Hagen. Jonas Müller-Preuß, Athletiktrainer von Phoenix Hagen, hat eine Mammutaufgabe: Er muss ein Team fit bekommen, das zweimal in Quarantäne musste.
Schnell und attraktiv soll das Spiel von ProA-Zweitligist Phoenix Hagen sein, wenn es nach Cheftrainer Chris Harris geht. Damit sein Team beim schwindelerregend schnellen Stil nicht die Puste ausgeht, legen die Basketballer seit Beginn vergangener Saison noch stärker den Fokus auf körperliche Fitness. Und haben mit dem Hagener Physiotherapeuten Jonas Müller-Preuß einen Mann vom Fach als Athletikcoach installiert.
Der 35-Jährige, der selbst seitdem er denken kann Basketball spielt, hat aktuell eine wahre Mammutaufgabe: Müller-Preuß muss ein Team, das vier der vergangenen fünf Wochen in häuslicher Quarantäne war, fit für den Zweitliga-Spielbetrieb kriegen. Wie der Familienvater das schafft, erzählt er im Interview.
Jonas Müller-Preuß, geben Sie uns doch mal einen Einblick in Ihre Arbeit als Athletikcoach.
Jonas Müller-Preuß: Phoenix hat diesen Job im letzten Jahr neu kreiert. Vorher gab es einen Krafttrainer, der die Mannschaft aber nicht in dem Maß betreuen konnte, wie es gewünscht wurde. Wir sind das ganz offen angegangen, wollten schauen, wie sich die Tätigkeit entwickelt. Wichtig ist uns, dass ich mit den Jungs viel in der Halle stehe. Im Kraftraum werden Grundlagen geschaffen, aber mir geht es darum, diese Grundlagen auf das Basketballfeld zu transferieren, um zum Beispiel einen Geschwindigkeitswechsel perfekt hinzubekommen. Fitness, Ausdauer, Kraft, Beweglichkeit – all das will ich fördern. Und was mir ganz wichtig ist: Regeneration. Ein Thema, das viel zu stiefmütterlich behandelt wird.
Welche Tipps geben Sie zur Regeneration?
Ich will den Jungs die richtigen Gewohnheiten mit auf den Weg geben und eine Struktur schaffen, wie sie sich bestmöglich auf ein Spiel oder eine Trainingseinheit vorbereiten können. Die Aktivität beginnt nicht in der Halle und hört dort auch nicht auf. Ganz wichtig ist, was die Spieler zu Hause machen. Wie sie sich ernähren, wie sie schlafen, wie sie sich regenerieren beispielsweise mit einer Faszienrolle, um aktiv zu bleiben. Das kommt in dieser Saison besonders zum Zug, weil wir bedingt durch Corona viel zu Hause sein mussten. Wir mussten viel ändern. Für einen Profisportler ist es eine absolute Katastrophe, wenn er seine Leistungsfähigkeit nicht aufrecht erhalten kann.
Wie sind Sie als Trainer mit den neuen Herausforderungen durch die Quarantänemaßnahmen zurecht gekommen? Mussten Sie erstmal ein neues Trainingskonzept erarbeiten?
Ich musste mich natürlich anpassen. Ein neues Konzept musste ich mir nicht überlegen, weil ich durch 15 Jahre Erfahrung in meinem Job gewisse Erfahrungswerte habe. Ich habe früher, als ich noch Krafttrainer war, Kurskonzepte für Training mit dem eigenen Körper geschrieben. Das habe ich als Grundlage genommen, musste mich aber nach den Anforderungen für Basketballer richten und schauen, wie man das zu Hause umsetzen kann.
Auch interessant
Dann haben Sie virtuell trainiert.
Ja, wir durften uns nicht mehr sehen, also mussten wir schnell etwas auf die Beine stellen, damit die Jungs weiter geärgert werden. Wir mussten uns immer wieder anpassen, aber der Körper kann das, Anpassung ist seine beste Fähigkeit. Solange ich in der Belastung bleibe, passt der Körper sich an Belastung an, wenn ich aber Pause mache, passt er sich ans Nichtstun an. Und dann wird es natürlich schwer, aus einem Loch wieder herauszukommen. Man muss dem Körper immer wieder gezielt Reize setzen. Allerdings haben wir uns durch das virtuelle Training nicht verbessert, das geht nicht. Unser Ziel war es, die Spieler leistungsfähig zu halten, damit sie nicht wieder komplett bei Null anfangen müssen.
