Hagen. In der Bundesliga stehen Top-Schiedsrichter wie Manuel Gräfe aufgrund der Altersgrenze vor dem Abschuss. Gelten diese Auflagen auch für Amateure?

Es ist der 1. Juni 2015. Der Sekt ist beim Karlsruher SC schon kalt gestellt. Es laufen die letzten Minuten im Relegationsrückspiel gegen den Hamburger Sportverein. Mit dem 1:0-Sieg kann der KSC den Aufstieg in die Fußball-Bundesliga feiern. Und dann der Querpass vom Hamburger Slobodan Rajkovic und dann der Pfiff. KSC-Spieler Jonas Meffert soll den Ball mit dem Arm abgefangen haben. Freistoß, Marcelo Diaz verwandelt direkt, 1:1-Ausgleich. In der Nachspielzeit fängt sich Karlsruhe noch das zweite Gegentor, muss den Traum von der Bundesliga begraben und sieht nur einen Schuldigen: Schiedsrichter Manuel Gräfe. „Keine andere Entscheidung in meiner Karriere hat mich bisher so beschäftigt“, gab der Bundesliga-Schiedsrichter jüngst in einem Podcast zu.

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Der 47-Jährige zu den angesehensten und bekanntesten Unparteiischen im deutschen Profifußball. Doch bald könnte für Gräfe Schluss sein. Bei 47 Jahren liegt die Altersgrenze für Bundesliga-Schiris. Eine Regelung, die der 1,97 Meter große Referee zuletzt öffentlich anprangerte. Doch wie sieht es bei den Amateuren aus? Wie lange sind die Unparteiischen dort an der Pfeife? Patrick Lepperhoff, Vorsitzender des FLVW-Kreisschiedsrichterausschusses in Hagen und Ennepe/Ruhr gibt seine Einschätzung ab und erklärt, wieso Schiedsrichter beim Stadionbesuch öfter sitzen bleiben und ganz woanders hinschauen.

Patrick Lepperhoff, rund um die Fußball-Bundesliga häufen sich die Diskussionen um die Schiedsrichter, die mit 47 Jahren ausscheiden sollen. Ein prominentes Beispiel ist Manuel Gräfe. Was halten Sie persönlich von der Regelung? Können Sie es nachvollziehen oder fehlt Ihnen das Verständnis?

Patrick Lepperhoff Da schlagen wirklich zwei Herzen in meiner Brust. Das Ausscheiden von älteren Schiedsrichtern eröffnet die Option, dass der Nachwuchs nachrücken kann. Dies ist perspektivisch natürlich notwendig, um eine langfristige Abwicklung des Spielbetriebs sicherzustellen. Auf der anderen Seite geht dadurch auch die Souveränität und der Erfahrungsschatz verloren, den ältere, erfahrene Schiedsrichter in die Spielleitung einbringen können. Ich kann beide Seiten gut verstehen.

Glauben Sie denn nicht, dass die Leistungsüberprüfungen ausreichen würden, um die Tauglichkeit der Schiedsrichter zu testen?

Die Leistungstest sind schon sehr anspruchsvoll und wurden mit den Jahren auch noch einmal angepasst. Wenn die Schiedsrichter diesen bestehen, könnten sie sicherlich rein faktisch noch weiter pfeifen. Zudem werden die Schiedsrichter im Profibereich in den Spielen beobachtet. Aber wie schon gesagt, verstehe ich durchaus beide Seiten der Argumentation.

Patrick Lepperhoff ist nicht nur als Unparteiischer aktiv, sondern auch Vorsitzender des Kreisschiedsrichterausschusses
Patrick Lepperhoff ist nicht nur als Unparteiischer aktiv, sondern auch Vorsitzender des Kreisschiedsrichterausschusses © WP | mustografie

Wie wird es denn unterhalb des Profi-Fußballs gehandhabt? Dürfen Schiedsrichter bis ins hohe Alter pfeifen?

Jein. Von der Ober- bis zur Landesliga gilt ebenfalls die Altersgrenze von 47 Jahren. In der Bezirksliga können Schiedsrichter bis 55 aktiv sein. In den Kreisligen darunter gibt es dann keine Altersgrenze mehr.

Und die Schiedsrichter müssen ebenfalls einen Leistungstest absolvieren und werden bei den Spielen beobachtet?

Nein, nicht alle. Alle Schiedsrichter auf Verbandsebene ab Bezirksliga haben pro Saison eine Leistungsüberprüfung. Die Überprüfung findet meist zwischen April und Juni statt. Wenn diese bestanden ist, ist die Klassenzugehörigkeit für die folgende Saison gesichert. Beobachtungen finden nur in der Oberliga und für die aufstrebenden Schiedsrichter statt. In den letzten Spielzeiten wurden auch die Schiedsrichter der Westfalenliga beobachtet und bekamen eine hohe Qualität attestiert.

Wie ist denn die Altersstruktur bei den heimischen Schiedsrichtern? Und was halten Sie davon, dass es in den Kreisligen keine Altersgrenze gibt?

Das ist eine gute Mischung aus Jung und Alt. Wenn wir da die älteren Schiedsrichter nicht hätten, würde es auch böse aussehen. Wir sind auf diese Schiedsrichter angewiesen und sie bringen mit ihrer Erfahrung und Souveränität auch einiges mit in die Partien. Die meisten pfeifen seit Jahrzehnten und haben sich bei den Vereinen auch ein gewisses Standing erarbeitet, was sich positiv auf die Akzeptanz auswirkt.

Ist die Altersgrenze, die es ja wie Sie sagten auch im Amateurfußball gibt, ein Diskussionsthema unter den Schiedsrichtern?

Seitdem ich dabei bin, also seit 2004, wird über das Thema diskutiert und so wird es wahrscheinlich auch erst einmal noch bleiben.

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Ausnahmen gibt es also keine?

In diesem Jahr tatsächlich schon. Da die nun annullierte Spielzeit im Amateurbereich stattgefunden hat, hat der Verband sich darauf verständigt, allen Schiedsrichtern, die altersbedingt ausscheiden würden, noch eine Saison Aufschub zu geben.

Können Sie als Schiedsrichter selbst noch Bundesliga-Partien als normaler Zuschauer verfolgen?

Es ist schon ein Stück weit anders, das muss ich zugeben. Wenn man in Dortmund im Stadion ist und da fällt ein Tor, dann geht der erste Blick zum Assistenten. Schiedsrichter bleiben als Zuschauer öfter mal sitzen, wenn andere schon jubeln, weil sie sehen, dass die Fahne schon lange oben ist (lacht). Das bleibt gar nicht aus, aber man ist natürlich auch Fußball-Fan und schaut sich die Spiele deshalb an.

Haben Sie auch einen Lieblings-Schiedsrichter, so wie andere einen Lieblingsspieler?

Wie auch bei Spielern gibt es auch bei den Schiedsrichtern unterschiedliche Typen und da sind manche, die einem mehr zusagen, weil man die Art zu pfeifen bei sich selbst wiederfindet, oder weil man sich etwas abschauen kann. Deniz Aytekin und Manuel Gräfe schaue ich mir beispielsweise sehr gerne an, da sie Erfahrung und Souveränität ausstrahlen. Wegen Letzterem habe ich die Diskussion zuletzt auch besonders mitbekommen.