Herdecke. Heute undenkbar, vor 50 Jahren Realität: Wie „Stan“ Libuda und die Profis von Schalke 04 auf der Bleichstein-Asche bei der TSG Herdecke kickten:

Am Samstag tritt der FC Schalke 04 zum vorerst letzten Mal in der Fußball-Bundesliga an, beim 1. FC Köln. Von der TSG Herdecke trennen die Königsblauen dennoch Welten und sieben Spielklassen. Vor 50 Jahren war man sich deutlich näher: Am 22. Mai 1971 kickten die Schalker mit allen Nationalspielern auf dem Herdecker Bleichstein – damals noch ein Aschenplatz – bei der TSG, 2500 Zuschauer kamen. „Das war ein tolles Ereignis für ganz Herdecke und darüber hinaus“, erinnert sich Peter Wongrowitz, der als 20-Jähriger damals gegen „Stan“ Libuda und Co. im TSG-Trikot spielte, an ein wahres Volksfest.

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„Stan“ Libuda begeistert die Fans auf dem Bleichstein mit seinen Dribblings.
„Stan“ Libuda begeistert die Fans auf dem Bleichstein mit seinen Dribblings. © Eberhard Gaiser

Diese Chance war einmalig: Reinhard Libuda, der ein Jahr zuvor bei der Weltmeisterschaft in Mexiko die Fußball-Leidenschaft des Achtjährigen geweckt und zu Königsblau gelenkt hatte, Norbert Nigbur – das Vorbild für die spätere Torwart-Karriere – und all die anderen Schalker Idole nicht im Fernsehen als Sportschau-Schnipsel, sondern live und in Farbe, fast direkt vor der Haustür: Der Vatertags-Ausflug aus der Nachbarstadt zum Herdecker Bleichstein war Pflicht für den späteren Berichterstatter, vor 50 Jahren noch im Grundschulalter. Und der Platz direkt hinter dem Tor von Herdeckes Torhüter Ernst-Wilhelm Flasshoff schnell bezogen, auf der anderen Seite bei dem bewunderten Nigbur war ja angesichts der Kräfteverhältnisse nicht unbedingt viel Aktivität zu erwarten. Beste Aussicht auf ein Spektakel mit einer Kulisse, die der Bleichstein danach so nicht mehr erleben sollte.

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Mittendrin statt am Rand wirkte vor einem halben Jahrhundert Peter Wongrowitz mit, wenige Tage nach seinem 20. Geburtstag war er der Jüngste im TSG-Team. „Die haben alle Asse dabei gehabt“, erinnert sich der Herdecker, der besonders auf einen Schalker Akteur achtete: „Libuda hat auf meiner Position gespielt, ich war bei der TSG ja auch Rechtsaußen.“ Der Nationalspieler war es auch, der die 2500 Besucher auf dem Bleichstein mit seinen unnachahmlichen Dribblings – sie hatten ihm in Anlehnung an den legendären Stanley Matthews den Spitznamen „Stan“ eingebracht - besonders in seinen Bann zog. „Die Zuschauer hatten ihre helle Freude an diesem Geschehen, das die übliche Hausmannskost um Längen übertraf“, notierte der Reporter der örtlichen Presse, der „Nigburs enorm weite Abschläge“ und „die schnurgeraden Pässe von Spielmacher van Haaren“ ebenso bemerkenswert fand.

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Die TSG Herdecke tritt mit Betreuer Albrecht Sträter, Alexander Chotinetz, Rolf Rummenhohl, Klaus Manke, Wolfgang Cohnen, Horst Kleffmann,
Die TSG Herdecke tritt mit Betreuer Albrecht Sträter, Alexander Chotinetz, Rolf Rummenhohl, Klaus Manke, Wolfgang Cohnen, Horst Kleffmann, "Jumbo" Köhler, Udo Stefanski, Peter Wongrowitz, Peter Dewinski, Reiner Gräfe und Ernst-Wilhelm Flashoff (von links) an. © Chronik TSG Herdecke

