Hagen. Der Hagener Ex-Basketballer und Spielerscout Daniel Poerschke redet im Kabinengeflüster über irre Derbys und einen Kneipenrauswurf in Las Vegas.

Was in Las Vegas passiert, bleibt auch in Las Vegas, heißt es eigentlich. Für „Kabinengeflüster“ hat der ehemalige Profibasketballer Daniel Poerschke (40), der sich in der Szene vor allem als Scout der Spieleragentur Scorers1st einen Namen gemacht hat, diese altehrwürdige Regel bewusst gebrochen. Zudem erzählt „Porsche“ von feurigen Derbys und einem etwas weltfremden Ex-Mitspieler.

Der Unbelehrbare

Vor 15 Jahren, anno 2006, schloss sich Daniel Poerschke dem BBV Hagen in der 1. Regionalliga an. Die Altenhagener hatten damals ein beachtliches Team: Jason Price, Marcus Höhn, Chris Harris und Patrick Fiedler liefen für den BBV auf - und der damals erst 16-jährige Yannick Opitz. Aber das Küken des Teams konnte sein Talent gar nicht so oft unter Beweis stellen. „Eigentlich sollte er in der Saison Gas geben“, erinnert sich Poerschke.

BBV-Flügel Poerschke zieht gegen Haspe zum Korb.
BBV-Flügel Poerschke zieht gegen Haspe zum Korb. © WP | SIEKMANN, Marco

Doch Opitz hat vor allem nach dem Training auf seinem Roller Gas gegeben. Der junge Mann hatte es meist eilig und düste mit noch nassen Haaren ab. Die Folge: mehrere Mandelentzündungen und viele verpasste Spiele. „Ich habe ihm immer gesagt: Zieh dir eine Mütze auf, sonst wirst du wieder krank“, schmunzelt Daniel Poerschke.

Aber Opitz wollte nicht hören und frustrierte seinen Trainer Adam Fiedler. Zu allem Überfluss fehlte er noch einige Spiele wegen eines fremdverschuldeten Unfalls, wie er erklärt: „Meine Mutter fuhr mir damals mit ihrem Auto über den Fuß.“

Schimmel und Käfer

Der einstige Basketball-Zweitregionalligist TuS Breckerfeld war 2014 durchaus ambitioniert und hatte das nötige Kleingeld, um einen Profispieler in den Kader zu beordern. Die Wahl fiel auf den US-amerikanischen Forward Rilwan Bakare, der unter den Körben dominieren sollte (dies aber nur unregelmäßig tat). Für Bakare hatte man damals in Breckerfeld eine neue Wohnung hergerichtet. Aber das moderne Appartement war damals schon nach kurzer Zeit nicht mehr in bester Verfassung.

Bakares nigelnagelneues Bett war kaputt, also schleppte der Amerikaner seine Matratze in die Küche und schlief dort auf dem Boden. „Warum hast du uns nichts gesagt“, fragte ihn sein Mitspieler Fabian Fuhrmann. „Ach, zu Hause in den Staaten habe ich auch nie in einem Bett geschlafen“, entgegnete Bakare. Außerdem hätte er in der Küche ja auch besseres WLAN.

Allerdings war das nicht das einzige Mal, dass Rilwan Bakare seinen Vermieter zur Verzweiflung trieb. An einem eiskalten Wintertag rief er seinen Trainer Falk Möller an, der doch mal schauen sollte, warum seine Heizungen nicht mehr warm werden. Der Coach machte das Problem schnell aus. „Warum machst du hier nicht mal ein Fenster auf?“, fragte Möller und schaute sich mit Sorge die verschimmelten Decken an. Die Antwort: Bakare hatte Angst, dass Käfer und sonstiges Ungeziefer in sein Appartement fliegen. Im Winter.

Vor fünf Jahren wird Daniel Poerschke (Mitte) von seinen Mitspielern des TuS Breckerfeld in den „Ruhestand“ verabschiedet.
Vor fünf Jahren wird Daniel Poerschke (Mitte) von seinen Mitspielern des TuS Breckerfeld in den „Ruhestand“ verabschiedet. © Michael Kleinrensing

Weltmeister in Las Vegas

Wo waren Sie eigentlich, als Deutschland 2014 Weltmeister wurde? Jeder weiß, wo er gespannt zugesehen hat, wie Mario Götze in der 113. Minute mit der linken Fußspitze ins lange Eck und ins Herz von Fußball-Argentinien schoss. Daniel Poerschke war während des WM-Endspiels in Las Vegas, weil die Spieleragentur Scorers1st, für die der Hagener als Scout arbeitet, in der Stadt der bunten Lichter ein Showcase für junge Profispieler anbot. Mit einem Trupp deutscher Basketballer, darunter auch die (ehemaligen) Nationalspieler Tim Ohlbrecht und Danilo Barthel sowie Hanno Stein, heute Jugendcoach bei Rasta Vechta, feierte er den WM-Titel im Hardrockcafé. „Es war 12 Uhr mittags in Las Vegas, 40 Grad, und wir feierten den WM-Titel. Das war total surreal“, denkt Poerschke zurück.