Die Spieler haben sich einiges einfallen lassen. Auf Facebook tauchte ein Bild von Javon Baumann auf, wie er mit einem Fahrrad auf dem Sofa lag und munter radelte. War das auch Ihre Idee?
Die kam nicht von mir, die ist Javons Hirn entsprungen (lacht). Man kennt ja den Spruch: Nach müde kommt blöd. Ich glaube, wenn einem langweilig wird, kriegt man absurde Ideen, um in seinen Alltag etwas Abwechslung und Spaß zu bringen. Aber gut war zum Beispiel, was Joel Aminu gemacht hat: Er hat Golf gespielt, das ist konzentrationsfördernd. Wie gesagt, es ging darum, irgendwie aktiv zu bleiben, auch im Kopf. Außerdem sollten die Jungs die Zeit nutzen, um an den Baustellen ihres Körpern zu arbeiten.
Wie gut ist nach zweimaliger Quarantäne denn nun der Fitnesszustand des Teams?
Der Fitnesszustand ist gerade ein absolutes Chamäleon, weil auch jeder Spieler mit anderen Voraussetzungen in die Quarantäne gegangen ist. Jeder kommt gerade mit einem anderen Leistungsstand in die Halle, weil die Krankheitsverläufe ganz unterschiedlich waren. Fakt ist, wir werden nicht in fünf Tagen fit. An oberster Stelle steht die Gesundheit unserer Spieler, und es gibt keine Referenzwerte für Leistungssportler, die Corona hatten, es gibt keine Langzeituntersuchungen. Deswegen haben wir die Jungs medizinisch untersuchen lassen, um sicher zu gehen, dass es ihnen auch gut geht, damit wir sie wieder voll belasten können.
Und am kommenden Mittwoch geht’s dann gegen Trier.
Das ist dann sozusagen die Generalprüfung. Es wird sich zeigen, wie fit die Jungs sind. Effektiv haben wir vier Wochen lang nichts gemacht, aber wir werden unser Bestes geben. Wenn man so will, dann beginnt die Saison am Mittwoch – ohne Vorbereitung. Aber die Jungs brennen trotzdem darauf, wieder zu spielen.
Was meint denn der Athletikcoach: Wer ist im Phoenix-Team der athletischste Spieler?
Ich bin begeistert von Jermaine Bishop . Der ist athletisch unheimlich gut, bringt ein tolles Gesamtpaket mit. Aber er ist ein Rookie, ist zum ersten Mal in einem ganz anderem Umfeld. Sein Können blitzte in den Spielen schon auf, aber er kann noch viel mehr. Kyron Cartwright wiederum ist der Gegenpart: Er macht unglaublich viel mit seiner Übersicht, und seine Athletik benutzt er nicht, weil er eben mit anderen Fähigkeiten brilliert. Begeistert bin ich auch von Javon, der ist ein Trainingsweltmeister und will immer an seinen Fehlern arbeiten, aber er will alle Probleme immer gleichzeitig lösen (lacht).
Viel Athletik bringt auch Paul Giese mit. Was halten Sie von ihm?
Paul hat noch nicht viel Spielerfahrung, aber er hat etwas, was wir sehr interessant finden. Er ist sehr athletisch, hat eine gute Körperkontrolle und er weiß, was er tut. Paul ist ein Spieler, den wir hoffentlich über die nächsten Jahre weiter formen und integrieren können.
+++ Info+++
Jonas Müller-Preuß arbeitet als Physiotherapeut im Hagener Therapiezentrum „Kö40“ . Dreimal die Woche steht er morgens in der Sporthalle mit dem Phoenix-Team, danach betreut er Patienten. Weil der Beruf des „Physios“ als systemrelevant gilt, kann Müller-Preuß trotz Corona seiner Tätigkeit weiter nachgehen.
Abends macht der 35-Jährige manchmal noch virtuelles Training mit der Phoenix-Jugend , die wegen des Lockdowns zurzeit nicht in die Halle darf.