Herdecke/München. Davis Cup-Teamchef ist Michael Kohlmann seit fünf Jahren, nun übernimmt der Herdecker auch das Amt des „Head of Men’s Tennis“.

Davis Cup-Kapitän, also als Teamchef quasi der Joachim Löw des deutschen Tennis-Nationalteams, ist er schon seit fünf Jahren. Doch jetzt ist Michael Kohlmann endgültig die Nummer eins im deutschen Herren-Tennis, tritt aus dem Schatten einer „Lichtgestalt“ dieser Sportart. Der Deutsche Tennis Bund (DTB) ernannte den in Herdecke aufgewachsenen 46-Jährigen nun offiziell zum „Head of Men’s Tennis“ nachdem Boris Becker kürzlich von diesem Amt zurückgetreten war. „Diese Wertschätzung meiner Arbeit freut mich sehr“, sagte Kohlmann, der nun die alleinige sportliche Leitung für den Herrenbereich übernimmt.

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Die Bilder der Foto-Agenturen verraten viel über die öffentliche Wahrnehmung. Fotos von Michael Kohlmann und Boris Becker, die seit 2017 gemeinsam das deutsche Daviscup-Team betreuen, zeigen beide entweder im trauten Gespräch nebeneinander. Wenn aber Teamchef Kohlmann im Vordergrund die deutsche Mannschaft coacht, gilt der Kamera-Fokus fast immer dem dahinter in der ersten Zuschauerreihe mitfiebernden dreimaligen Wimbledon-Sieger. Eine Konstellation, die Kohlmann bewusst war - und mit der er gut leben konnte. „Boris hat viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen, dadurch aber auch viel Druck vom Team weggehalten“, sagt er, „und er hat großen Anteil daran, dass der Daviscup, bei dem unsere Heimspiele immer ausverkauft waren, wieder mehr im Fokus steht. Wir haben das in drei Jahren gemeinsam sehr gut hinbekommen, glaube ich.“

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2010 erreicht Michael Kohlmann (rechts) mit Jarkko Nieminen das Doppel-Halbfinale der Australian Open.
2010 erreicht Michael Kohlmann (rechts) mit Jarkko Nieminen das Doppel-Halbfinale der Australian Open. © Getty Images | Staff Mark Kolbe

Ein Eindruck, den Dirk Hordorff - DTB-Vize-Präsident Spitzensport - bei der „Beförderung“ Kohlmanns nun bestätigt. „Michael Kohlmann hat in den vergangenen Jahren herausragende Arbeit für den DTB geleistet und ist der logische Nachfolger auf der Position des Head of Men’s Tennis“, erklärte Hordorff: „Als ehemaliger Profispieler besitzt er eine große Expertise, hat einen sehr guten Zugang zum Nachwuchs und kann junge Spieler weiterentwickeln.“ Kohlmann, seit seiner Bundesliga-Zeit beim TC Rot-Weiß Hagen in den Neunzigern als Tennis-Profi aktiv und letztmals 2010 als Doppel-Halbfinalist bei den Australian Open groß in Erscheinung getreten, werde mehr Verantwortung übertragen. Der Herdecker koordiniert nun die für den männlichen Nachwuchs zuständigen Trainer an den Bundesstützpunkten in Oberhaching - hier ist auch Kohlmanns Basis, der mit seiner Familie in München wohnt - und Hannover.

Zur richtigen Zeit am richtigen Ort

Auch Trainingssteuerung und Turnierplanungen der Kaderspieler und die Durchführung von Lehrgängen gehören zu seinen Aufgaben, als Teamchef wird er aber auch künftig beim deutschen Davis Cup-Team auf der Bank sitzen. „Ich habe noch größere Verantwortung, weil ich es nun alleine mache, das Spektrum ist größer geworden“, weiß Kohlmann, der sich auf die neue Herausforderung freut: „Wir haben es für den Davis Cup geschafft, ein gutes Team aufzubauen und Kontinuität hineinzubringen. Das will ich nun in ruhigen Bahnen weitermachen.“ 2015 war er in unruhigen Zeiten zum Teamchef aufgerückt, „ohne Favorit auf das Amt zu sein“, wie er selber einräumt: „Aber ich hatte den Riesenvorteil, dass ich bei meinen Vorgängern Patrick Kühnen und Carsten Arriens schon drei Jahre Assistent war. Also wie ein Co-Trainer, der beim Fußball zum Chef wird. Da war ich zur richtigen Zeit am richtigen Ort.“

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Und mit seiner Arbeit konnte Kohlmann, dessen Vertrag zunächst nur Jahr für Jahr verlängert wurde, beim DTB ganz offensichtlich überzeugen. Dreimal schaffte das deutsche Team mit ihm den Klassenerhalt, 2018 überstand man die erste Runde, im Vorjahr im neuen Davis Cup-Format ging es bis ins Viertelfinale. Und auch aktuell hat man die Finalrunde in Madrid erreicht, die aber auf den November 2021 verschoben worden ist. „Es ist natürlich schade, dass wir uns als Nationalmannschaft anderthalb Jahre nicht präsentieren können“, bedauert Kohlmann.

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Reise nach Herdecke fraglich

Die Corona-bedingten Einschränkungen treffen also auch den neuen „Head of Men’s Tennis“. Die deutschen Meisterschaften („Jeder Spieler darf nur eine weitere Person mitbringen“) aktuell in Biberach kann er sich nur im Internet ansehen. Und ob er zu Weihnachten seine weiter in Herdecke lebenden Eltern besuchen kann, ist noch offen. „Eigentlich hatte ich das vor, zumal meine Mutter kurz vor Heiligabend auch Geburtstag hat“, sagt Michael Kohlmann: „Aber jetzt muss ich erstmal abwarten, ob das überhaupt noch erlaubt ist.“