Hagen. Im Januar steigt die Handball-WM, doch Patrick Wiencek sagt seine Teilnahme wegen der Coronakrise ab. Was Hagener Trainer davon halten.

Die Unstimmigkeiten in der Handball-Nationalmannschaft lodern weiter. Zu Beginn des kommenden Jahres steht die Weltmeisterschaft in Ägypten an. Vom 13. Januar bis 1. Februar 2021 messen sich die besten Auswahl-Mannschaften. Mit dabei ist auch das deutsche Team von Trainer Alfreð Gíslason. Doch ein Turnier, bei welchem Mannschaften aus allen Teilen der Welt zusammenkommen, zu Zeiten einer globalen Pandemie?

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Für Nationalspieler Patrick Wiencek keine Option. Der 146-fache Nationalspieler hat sich dazu entschieden, nicht an der Weltmeisterschaft teilzunehmen. Für den Kreisläufer des THW Kiel sei es „eine der schwersten Entscheidungen“ seines Sportlerlebens gewesen. Aber in dieser Konstellation und in dieser „immer noch besonderen Situation hat es sich einfach nicht richtig angefühlt, im Januar vier Wochen weit weg von zu Hause zu sein“, erklärte Wiencek. Auch seine Teamkollegen Hendrik Pekeler, Steffen Weinhold und Domagoj Duvnjak haben sich schon kritisch gegenüber dem Turnier geäußert, bisher allerdings noch keine Konsequenzen gezogen.

Keine einfache Entscheidung für einen (Profi-)Sportler. Doch wie bewerten die Hagener Handballer den Schritt? Können sie die Bedenken verstehen? Und wie stehen sie zu der Weltmeisterschaft im kommenden Monat? Wir haben bei den Drittliga-Trainern Marc Rode (TuS Volmetal) und Stefan Neff (VfL Eintracht Hagen) nachgefragt.

Internationale Spiele als Gefahr?

„Es liegt mir eigentlich fern, das zu bewerten“, möchte Marc Rode nicht über fremde Entscheidungen urteilen. Allerdings hegt auch er Bedenken, gegen große Turniere in der aktuellen Pandemielage: „Ich glaube, dass wir in Deutschland ein sehr gutes Hygienekonzept haben, gerade, wenn man auf die Bundesligen schaut. Sobald es allerdings international wurde und in die Auswahl-Mannschaften ging, häuften sich die Fälle“, verweist er etwa auf den positiv getesteten Nationaltorhüter Johannes „Jogi“ Bittner.

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„Ich bin zu 100 Prozent zwiegespalten“, weiß auch Eintracht-Coach Stefan Neff nicht, wie er zu der Weltmeisterschaft steht. „Ich verstehe die Spieler, die sagen, dass sie nicht nur Sportler sind, sondern auch an ihre Familien und den Verein denken wollen. Zumal bei solch einem Turnier enorm viele Nationen und Menschen aufeinander prallen“, versteht er die Argumente von Wiencek. Andererseits „bezahlt die Nationalmannschaft die Profisportler zwar nicht, aber dennoch sind sie die Gesichter des Sports und können auch gut davon leben.“

WM-Übertragung als kleine Aufheiterung

Schauen würde der Handball-Coach die Weltmeisterschaft aber dennoch, sollte sie im kommenden Monat stattfinden: „Man kann ja aktuell wirklich nicht viel machen. Wir haben noch das Privileg, dass wir trainieren dürfen, aber ansonsten liegt ja alles gerade im Winterschlaf. Ich schaue mir auch im Moment sehr gerne die Fußball-Bundesliga an, freue mich, wenn der Wintersport wieder richtig losgeht und werde definitiv auch die WM schauen. Das ist etwas, was einen noch aufrecht hält und eine gute Wochenendbeschäftigung ist.“ Generell glaubt er nicht, dass das Interesse am Handball-Sport durch die Pandemie gerade zurückstecken muss: „Eher im Gegenteil. Ich könnte mir vorstellen, dass ein Turnier mit solch einer Strahlkraft gerade im Moment viele anzieht. Man kann es sich ja auch alleine zu Hause an schauen. In der aktuellen Lage vielleicht eh das Beste.“

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Die Handball-Europameisterschaft der Frauen läuft aktuell in Dänemark. Und auch dort hinterlässt die Corona-Pandemie ihr Spuren. „Wie ich gehört habe, wird dort sehr stark auf die Isolation geachtet. Die Frauen haben alle Einzelzimmer, in die auch das Essen geliefert wird. Da muss man sich allerdings fragen, ob das noch in Ordnung ist. Die ganze Zeit nur im Zimmer zu sitzen, um alle paar Tage mal für 60 Minuten Handball zu spielen. Das ist doch auch unmenschlich“, findet Neff. Und auch hinsichtlich Jugend-Turnieren hat er eine klare Meinung: „Im Nachwuchsbereich sollte man aktuell komplett darauf verzichten.“

In einem sind sich beide Trainer einig: Mit seinem Verhalten hat Patrick Wiencek vor allem eins bewiesen: Rückgrat. „Es war natürlich auch Gesprächsthema im Training und alle Spieler waren sich einig, dass da eine große Portion Mut zugehört, sich als Erster so klar zu positionieren“, zollt Neff dem Kreisläufer Respekt. Und auch Volmetal-Trainer Rode findet, dass „er da sehr viel Stärke bewiesen hat.“

Wiencek als Vorbild?

Stärke, mit welcher er vielleicht in den kommenden Tagen und Wochen auch noch zu einem Vorbild für weitere Handballer werden könnte: „Er ist ein gestandener Spieler und ein Vollprofi. Er wird sich seine Gedanken gemacht haben und die Lage eingeschätzt haben“, ist sich Rode sicher und ergänzt: „Er war und ist mit seinen Zweifeln ja nicht alleine. Vielleicht werden da noch weitere Spieler folgen.“