Varese/Herdecke. Sie kannten das Verlieren gar nicht mehr: Umso frustrierender war EM-Rang vier für Johannes Weißenfeld und den Deutschland-Achter. Die Reaktionen:

Dieses Bild war für die Experten völlig ungewohnt. „Keine Deutschen auf dem Podium seit einer langen, langen Zeit“, staunten die Live-Kommentatoren des Welt-Ruderverbands, als bei den Europameisterschaften in Varese die abschießende Siegerehrung im Großboot nahte. Nach acht EM-Titeln und drei Weltmeisterschafts-Siegen in Folge wurde der Deutschland-Achter erstmals wieder geschlagen - und verpasste als Vierter sogar eine Medaille. „Wir sind auf Gold gefahren, aber bei Platz vier rausgekommen“, bedauerte der Herdecker Bugmann Johannes Weißenfeld, „das ist erstmal sehr frustrierend. Wir müssen jetzt analysieren, was der Auslöser war.“

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Mitten in der Nacht kehrten die deutschen Top-Ruderer vom italienischen Lago di Varese zurück zum Stützpunkt nach Dortmund. Für eine genauere Betrachtung des herben Rückschlags im Olympia-Jahr, so Weißenfeld, sei da noch gar keine Zeit gewesen. „Das müssen wir erstmals sacken lassen“, räumte der Herdecker ein, „einen Tag können wir jetzt regenerieren, am Dienstag geht es wieder an die Arbeit.“ Bei der vor allem die Ursachenforschung für die Mitglieder des in dieser Formation stets siegreichen Boote im Fokus steht. Weißenfeld: „Das Niveau wird immer dichter. Es hat sich leider gezeigt, dass es nicht selbstverständlich ist, dass der Deutschland-Achter immer vorne landet.“

Ende April folgt Weltcup in Zagreb

Die nächste Standortbestimmung für den Deutschland-Achter auf dem Weg zu den Olympischen Spielen wird der Weltcup in Zagreb (30. April bis 2. Mai) sein, bei dem es für ein erneutes Wiedersehen mit dem britischen und dem holländischen Achter geben dürfte – und somit die Chance zur Revanche. Danach stehen Weltcups in Luzern (21.-23. Mai) und Sabaudia (4.-6. Juni) an.

Nach 1500 Metern noch klar vorn

Nach dem ersten Rückschlag in Varese - im Bahnverteilungsrennen waren die Deutschen Sieger Großbritannien hinterhergefahren und ebenfalls auf Rang vier gelandet - hatte sich das Team vor dem Finale noch optimistisch gezeigt („Die Batterien sind aufgeladen, morgen zünden wir die Raketen!“). „Wir wollten ein bisschen aggressiver rausgehen und unseren Stiefel rudern. Als Reaktion auf das verpatzte Bahnverteilungsrennen wollten wir alles riskieren“, schildert Weißenfeld, das Vorhaben gelang zunächst. Nach 1000 Metern, der Hälfte der Strecke, führten die Deutschen mit einer halben Bootslänge vor der Konkurrenz, die Kommentatoren attestierten ihnen einen „fantastischen Start“. Und der aus Hagen stammende ZDF-Moderator Norbert Galeske, ein langjähriger Begleiter der Ruder-Weltelite, kündigte an: „Zwischen 1200 und 1500 Metern gilt es jetzt, auf dem Gaspedal zu bleiben.“

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Dazu war der Deutschland-Achter aber nicht in der Lage. Bei der 1500-m-Marke übernahmen die Briten bereits die Führung, im Endspurt zogen auch noch Rumänien und die Niederlande vorbei. „Bis 1500 m sah es ganz gut aus, doch dann hat man uns den Stecker gezogen“, bedauerte Weißenfeld. Nun sehe man, wer in den Wintermonaten gut gearbeitet habe, kommentierte Galeske den Endspurt - und fügte hinzu: „Der Deutschland-Achter fällt förmlich auseinander.“ Dem konnte Weißenfeld tags darauf nicht widersprechen: „Auf den ersten und zweiten 500 Metern waren wir jeweils die Schnellsten, auf den dritten und vierten dagegen die Langsamsten, das sagt ja alles.“ Der letzte Punch und das Stehvermögen hätten gefehlt, diagnostizierten die Teamkollegen Hannes Ocik und Richard Schmidt.

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Nationale Wettkämpfe fehlen

Es habe keineswegs daran gelegen, dass man nicht alles gegeben habe, betonte Weißenfeld. „Wenn man Rennen gewinnt, sieht es leicht aus, aber es ist immer schwer und man geht jedes mal über die Grenzen hinaus“, sagt der 26-Jährige, „auch diesmal haben wir alles reingeworfen.“ Vielleicht sei man „ein bisschen zu blauäugig“ an den Start gegangen, scheinbar sei man nicht gut genug vorbereitet gewesen. „Unsere Leistung war okay bis schlecht. Man merkt aber auch, dass wir sehr, sehr lange kein Rennen hatten“, sagt Weißenfeld, die üblichen nationalen Wettkämpfe vor den großen Regatten fehlten. Er ist aber weiter überzeugt, dass man das Potenzial habe, alle zu schlagen: „In den nächsten Monaten bis Tokio müssen wir intensiv daran arbeiten.“