Hagen. Footballerin Lena Müller geht in die USA, um Profisportlerin zu werden. Von Rückschlägen lässt sich die 29-Jährige nicht unterkriegen.

Sie atmet kurz durch, sammelt ihre Konzentration und nimmt dann die Langhantel auf ihre Schultern. Die Stange biegt sich schon leicht durch, so viel Gewicht hängt an beiden Seiten. Doch das hält Lena Müller nicht auf – es gibt wenig, das sie aufhalten kann. Mit kraftvollen Bewegungen geht sie erst in die Knie und kommt dann wieder nach oben. Die 29-Jährige arbeitet hart. Mit ihrem Krafttraining, den Laufeinheiten, dem Einzelcoaching und dem Mannschaftstraining kommt die Footballerin auf acht Einheiten in der Woche – und das seit zwei Jahren. Alles, um ihrem großen Traum ein Stückchen näher zu kommen. Nun scheint er sich endlich zu erfüllen. Als erste deutsche Spielerin unterschrieb Müller einen Vertrag bei den Seattle Majestics.

Im Februar wird sie in den Flieger steigen, um eine Saison dort zu spielen, wo Football die Volkssportart Nummer eins ist: den USA. Doch eigentlich hatte die 29-jährige Offense-Linerin (OL) schon einen Vertrag bei den South Carolina Dames unterschrieben. Der Starttermin wurde aber immer wieder verschoben. „Ich hing total in der Schwebe“, erinnert sich die ehemalige Trainerin der Hagen Mustangs zurück – und dann fasste sie einen Entschluss: „Ich habe meine Videos vom Training an andere Teams geschickt und sie gefragt, ob sie nicht noch einen O-Liner bräuchten.“

Die Freude auf den anstehenden USA-Aufenthalt ist bei der O-Linerin Lena (links) riesig. Im Februar geht es los.
Die Freude auf den anstehenden USA-Aufenthalt ist bei der O-Linerin Lena (links) riesig. Im Februar geht es los. © Dagmar Müller

Kälte macht ihr nichts aus

Am Ende blieben San Diego, Seattle und Las Vegas im Rennen. „Ich bin eher der kältere Typ und bevorzuge auch Urlaube in Schweden und Norwegen. Dass es in Seattle also kälter sein wird, ist für mich kein Problem, im Gegenteil.“ Und so entschied sie sich am Ende für das Team, welches in der Women’s National Football Conference (WNFC) antritt. Durch ihren Trainer Christian Mohr, der 2005 als Profi für die Seattle Seahawkes aktiv war, bestand noch einmal ein besonderes Interesse an der größten Stadt im Bundesstaat Washington.

Finale Zusage erst Anfang Januar

Die finale Zusage erfolgte erst in der ersten Januarwoche, seitdem laufen die Planungen auf Hochtouren und die Aufregung steigt immer weiter. „So ganz glauben kann ich das noch nicht, es ging jetzt doch sehr schnell“, ist die gebürtige Wetteranerin noch immer überglücklich über die Zusage, muss sich aber nun erst einmal mit der Bürokratie auseinandersetzen: „Das Visum habe ich per Eilantrag beantragt, damit es noch rechtzeitig klappt.“ Ob es auch bewilligt wird, erfährt sie aber erst am Donnerstag, wenn sie beim Konsulat in Berlin vorspricht. „Ich bin einfach mal optimistisch, meine Coaches haben mir Mut gemacht, dass das schon klappen wird.“

Wenn nichts dazwischen kommt, kann Lena Müller ab Mitte Februar mit ihrem neuen Team trainieren, bevor Anfang April die Saison startet. „Es fühlt sich einfach richtig an. In Seattle läuft alles sehr professionell ab, das gibt mir ein gutes Gefühl“, freut sich Müller auf das Abenteuer. Anders als in South Carolina wird sie nun nicht in ein international gemischtes Team kommen – im Gegenteil. Die Majestics verpflichten pro Saison nur eine ausländische Spielerin, in diesem Jahr Lena Müller. Eine Tatsache, die sie besonders stolz macht.

Das erste Mal alleine von Zuhause weg

Es wird aber auch das erste Mal für die 29-Jährige sein, dass sie alleine von Zuhause weg ist. Ein schwieriger Schritt. „Ich bin schon sehr verwurzelt und werde meine Familie auch sehr vermissen. Das versuche ich aber aktuell auch noch von mir wegzuschieben.“

Denn momentan überwiegt die große Vorfreude. Erst 2017 wurde Lena Müller durch einen Bericht in der Westfalenpost auf den Football in Hagen aufmerksam, die Sauerland Mustangs suchten damals Verstärkung für ihre Damen-Mannschaft. Es war der Beginn einer Leidenschaft. Wenige Jahre später war Lena Müller als Coach für die Hagener Damen zuständig und spielte parallel für die Assassins (Spielgemeinschaft aus Wuppertal und Solingen). Ihr Team wird sie auch vermissen, „aber die haben schon gesagt, dass sie gemeinsam meine Spiele schauen werden“, freut sich die 29-Jährige über den Support.

In den USA sieht sie die Möglichkeit, ihr Können noch einmal „auf ein ganz neues Level zu heben: Ich möchte mich sportlich weiterentwickeln.“ Denn in Deutschland ist die gebürtige Wetteranerin langsam aber sicher an einer Grenze angekommen: „Ich bin so kräftig und so gut auf meiner Position, dass ich in Deutschland keine Gegner mehr finde. Deshalb ist das nun der nächste Schritt.“

Keine Angst vor Körperkontakt: Lena Müller (Zweite von links) scheut beim Football keine Berührung.
Keine Angst vor Körperkontakt: Lena Müller (Zweite von links) scheut beim Football keine Berührung. © WP | Dagmar Müller

Gebrochene Finger sind kein Hindernis

Und in den USA wird der Football noch einmal ganz anders gelebt, als in Deutschland, darüber ist sich auch Müller bewusst: „Die sind dort alle mit dem Sport aufgewachsen.“ Und auch die Zuschauerzahlen sind deutlich höher, auch bei den Frauenspielen. Aber Angst macht das der O-Linerin nicht: „So schnell bekommt man mich nicht vom Feld. Ich habe auch schon mit gebrochenen Fingern und einer gebrochenen Hand gespielt.“

Denn sie betreibt ihren Sport mit Leib und Seele. Auch, weil sie weiß, wie viel Arbeit, Zeit und Training sie seit zwei Jahren hineinsteckt. All das könnte sich nun endlich auszahlen. Und vielleicht steht sogar noch ein zweites Highlight in diesem Jahr an: „Es gibt Gerüchte, dass eine Frauen-Nationalmannschaft gegründet werden soll. Da wäre ich natürlich sehr gerne dabei“, späht Lena Müller schon auf das nächste Highlight. Erst einmal geht es aber für sie nach Seattle – ein Traum wird wahr.