Lüttich/Hagen. Joseph Laumann übernimmt die U23 des belgischen Topklubs Standard Lüttich. So denkt der Trainer über die neue Aufgabe und seine Zeit in Barnsley.
Joseph Laumann (38) sitzt in seinem neuen Büro an der Rue de la Centrale im Lütticher Stadtteil Sclessin. Es ist Sonntagmittag, aber an Freizeit ist auch heute nicht zu denken. Der Hagener Fußballtrainer ist der neue U23-Coach bei Standard Lüttich und als solcher ist er praktisch der Verantwortliche für die Jugendförderung des belgischen Spitzenvereins. „Gestern hatten wir noch ein Testspiel, heute Morgen eine Trainingseinheit und jetzt plane ich unser Trainingscamp“, zählt Laumann auf. Vor dem Saisonstart in der 2. belgischen Liga ist viel zu tun, aber anders würde es der Coach auch nicht haben wollen. „Lüttich ist eine großartige Möglichkeit für mich. Ich kann es kaum erwarten, dass die Saison beginnt.“
Jo Laumann blickt dankbar auf Zeit in Barnsley
Für „Jo” Laumann ist Standard Lüttich bereits seine zweite internationale Trainerstation, doch seine erste als Chefcoach. Zuletzt war der ehemalige Schalke-Spieler beim englischen Zweitligisten FC Barnsley als Assistenztrainer angestellt, zwischenzeitlich hatte er dort als Interimscoach sogar die sportliche Verantwortung inne und holte mit den „Reds“ einen spektakulären Sieg für den Klassenerhalt – und das ausgerechnet gegen das von Wayne Rooney gecoachte Derby County. Aber weder Laumann noch der nachverpflichtete Poya Asbaghi konnten den sportlichen Abstieg in die englische Drittklassigkeit verhindern.
Es war eine lange, turbulente Spielzeit, auf die Laumann aber mit Demut und Dankbarkeit zurückblickt. „Ich habe meine Zeit in Barnsley sehr genossen. Für mich war es als Trainer die beste Zeit, die ich bisher hatte, auch wenn die Saison ein sportlich mieses Ende fand“, blickt der Hagener zurück. „Ich habe mich in der Stadt und im Verein super wohl gefühlt, es sind viele tolle Beziehungen entstanden, und die Fans waren klasse. Außerdem habe ich sehr viel gelernt.“
Barnsley habe ihm sogar angeboten, das Team in der 3. Liga als Headcoach zu betreuen, allerdings wollte der Klub den bestehenden, noch ein Jahr gültigen Vertrag mit Laumann beibehalten. „Ich wollte den Job nicht zu den gleichen Konditionen machen“, sagt der 38-Jährige.
Zudem setzten ihm das ständige Reisen zwischen England und Deutschland, wo Laumann aktuell den Pro Lizenz-Lehrgang des DFB absolviert, zu. „Ich war nur noch unterwegs. Die Familie kam zu kurz“, bedauert er. Weil der Hagener im internationalen Fußballgeschäft mittlerweile einen Namen hat, wurden andere renommierte Klubs auf ihn aufmerksam – unter anderem Standard Liège.
Entwicklung des Nachwuchses ist Priorität
Deren designierter Sportdirektor hatte Laumanns Trainerwerdegang aufmerksam verfolgt und ihm ein Angebot gemacht. Man wurde sich schnell einig. Als Trainer der Lütticher U23, die in der 2. Liga auf Punktejagd geht, entwickelt er belgische Spitzentalente und arbeitet eng mit dem Trainerteam der ersten Mannschaft zusammen. Und das alles in einem imposanten Umfeld. „Ich habe mir am Freitag ein Spiel der ersten Mannschaft angeschaut. Die Stimmung war einfach der Wahnsinn“, schwärmt Joseph Laumann von der Lütticher Fankultur. Das Maurice-Dufrasne-Stadion fasst bis zu 30.000 Zuschauer und der Klub sei überaus professionell aufgestellt. Ein Beispiel: Standard Lüttich hat auf seiner riesigen Anlage ein eigenes Hotel, wo Joseph Laumann residiert, bis er eine eigene Wohnung gefunden hat.
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Was die sportliche Leistungsfähigkeit betrifft, ist der belgische Fußball seit Jahren auf dem Vormarsch. Bei der vergangenen WM in Russland belegten die „Diables Rouges“ (die Roten Teufel) bekanntlich den dritten Platz. Ein Meilenstein in der belgischen Fußball-Historie. „Der Pool an Talenten ist hier massiv. Die Jungs sind technisch hervorragend ausgebildet und physisch stark“, erzählt Laumann.
Junge, hungrige Mannschaft
Sein Saisonziel in der 2. Liga wird kein bestimmter Tabellenplatz sein – er will das Potenzial aus den jungen Kickern heraus kitzeln. Dabei stehen ihm drei Assistenztrainer, ein Videoanalyst und ein Teammanager zur Seite. In Laumanns Mannschaft sind die meisten Spieler gerade mal 16, 17 Jahre alt. Alle diszipliniert, alle hungrig. Jeder will der nächste Eden Hazard oder Kevin De Bruyne sein. Daher stellt auch niemand in Frage, an einem Sonntagmorgen zu trainieren.