalen“. Vorerst hat Johannes Weißenfeld eine andere Sportart bei seinem Heimatverein im Blick: „Ich habe überlegt, beim Nikolauslauf mitzulaufen.“