Wetter/Herdecke. Am Freitag startet die EM, die Euphorie hält sich (noch) in Grenzen. Was Fußballer in Herdecke und Wetter von Turnier und deutschem Team erwarten

Es geht um den Europameisterschafts-Titel im Fußball, mit einem Jahr Verspätung. Das sonst vor EM oder WM übliche, große Interesse findet die „UEFA Euro 2020“, die am Freitag um 21 Uhr mit dem Spiel Italien - Türkei in Rom startet, hierzulande (noch) nicht, wohl auch pandemie-bedingt. Das könnte sich ändern, wenn die erstmals an elf Spielorten in elf verschiedenen Ländern ausgetragenen kontinentalen Titelkämpfe erst begonnen haben - und das letztmals von Joachim Löw betreute deutsche Team mit dem Auftaktspiel gegen Frankreich am Dienstag eingreift. Zumal auch Public Viewing draußen in beschränktem Maße wieder möglich ist. Wir haben uns umgehört, mit welchen Erwartungen die Fußballer in Herdecke und Wetter der EM entgegenblicken, wer für sie Favorit ist, was sie dem Löw-Team zutrauen.

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Fadil Salkanovic (links, hier mit Bruder Semin) ttraut dem deutschen Team nicht viel zu.
Fadil Salkanovic (links, hier mit Bruder Semin) ttraut dem deutschen Team nicht viel zu. © Thomas Marotzke

Er sei ein „Fan von Public Viewing“, sagt Fadil Salkanovic, Trainer des Bezirksligisten FC Wetter, die EM-Spiele werde er gemeinsam mit Freunden sehen. „Das ist doch der nächste Schritt in Richtung Normalität.“

Dem deutschen Team werde er die Daumen drücken, große Erwartungen hat er allerdings nicht. „Von den Namen her ist die Mannschaft eigentlich top besetzt, aber Jogi Löw hat den Absprung verpasst, die Systeme stimmen nicht“, sagt Salkanovic, „ich traue der Mannschaft nicht viel zu, das Achtelfinale vielleicht, mehr wird es nicht werden.“

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In der Favoritenposition sieht er andere: „Mannschaften wie Frankreich und England sind ganz andere Kaliber. Ich denke, die werden es unter sich ausmachen.“

Markus Requardt setzt auf den deutschen  Teamgeist.
Markus Requardt setzt auf den deutschen Teamgeist. © WP | WP

Auf Frankreich als Favoriten können sich alle einigen, das gilt auch für Markus Requardt, Jugendleiter der TSG Herdecke. Bisher hat die EM wenig Vorfreude bei ihm geweckt, auch für die Bundesliga ohne Zuschauer habe er sich nicht mehr so stark interessiert.

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Eine wachsende Begeisterung hält er aber nicht für ausgeschlossen. „Vielleicht zieht uns diese EM ja doch noch in ihren Bann“, mutmaßt er: „Vor ein paar Monaten habe ich gedacht, wie können die in dieser Situation eine EM durchziehen. Aber jetzt wird es vielleicht doch ganz schön, wenn man draußen gemeinsam Spiele sehen kann.“

Zumal er beim deutschen Team nicht so skeptisch ist. „Deutschland hat eine schwere Gruppe. Wenn man die übersteht, ist aber alles möglich“, sagt Requardt: „Und beim überraschenden Europameistertitel der U21 hat man gesehen, was Teamgeist ausmachen kann.“

Andreas Kurpinski ist überzeugt, dass die EM allen gut tut.
Andreas Kurpinski ist überzeugt, dass die EM allen gut tut. © ka | ka

Auf einen „kleinen Lichtblick“ in schwierigen Zeiten freut sich Andreas Kurpinski, Sportlicher Leiter des SC Wengern. „Die EM tut allen gut, auch denen, die sonst nichts mit Fußball zu tun haben“, ist er überzeugt: „Ich denke, die Euphorie wird mit dem ersten Spiel der Deutschen und den gleichzeitigen Lockerungen kommen.“

Von den Spielern in Wengern wisse er, dass sie im Garten Public Viewing machen wollen. Man überlege, ob man auch am Vereinsheim auf dem Brasberg Übertragungen anbiete.

„Ich sehe auch Frankreich als Favoriten, aber auch die Deutschen können weit kommen“, glaubt Kurpinski. das Halbfinale sei Pflicht: „Ein Finale Frankreich - Deutschland wäre doch ganz nett.“

Bisher habe er die EM „gar nicht auf dem Schirm gehabt“, sagt Lars Bax, Jugendtrainer bei SuS Volmar-stein: „Ich kenne auch keinen, der sagen würde, er sei im EM-Fieber.“ Bei guten Spielen des deutschen Teams könne aber mehr Euphorie als erwartet entstehen, sagt Bax, der auf Außenseiter setzt: „Alle großen Nationen mit Spielern aus Champions-League-Vereinen könnten Probleme bekommen, weil ihre Spieler seit eineinhalb Jahren nur englische Wochen haben.“

Frank Henes hat auch das deutsche Team auf der Liste für den Titel.
Frank Henes hat auch das deutsche Team auf der Liste für den Titel. © ka | ka

Gespannt erwartet Frank Henes, Trainer von Bezirksligist FC Herdecke-Ende, die Titelkämpfe. „Ich freue mich doch, wenn Sport kommt“, sagt er, „und nach so langer Durststrecke fühlen sich 14.000 Zuschauer in München so an wie sonst ein ausverkauftes Stadion.“ Für das deutsche Team sieht er durchaus Chancen. „Wenn sie durch die starke Vorrunde kommen, traue ich ihnen einen Platz unter den ersten Vier zu“, sagt Henes: „Mit Thomas Müller ist vorne ein Leitwolf, Hummels gibt der Abwehr Stabilität. Und Kimmich würde ich nach außen stellen, weil da die größere Baustelle als im Zentrum ist.“ Viele hätten das Vertrauen in das Nationalteam verloren, für ihn gelte das nicht: „Frankreich ist der haushohe Favorit, aber ich habe definitiv auch Deutschland auf der Liste.“