Hagen. Martin Riesner ist Hagens Mr. Frauenfußball. Der Westfalia-Trainer lobt die Nationalmannschaft und kritisiert das Damenprojekt des BVB scharf.

Er ist Hagens Mr. Frauenfußball: Martin Riesner (59) ist seit mehr als 20 Jahren als Trainer und Funktionär in der Region tätig und der Erfolgsvater der Damenmannschaft von Westfalia Hagen. Mit unserer Redaktion sprach der Coach, der für seine „klare Kante“ bekannt ist, über den Siegeszug der Frauen-Nationalmannschaft bei der EM, den Saisonstart seines Teams gegen Borussia Dortmund und einen Mangel am Sportplatz an der Alexanderstraße.

Herr Riesner, die Frauennationalmannschaft um Alexandra Popp und Lena Oberdorf ist ins EM-Finale gestürmt. Wie sehr hat Sie die Euphorie gepackt?

Martin Riesner: Ich freue mich riesig über den Erfolg der Nationalspielerinnen, sie machen unheimlich tolle Werbung für den Frauenfußball. Sie überzeugen als Mannschaft – da können sich die Männer mal eine gehörige Scheibe von abschneiden. Das Interesse am Frauenfußball ist bei dieser EM auch wesentlich höher als sonst.

Wie erklären Sie sich das?

Schon nach dem ersten EM-Spiel unserer Nationalmannschaft dachten sich die meisten: Das konnte man sich gut anschauen. Die Stimmung war direkt gut. Klar, Männerfußball ist schneller und athletischer, aber die Frauen laufen verdammt viel, sie sind ständig in Action und auch technisch sind die meisten super drauf. Attraktiv finde ich auch, dass es im Gegensatz zum Männerfußball kaum lange Spielunterbrechungen – Stichwort Zeitspiel – gibt.

Zwei Fußballerinnen aus der Region überragen bei der EM: Lena Oberdorf (links) und Alexandra Popp.
Zwei Fußballerinnen aus der Region überragen bei der EM: Lena Oberdorf (links) und Alexandra Popp. © dpa | Sebastian Gollnow

Mit Alex Popp und Lena Oberdorf hat das Nationalteam zwei überragende Gevelsberger Spielerinnen, die Sie ja persönlich kennen. Wie bewerten Sie ihre Leistungen?

Früher, wenn wir mit der Mädchenmannschaft von Westfalia gegen Silschede gespielt haben, dann hieß es nicht „Westfalia gegen Silschede“, sondern „Westfalia gegen Poppi“ (lacht). So gut war sie damals schon. Bei der EM spielt sie sensationell, das weiß jeder. Lena Oberdorf habe ich kennengelernt, als ich Trainer der 2. Mannschaft von Sprockhövel war. Ich habe Lena als tollen Charakter und super Fußballerin kennengelernt. Was die aktuell abliefert, ist einfach nur Weltklasse. Sie scheut keinen Zweikampf, und gefühlt gewinnt sie auch 90 Prozent ihrer Zweikämpfe. Sie ist eine Sechserin, die sich nicht davor scheut, mal eine Gelbe Karte zu kassieren, aber das ist auch gut so.

Was tippen Sie fürs EM-Finale?

Ein Tipp ist ganz schwer. Ich hoffe auf ein 2:1 für Deutschland. Die Engländerinnen dürfen ruhig ein Tor schießen, sie haben ja ein Heimspiel.

Für Ihre Mannschaft geht die Saison in der Bezirksliga am 28. August los mit einem Heimspiel gegen einen prominenten Aufsteiger – Borussia Dortmund. Freuen Sie sich auf dieses Spiel?

Nein, ich freue mich nicht auf eine zusammen gecastete Mannschaft, die aus Spielerinnen besteht, die man sich aus vielen Vereinen zusammengesucht hat. Wenn es nach mir geht, sollen die so schnell es geht wieder raus aus der Liga.

Aber auf dem Weg zur Meisterschaft könnte Ihr Team dem BVB doch ein Beinchen stellen, oder?

Nein, wir wissen doch alle, dass man gegen die keine Chance hat. Deren Team besteht aus Regionalliga-Spielerinnen und das ist unfair. Ja, der Name zieht und wenn alle meinen, zu Spielen der Dortmunderinnen laufen zu müssen, dann muss ich das so akzeptieren. Das ist ein Hype. Aber sind wir doch mal ehrlich: Die Mannschaft des BVB wurde zusammen gecastet und nach zwei Jahren werden die Spielerinnen wieder ausgetauscht. Unser Ziel wird es jedenfalls sein, uns so teuer wie möglich zu verkaufen. Die eine Hälfte meiner Spielerinnen freut sich, gegen den BVB zu spielen, die andere Hälfte findet es unnötig wie sonst was.

Sie wollen bald wieder jubeln – vielleicht ja auch gegen den BVB: Die Westfalia-Fußballerinnen.
Sie wollen bald wieder jubeln – vielleicht ja auch gegen den BVB: Die Westfalia-Fußballerinnen. © Michael Kleinrensing

Manche mögen es als Bereicherung empfinden, wenn ein namhafter Bundesligist im Frauenfußball Fuß fasst.

Wenn der BVB auf die Idee gekommen ist, auf einen Trend aufzuspringen, dann empfinde ich das als bemitleidenswert. Bei Westfalia Hagen gibt es Frauenfußball seit 44 Jahren, aber es gibt in der Region viele weitere gute Beispiele wie Berchum/Garenfeld, Silschede oder Bochum-Harpen. Dort hat man in den Achtzigerjahren mit Frauenfußball angefangen und die Vereine bzw. die Abteilungen gibt es immer noch. Das ist Nachhaltigkeit.

Immerhin werden sie am 28. August so viele Zuschauer wie schon lange nicht mehr begrüßen können.

Ich denke, dass es um die 300 Zuschauer werden könnten, aber ich weiß nicht, wie wir das stemmen sollen. Wir haben zwar einen Top-Sportplatz, aber keine Sanitäranlagen. Bei uns funktioniert nur eine Dusche und der BVB wird mit 25 Spielerinnen anrücken. Ich weiß nicht, wie wir das bis zum Saisonstart hinbekommen sollen. Wir hoffen darauf, dass die Stadtverwaltung etwas tut, wenn sie erfährt, dass Borussia Dortmund zu Gast sein wird (lacht). Selbstverständlich ist das nicht, denn wir wissen ja, dass der Frauenfußball hier nicht die größte Wertschätzung genießt.

Ihre Mannschaft hat ein recht hohes Durchschnittsalter und seit ein paar Jahren wird gemunkelt, dass es bei Westfalia Hagen mal einen Umbruch geben wird. Ist es schon so weit?

Die Hälfte meiner Mannschaft ist bereits über 30 und ja, diese Gedanken hat es gegeben. Aber dann haben wir den neuen Kunstrasen bekommen und das Team ist zusammengeblieben. Nun ist es so, dass wir drei Mädchenmannschaften haben – wir haben eine Zukunft! Diese Mädchen werden nachrücken, aber noch ist es nicht so weit. Die jungen Spielerinnen brauchen noch eine Saison und die Erfahrenen werden versuchen, das Bestmögliche aus ihnen herauszuholen.