Hagen. Wann können Kinder nach einer Coronainfektion wieder Sport treiben? Hagener Chefarzt kennt viele Risiken, aber warnt vor Panikmache.

Die Corona-Pandemie macht nicht vor Kindern Halt. Auch sie sind nicht davor gefeit, sich mit Covid-19 zu infizieren. Und die besorgten Eltern stecken damit in einem Zwiespalt: Zum einen sollen die Kinder schnellstmöglich wieder ihrem geliebten Sport nachgehen können, zum anderen ist die Angst vor Nachwirkungen groß. Wie lang sollte die Pause sein, bevor wieder unbesorgt trainiert werden kann?

Ein Fachmann, der täglich mit dieser Frage zu tun hat, ist Dr. Jan-Claudius Becker, Chefarzt der Kinderklinik am Allgemeinen Krankenhaus in Hagen (AKH). „Vom Grundsätzlichen her ist es wichtig, dass Kinder Sport machen. Deshalb sollten sie so früh und schnell wie möglich wieder zum Sport kommen, denn durch die Pandemie sind sie in der Hinsicht wirklich belastet“, betont er.

Wiedereinstieg solle schnell erfolgen

Es seien viele Angebote ausgefallen in den vergangenen zwei Jahren. Deshalb sei es auch im Sinne eines Kinderarztes, dass der Wiedereinstieg schnell erfolge. Dennoch warnt der Chefarzt, die Erkrankung auch bei Kindern ernstzunehmen: „Zwar sind sie im Großen und Ganzen nicht schwer betroffen durch die Corona-Erkrankung, nichtsdestotrotz gibt es vereinzelte Fälle, in denen die Krankheit schwerwiegender verläuft und ganz, ganz selten auch mal Fälle, die sehr schwer verlaufen können.“

Hagen Sport nach Corona
Hagen Sport nach Corona © Manuela Nossutta/Funkegrafik NRW

Seine Empfehlung ist daher aufgeteilt in drei Verlaufstypen (siehe Infografik). „Es gibt ja auch Unterschiede bei den Betroffenen: Handelt es sich um einen Jugendlichen, der schon Profisport macht? Oder handelt es sich um einen unter Achtjährigen, der etwas Schul- und Breitensport macht?“, sagt Dr. Becker und ergänzt: „Je älter die Jugendlichen sind, umso ernster sind die Dinge auch. Und je intensiver der Sport betrieben wird, desto vorsichtiger sollte man sein. Am sichersten ist immer ein ärztliches Urteil. Und das sollten auch Sportvereine im Zweifel lieber immer einholen.“

Doch was passiert im schlimmsten Fall? „Es kann zu Herzrhythmusstörungen kommen, weil sich Herzmuskelzellen entzünden. Im schlimmsten Fall kann der plötzliche Herztod eintreten. Die Wahrscheinlichkeit ist jedoch extrem gering“, sagt Dr. Becker.

Verantwortung im Schulsport

Im Schulsport tragen die Lehrer nicht nur die Verantwortung für ein einzelnes Kind, sondern für eine gesamte Klasse. Was müssen sie beachten? „Wenn die Kinder nicht über Beschwerden klagen, wenn sie fit und belastbar sind, wenn sie rumtoben, dann ist das in Ordnung. Kinder setzen sich selbst instinktiv ihre Grenzen“, sagt Dr. Becker.

Das glaubt auch Tobit Schneider, Sportlehrer am Theodor-Heuss-Gymnasium (THG) in Hagen: „Es ist absolut individuell, wie die Schülerinnen und Schüler die Erkrankung wegstecken.“ Von schwereren Verläufen bis zu Betroffenen ohne Symptome war schon alles mit dabei. Im Sportunterricht gebe er seinen Schülern deshalb die Freiheit selbst auszuprobieren, was möglich ist. „Keiner sollte sich unter Druck gesetzt fühlen oder an seine Leistungsgrenzen gehen.“

Verunsicherung bei den Eltern bleibt

Doch die Verunsicherung bei Eltern bleibt. Und das bedeutet, dass die Kinderärzte momentan vermehrt Anfragen erhalten. „Die Nachfragen von besorgten Eltern ergeben auch Sinn; wir wollen alle, dass die Kinder rasch wieder an den Sport kommen“, sagt Dr. Becker und ergänzt: „Eine Woche lang sollte man wirklich versuchen, die Kinder zu bremsen. Nach sieben Tagen ist Sport in Maßen und ganz behutsam wieder erlaubt. Sie sollten sich ganz allmählich wieder in den Normalzustand zurücktasten.“

Wie schwer die Vermittlung sein kann, hat der Chefarzt selbst schon erlebt. Sein 17-jähriger Sohn ist in der Fußball-Regionalliga aktiv: „Er hat dann heimlich trainiert, gegen den Rat seines Vaters.“

Im Garten fit gehalten

Wie bitter es sein kann, wenn man wieder aktiv sein will, aber noch nicht darf, weiß auch Caren Heilmann. Die 17-jährige Schülerin des THG erkrankte am Coronavirus, fühlte sich aber nur kurze Zeit schlapp. Da sie normalerweise sehr aktiv ist und sich unter anderem im Fitnessstudio in Form hält, war der Bewegungsdrang nach ein paar Tagen enorm. „Ich habe dann in unserem Garten ein paar Übungen gemacht.“ Geschadet hat ihr das zum Glück nicht, Nachwirkungen hat sie bis heute keine.

Dass Kinder und Jugendliche gern schnell in den Sport zurückkehren, erlebt Dr. Becker selbst bei seinen drei Kindern: „Ich kann als Arzt alles wissenschaftlich belegen und Tabellen und Diagramme liefern, aber die Realität, die Kämpfe, die dann da auf dem Fußballplatz ausgefochten werden müssen, die sind noch einmal anders.“

Eindeutiges Plädoyer

Für den Vereinssport hat er eine klare Meinung: Alle sollten sich impfen lassen. „Die Impfung, die aktuell ab fünf Jahren empfohlen wird, schützt.“ Zudem sollten die Trainer in dieser besonderen Situation den Leistungsgedanken hinten anstellen – auch wenn das oftmals schwer falle: „Auch wenn samstags das Topspiel ist, sollte man die eine Woche Karenz wirklich einhalten. Da sind dann auch die Eltern in der Pflicht. Denn die Kinder hören gerne darauf, was der Trainer sagt. Ich selbst kenne die Diskussion.“

Bei aller Vorsicht ist es ein dringender Appell, der dem Mediziner aus Hagener am Herzen liegt: „Keinen Sport zu treiben, ist viel gefährlicher“, betont er. Denn in der Pandemie sähe man auch die psychischen Probleme durch den Lockdown, durch fehlenden Sport würden die sozialen Kontakte leiden. „Deshalb ist mein Plädoyer, dass alle endlich wieder raus gehen sollten, um Sport zu treiben. Der Winter ist vorbei, nun hat man die Gelegenheit“, sagt Dr. Becker und ergänzt: „Das ist wichtig für die Psyche. Man sollte vorsichtig starten, aber den Kindern gehen so viele Dinge durch den Kopf momentan, die sie belasten. Da hilft Sport. Also sollten sie rausgehen, sich austoben und Sport treiben.“