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Die Feierlichkeiten mussten weitergehen, also zog der Tross weiter ins Hofbräuhaus. „Wir dachten, da geht die Lutzi ab, aber da ging gar nichts ab“, erinnert sich Poerschke an wenig WM-Euphorie in Vegas. Nichtsdestotrotz: Die Basketballer machten ordentlich Stimmung, und immerhin spielte eine Blaskapelle mit originalem Alphorn „Mer losse de Dom in Kölle“. „Alle haben uns gefeiert. Eine Gruppe Japaner wollte Fotos mit uns machen.“ Aber die Managerin des Hofbräuhauses hatte genug gesehen. Zu ausufernd seien die Feierlichkeiten der Weltmeister gewesen. Poerschke und Co. wurden des Hofbräuhauses verwiesen. „Wir haben einfach nicht in deren Konzept gepasst“, kann es Poerschke heute immer noch nicht glauben. „Das war richtig bitter.“

Derbyzeit in der 2. Liga

In der Saison 2004/05 war Daniel Poerschke Teil feuriger Zweitliga-Derbys zwischen TuS Poco Iserlohn und dem gerade erst gegründeten Verein Phoenix Hagen. „Beide Spiele hatten wir mit je zwei Punkten verloren“, ärgert sich Poerschke, damals Power Forward der Waldstädter. Die Iserlohner (u.a. Veit, Boticki, Boxler, Anderson, Poerschke) und die Volmestädter (Grothe, Baumann, Lazoukits, Longerich, Gieseck, Hogräfer) schenkten sich schon im Hinspiel in der voll gepackten und elektrisierten Hemberghalle nichts. Das bessere Ende hatte Phoenix für sich, weil Aufbauspieler Lukas Lazoukits an der Freiwurflinie Nerven bewies und Iserlohns Christopher Viardo den potenziellen Siegeswurf aus der Ecke auf den Ring traf.

Im Rückspiel: 1500 kreischende Fans in der „Ische“, und wieder ein spannendes Duell bis zur Schlusssirene. Nachdem Poerschke die letzten beiden seiner 21 Zähler per Freiwurf im Korb unterbrachte und es 93:93 stand, hatte Phoenix noch 15 Sekunden Zeit, um einen Siegeswurf zu kreieren.

Derby in der „Ische“: Roman Hogräfer (links) gegen Daniel Poerschke.
Derby in der „Ische“: Roman Hogräfer (links) gegen Daniel Poerschke. © WP | SIEKMANN, Marco

„Ich habe damals Matze Grothe verteidigt. Ich habe alles versucht, er war unaufhaltsam an diesem Tag“, weiß Poerschke. Aber die Musik spielte woanders. Adam Baumann stellte Lazoukits einen Block, den der griechische Aufbauspieler perfekt nutzte und den Ball unnachahmlich mit der Schlusssirene in den Korb bugsierte - 95:93, wieder ein Hagener Sieg. „Ich bin danach in den Mattenraum der Ischelandhalle gegangen und musste weinen“, gibt Poerschke heute zu.

Die Derbys zwischen Hagen und Iserlohn ließen keine Brisanz vermissen, auch in der nächsten Saison ging es wieder hoch her, aber sein Heimspiel gewann Phoenix diesmal klar. Teamkapitän Grothe ließ markige Worte folgen: „Wir haben denen gezeigt, wer Herr im Hause ist. Wir stehen nicht umsonst oben in der Tabelle und die unten.“ Ganz bitter für Poerschke: Er machte für den TuS ein gutes Spiel in der „Ische“, riss sich jedoch in der zweiten Halbzeit die Achillessehne und musste unter Schmerzen vom Feld. „Ich weiß noch, wie die Hagener Fans ‘Schauspieler’ gerufen haben“, sagt Poerschke.

Einen Tag später stand eigentlich ein Vorstellungsgespräch bei der Westfalenpost in Hagen an. Der verletzte Poerschke musste das verschieben. Aber: Ende gut, alles gut. Poerschke bekam den Job als WP-Produktmanager.

Absage von Scottie Pippen

Daniel Poerschkes Basketball-Held war nie Michael Jordan, sondern dessen Co-Star Scottie Pippen. Also war es für den Hagener eine besondere Angelegenheit, den Neffen seines Vorbilds, Quinton Pippen, für Scorers1st rekrutieren zu wollen. „Ich habe Quinton gefragt, ob er Interesse hat. Er sagte mir: Dann musst du meinem Onkel eine E-Mail schreiben.“ Poerschke schrieb also Pippen. Und Pippen antwortete Poerschke. Allerdings mit einer Absage.

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Dafür hat Scorers1st den Sohn von New-York-Knicks-Legende Patrick Ewing vertreten. Bei einem Training mit Patrick Ewing Jr. und weiteren Klienten der deutschen Spieleragentur auf dem Campus der Unversity of Las Vegas kam es sogar zu einem kurzen Aufeinandertreffen mit Ewing Senior. „Da kam dieser Riesen-Typ durch den Türrahmen. Er hat uns gefragt: Ihr vertretet meinen Sohn?“, denkt Poerschke zurück. Respekt hatte er vor dem 2,13 Meter großen Turm, aber Aufregung? Nicht in Las Vegas. „Dort läuft alles herum, was Rang und Namen hat. In Vegas findest du im Sommer die größte Ansammlung von arbeitslosen Profisportlern. Es war für mich ein Eintauchen in eine völlig andere Welt, an die ich normalerweise nicht drankomme.“