Hagen. „Ich bin in der Form meines Lebens.“ Lena Müller wird in den USA Profi-Footballerin. Im Interview spricht sie über Hindernisse und ihren Garten.

Das Hobby zum Beruf machen – und davon leben können. Es ist ein Traum, den viele Sportler hegen. Für Lena Müller wird dieser Traum im kommenden Jahr Realität. Die 29-jährige Lehramtsstudentin lebt für den Football, spielt bei den Assassins (Spielgemeinschaft aus Wuppertal und Solingen), lernte die Basics bei den Hagen Mustangs Ladies, ist dort immer noch als Trainerin aktiv und wird ab Februar 2022 in den professionellen und bezahlten Sport in den USA einsteigen. Bei den South Carolina Dames unterschrieb die Offense Linerin (OL) einen Vertrag für die höchste weibliche Spielklasse, die WFLA. Im Interview erzählt die Sportlerin, wieso sie trotz vieler Absagen nicht aufgab, wie professionell der Damenbereich inzwischen aufgestellt ist und ob sie dauerhaft in den USA Fuß fassen will.

Lena Müller, Sie werden künftig als Profi-Footballspielerin in den USA leben. War das schon immer Ihr Traum?

Ehrlicherweise habe ich nicht gedacht, dass es so kommt. Ich dachte, das Größte, was es mal geben könnte, wäre die Nationalmannschaft, die ja auch nicht vorhanden ist, oder die NRW-Auswahl. Als ich dann von der Möglichkeit gehört habe, dachte ich ‚Warum nicht?‘“

War es ein glücklicher Zufall, oder wie viel Arbeit steckte dahinter, bis Sie die Zusage erhalten haben?

Noch trägt Lena Müller das Trikot der Assassins, einer Spielgemeinschaft aus Wuppertal und Solingen. Im kommenden Jahr wird die 29-Jährige für die South Carolina Dames in der Profiliga WFLA auflaufen.
Noch trägt Lena Müller das Trikot der Assassins, einer Spielgemeinschaft aus Wuppertal und Solingen. Im kommenden Jahr wird die 29-Jährige für die South Carolina Dames in der Profiliga WFLA auflaufen. © WP | Wiebke Rübel

Ich war letztes Jahr in Straubing beim OL-Seminar, eine Kollegin aus München erzählte mir dann, dass es in den USA eine neue, bezahlte Football-Liga gibt und ob ich da nicht Lust drauf hätte. Das interessierte mich sofort.

Wie lief denn das Bewerbungsverfahren? Aufgrund von Corona war wahrscheinlich alles online, oder?

Genau, ich habe Videos abgedreht, in denen ich mein Können zeige. Mein OL-Coach aus Düsseldorf hat mich dabei unterstützt. Die absolute Hölle war für mich der 40-Yard-Dash. 40 Meter einfach nur zu laufen, ist gar nichts für mich (lacht). Vier Wochen später war dann der Draft, dort wurde ich aber von keinem Team ausgewählt.

Nach der ganzen Arbeit sicherlich eine große Enttäuschung, oder?

Ja, man fragt sich, ob man nicht gut genug ist. Ich hab mir die Videos von denen angeschaut, die gedraftet wurden und dachte mir, dass ich genau so schnell und athletisch bin. Wieso werde ich nicht genommen?

Aber aufgegeben haben Sie dann nicht. . .

Nein, eine Woche lang war ich traurig, dann dachte ich mir: ‚Nee, warum nicht?‘ Ich habe alle Team angeschrieben und gemeint, dass sie sich mal mein Video anschauen sollen und ob sie mich nicht doch nehmen wollen. Zu dem Zeitpunkt war noch angedacht, in diesem Jahr eine Saison zu spielen. Habe viele Absagen bekommen, und ein Team erklärte mir auch, dass sie niemanden unterschreiben lassen dürfen, weil alles noch so ungewiss war. Ich habe aber immer weitergemacht.

Und dann kam doch eine Zusage?

Genau, die South Carolina Dames haben gefragt, ob ich noch Lust habe, und klar habe ich die! Ich habe Ihnen meine Videos geschickt, und nach drei langen Tagen des Wartens meinten sie, dass sie mich wollen.

Wie groß waren Ihre Erleichterung und Freude im Anschluss?

Sehr groß! Alle, mit denen ich rede, sind total begeistert. Egal, ob es Freunde sind oder mein erster Coach aus Hagen -- Ben „Babsi“ Frenzel – alle freuen sich mit mir.

Wie ist denn die Aufteilung in der Liga, die ja noch relativ neu ist?

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Aktuell sind 20 Teams in der Liga, es sollen aber künftig noch mehr werden. Und das gesamte Land ist vertreten – New York, South Carolina, San Diego, Miami, alle sind dabei, also alles, was man sich vorstellt, auch an NFL-Teams. Die Aufteilung steht noch nicht ganz fest, der Plan bisher sieht aber vor, dass es zehn Saisonspiele und drei Play-off-Spiele geben soll, und dann kommt quasi der Super-Bowl.

Die NFL ist die wahrscheinlich bekannteste Liga in den USA und wird auch weltweit verfolgt. Sind die Frauen-Ligen auch so professionell?

Es soll auf jeden Fall künftig in die Richtung gehen. Es gibt auch schon eine Spielerin, die als Quarterback einen Multimillionen-Doller-Vertrag erhalten hat. Und auch ich werde davon leben können, bekomme mein Gehalt, und das Team kümmert sich um die Unterkünfte.

Ist Frauen-Football denn schon ähnlich angesehen wie bei den Herren?

So langsam arbeitet sich das Ansehen hoch, es gibt verschiedene Ligen, diese Unterwäsche-Liga aber nicht mehr. Durch weibliche Coaches in der NFL wie Katie Sowers hat sich viel getan. Bezahlt wird allerdings nur die WFLA.

Für welchen Zeitraum gilt denn Ihr Vertrag?

Ich habe für eine Saison unterschrieben, das sind circa sechs Monate. Ich studiere Lehramt und möchte bis zu meiner Abreise die Bachelorarbeit hinter mir haben, um unbekümmert reisen zu können. Wir sind ein sehr internationales Team und haben bisher einen tollen Austausch.

Wie groß ist Ihre Aufregung?

Die ist auf jeden Fall schon da. Ich habe das Training in den letzten Wochen intensiviert, gemeinsam mit meinem Coach. Ich trainiere zweimal in der Woche nur Laufen und Sprinten, habe dreimal Krafttraining und einmal olympisches Gewichtheben. Hinzukommt das Teamtraining.

Ein Umzug in die USA ist ein großer Schritt, waren Sie schon mal längere Zeit im Ausland?

Nur im Urlaub in Kanada (lacht). Aber das ist eine einmalige Chance für mich, ich bin gerade in der Form meines Lebens, und das muss ich nutzen. Ich freue mich sehr über die Gelegenheit.

Wollen Sie denn in Amerika Fuß fassen?

Nein, ich komme auf jeden Fall wieder nach Hause. Ich bin viel zu sehr zuhause verwurzelt. Und da sich keiner um meinen Gemüsegarten kümmert, muss ich ja zurückkommen (lacht).