Wetter. Neben Corona trifft nun der Pferdeherpes-Virus die Reiter. Das rät Tierarzt Dr. Heinrich-Georg Hassenbürger, Vorsitzender des RV Volmarstein:

Als wäre Corona nicht schon schlimm genug, so formulierte es Weltmeisterin Simone Blum. Die Reitsportler weltweit trifft gerade ein zweites Virus: Nach dem Ausbruch des so genannten „Equinen Herpesvirus“ (EHV-1) bei einem Reitturnier im spanischen Valencia, dem bereits mehrere Pferde zum Opfer fielen, wurden vom Weltverband (FEI) und dem deutschen Verband (FN) vorerst bis zum 28. März alle Turniere abgesagt, um die Ausbreitung der aggressiven und hoch ansteckenden Form des Pferdeherpes-Virus zu verhindern. Sorgen um die Tiere und die Verunsicherung sind auch bei den heimischen Reitern groß. Das zeigt die Rekord-Teilnahme am kurzfristig organisierten Online-Seminar des Pferdesportverbands Westfalen am Wochenende, bei dem Tierarzt Dr. Heinrich-Georg Hassenbürger – Vorsitzender des RV Volmarstein – mehr als 200 Vereinsvorstände und Reitbetriebsleiter informierte.

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„Der Informationsbedarf ist gewaltig“, stellt Dr. Hassenbürger fest: „Und seriöse Informationen statt Panikmache sind wichtig.“ Die Lokalsportredaktion hat mit dem 61-jährigen Hagener, der den RV Volmarstein seit mehr als zwei Jahrzehnten führt und als Tierschutzvertrauensperson der Kommission für Pferdeleistungsprüfungen in Westfalen fungiert, über das Thema Pferde-Herpes, Gefahren, notwendige Maßnahmen, Impfungen und die Auswirkungen auch auf die heimischen Freizeitreiter gesprochen.

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Der Ausbruch

Seit einiger Zeit seien die Pferdepopulationen von Herpes-Viren bedroht, die zur gleichen Gruppe wie die Corona-Viren gehören. Es gebe einen Impfstoff dagegen, der die Tiere zu 90 bis 95 Prozent gegen die Viren schütze, doch eine Impfung sei sowohl für Turnier- als auch für Freizeitreiter freiwillig. „In den letzten vier Jahrzehnten ziehen alle fünf bis zehn Jahre Herpes-Viren durch den Pferde-Bestand“, sagt Dr. Hassenbürger, „vor allem im Frühjahr sind die Bedingungen dafür günstig, wenn die Turniere wieder starten, die Pferde zusammen kommen.“ Beim Turnier in Valencia ist es nun zum Ausbruch der hoch ansteckenden Herpes-Form mit schweren Krankheitsverläufen und Todesfällen gekommen, 80 von knapp 200 Pferden sind erkrankt. „Es ist eine Mutation des Herpesvirus und deshalb so infektiös“, sagt Dr. Hassenbürger, „es wurden seuchenhygienische Maßnahmen ergriffen, wie der Lockdown bei Corona.“ FEI und in der Folge FN haben für den März alle Turniere oder Pferdeschauen abgesagt.

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Die Maßnahmen vor Ort

„Hygiene-Maßnahmen in den Ställen sind ganz wichtig“, sagt Dr. Hassenbürger, „die Pferde dürfen nicht eng mit Nüstern an Nüstern zusammenstehen. Eigentlich müssten sie – wie wir in der Corona-Pandemie – einen Mund-Nasen-Schutz tragen, aber das geht natürlich nicht.“ Reiter und andere Stall-Besucher müssen regelmäßig die Hände waschen, Tierarzt und Hufschmied sich desinfizieren.

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„In Volmarstein achten wir penibel auf Infektionsketten und Hygiene bei Reitern und Pferden“, sagt der Klub-Vorsitzende, vorerst sind nicht nur Turniere sondern auch Lehrgänge oder Fortbildungen abgesagt. Und fremde Pferde lasse man aktuell nur mit Augenmaß auf die Anlage: „Wir haben Zeitfenster für Fremdreiter geschaffen, wenn alle anderen Pferde in ihren Boxen sind.“

RV Volmarstein will wieder Kindertraining anbieten

Das Bewegen von Pferden aus Tierschutzgründen und zuletzt auch das Individualtraining draußen waren beim RV Volmar-stein schon bisher möglich. Nach den neuesten Corona-Lockerungen, die gemeinsamen Sport von bis zu 20 Kindern bis 14 Jahren unter freiem Himmel erlauben, will der Verein auch Kindertraining wieder anbieten. „Wir warten ja nur darauf“, sagt Klubchef Dr. Heinrich-Georg Hassenbürger, „wir bieten an, was machbar ist.“

Durch den Pferdeherpes-Ausbruch seien auch die Volmarsteiner gehandicapt, Veranstaltungen müssen aber nicht ausfallen. „Im Frühjahr hatten wir nichts geplant, unser großes Turnier ist noch weit weg“, sagt Hassenbürger. Das Reitturnier ist vom 20. - 22. August terminiert.

Das Thema Impfungen

Alle Einstaller-Pferde in Volmarstein und zugelassene Fremdpferde müssen geimpft sein, das wird im Equidenpass festgehalten und kontrolliert, das gelte seit 2002 auch für Turnierpferde bei Veranstaltungen auf der Anlage an der Köhlerstraße. „Das gilt etwa für Influenza, nicht aber für Herpes“, schränkt Dr. Hassenbürger ein und betont: „Ich würde auch die Impfung gegen Pferdeherpes verpflichtend machen, dafür kämpfe ich seit 25 Jahren. Es ist die Möglichkeit, mit geringem Aufwand und großem Erfolg die Tiere zu schützen.“ Nach dem aktuellen Ausbruch gebe es allerdings nun einen Engpass beim Impfstoff, dessen Erforschung und Herstellung sich bisher für die Pharma-Industrie nicht lohne: „Das wird anders, wenn die Impfung für alle verpflichtend würde, dann benötigen wir zwei Millionen Impfdosen jährlich in Deutschland.“

Die Perspektiven

Für ein weniger emotionales und stattdessen wissenschaftliches Umgehen wirbt Dr. Hassenbürger. „Es ist der schwerste Ausbruch seit Jahrzehnten, ja das ist so, aber wir können damit umgehen“, zeigt er sich überzeugt: „Ich bin froh, dass wir nicht so einen Flickenteppich haben wie bei Corona und den Bundesländern, sondern dass überall die Turniere abgesagt wurden.“ Diese Maßnahmen würden wirken, wenn überall die Hygieneregeln beachtet würden. Dr Hassenbürger: „Ich glaube, dass wir das im April im Griff haben.“