Herdecke liefert „fabelhafte Partie“

Im Ergebnis schlug sich die erwartete Überlegenheit der Profis beim zuvor gerade in die Bezirksliga aufgestiegenen Herdecker Team allerdings nicht nieder. Denn die TSG, so befand der Chronist, lieferte den Schalkern eine „fabelhafte Partie“ und rankte sich am großen Gegner empor. „Schalke ist relativ schnell in Führung gegangen, aber dann haben wir Paroli geboten und hatten unsere Chancen“, erinnert sich Wongrowitz. Das wiederum hätte dem Favoriten gar nicht gepasst, zu mehr als dem 3:0 durch Heinz van Haaren (2) und Alban Wüst reichte es aber nicht. So gelang Udo Stefanski sogar noch das Herdecker Ehrentor zum Endstand von 3:1. „Aber wir hatten damals ja auch einige Ausnahmespieler dabei“, sagt Wongrowitz. Egwin „Ede“ Wolf war schon zu BorussiaDortmund gewechselt, auch Peter „Bobby“ Dewinski schaffte wenig später den Sprung in die Bundesliga zum VfL Bochum. Auch Wongrowitz selbst – später als Trainer noch deutlich erfolgreicher denn als Spieler - zog es ein Jahr später zum BVB, Torschütze Stefanski schloss sich Westfalia Herne an.

Am 22. Mai 1971 spielte die Bundesliga-Mannschaft des FC Schalke 04 bei der TSG Herdecke auf dem Bleichstein. Stehend von links: Hans-Jürgen Becher, Norbert Nigbur, Heinz van Haaren, Klaus Scheer, Klaus Beverungen, Klaus Fischer Knieend von links: Rolf Rüssmann, Reinhard Libuda, Hans Pirkner, Herbert Lütkebohmert, Friedel Rausch.
Am 22. Mai 1971 spielte die Bundesliga-Mannschaft des FC Schalke 04 bei der TSG Herdecke auf dem Bleichstein. Stehend von links: Hans-Jürgen Becher, Norbert Nigbur, Heinz van Haaren, Klaus Scheer, Klaus Beverungen, Klaus Fischer Knieend von links: Rolf Rüssmann, Reinhard Libuda, Hans Pirkner, Herbert Lütkebohmert, Friedel Rausch. © Chronik TSG Herdecke

Nur Bayern München kommt nicht

„Und unsere Asche hat den Schalkern natürlich gar nicht gepasst“, ergänzt Wongrowitz: „Heute wäre das ja völlig undenkbar, dass die Profis auf einen Aschenplatz kommen würden.“ In den Siebzigern war das anders, auch der VfL Bochum im gleichen Jahr und Borussia Mönchengladbach mit Günter Netzer 1972 tauschten auf dem Bleichstein die Wimpel mit den TSG-Mannschaftsführern Ernst-Wilhelm Flasshoff bzw. Klaus-Dieter „Kalli“ Manke. Nur Franz Beckenbauer, Gerd Müller und Sepp Maier kamen nicht, die Verpflichtung von Bayern München scheiterte am fehlenden Rasenplatz.

Als Neunjähriger ist der Autor begeisterter Besucher des Spiels in Herdecke
Als Neunjähriger ist der Autor begeisterter Besucher des Spiels in Herdecke © Eberhard Gaiser

So viele Besuchern wie die Schalker lockten aber die anderen Bundesligisten nicht mehr zum Bleichstein. Und nie mehr kam man den Idolen so nah. Wie der Autor bei der Autogrammjagd dem großen „Stan“ Libuda. In der Halbzeitpause direkt vor der Herren-Toilette.

Statistik

Am 22. Mai 1971 trat der Bundesligist FC Schalke 04 auf dem Bleichstein vor 2500 Zuschauern bei der TSG Herdecke an, siegte mit 3:1 (2:0). Heinz van Haaren (2) und der eingewechselte Alban Wüst trafen für Schalke, Udo Stefanski schoss nach dem 3:0 das Ehrentor für die TSG.

Die Aufstellungen:

TSG Herdecke: Ernst-Wilhelm Flashoff; Alexander Chotinetz, Rolf Rummenhohl, Klaus Manke, Wolfgang Cohnen, Horst Kleffmann, „Jumbo“ Köhler, Udo Stefanski, Peter Wongrowitz, Peter Dewinski, Reiner Gräfe.

FC Schalke 04: Norbert Nigbur; Hans-Jürgen Becher, Heinz van Haaren, Klaus Scheer, Klaus Beverungen, Klaus Fischer, Rolf Rüssmann, Reinhard Libuda, Hans Pirkner, Herbert Lütkebohmert, Friedel Rausch.