Hagen. Vom Ex-Profi in die Chefetage: Eintracht Hagens Geschäftsführer Sebastian Schneider blickt im WP-Interview auf seinen turbulenten Start als Manager.

Sebastian Schneider ist einer der wichtigen Köpfe im Führungsteam des VfL Eintracht Hagen. Seit knapp einem halben Jahr ist er hauptamtlich für die Eintracht tätig und hat seinen bisherigen Job in der IT-Branche aufgegeben. Nun ist er Geschäftsführer der Handball Förder gGmbH des Handball-Zweitligisten, der sich im Abstiegskampf befindet.

Nicht nur rund ums Profi-Team, sondern auch in der zweiten Mannschaft (3. HBL) und im Nachwuchsbereich der Jugendbundesliga soll er Strukturen verbessern und Projekte anstoßen, die zu langfristigem Erfolg führen sollen. Doch die Zeiten sind hart und insbesondere die Profis haben es aktuell sehr schwer. Wie denkt der Geschäftsführer über die jüngsten Erfahrungen und schwierige Entscheidungen?

Es gab die frühe Trainer-Entlassung und es gibt die anhaltende sportliche Krise: Wie haben Sie generell diese turbulente Zeit in den vergangenen sechs Monaten erlebt?

Sebastian Schneider: Grundsätzlich waren die ersten sechs Monate sehr spannend und herausfordernd. Was mir noch einmal sehr deutlich geworden ist, ist die Tatsache, dass man im Sport nie wirklich planen kann, weil am Ende doch alles anders kommt. Wir sind auf der einen Seite ein Ergebnissport und daran messen wir uns. Wenn wir Spiele gewinnen, ist es immer schön. Aber die aktuelle Situation beschäftigt einen natürlich und man versucht täglich an kleinen Stellschrauben zu drehen, die dazu beitragen, dass die Situation im Profi-Bereich besser wird. Ich denke, wir sind auf einem guten Weg. Die letzten sechs Monate kamen mir vor wie drei Wochen oder wie ein Monat, weil die Zeit einfach rennt. Alles ist sehr schnelllebig.

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„Es war nie meine Vorstellung oder mein Traum, Geschäftsführer eines Handballvereins zu sein, denn ich wollte schließlich als Spieler durchstarten.“

Sebastian Schneider, Ex-Profi und heutiger Handball-Manager

Was hat der Trainerwechsel letztlich bewirkt. Und war diese Entscheidung richtig?

Grundsätzlich will ich erstmal sagen, dass Stefan Neff in den vergangenen fünf Jahren einen hervorragenden Job gemacht hat. Das muss man erstmal so stehen lassen, denn er hat einen guten Grundstein gelegt und das Team in der 2. Bundesliga etabliert. Man muss aber auch sagen, dass ein Trainerjob nichts für 20 Jahre ist und wenn Erfolg zu lange ausbleibt, dann kommt so eine Entscheidung am Ende auch nicht überraschend. Pavel Prokopec braucht Zeit, damit seine Impulse wirken können. Diese Zeit bekommt er von uns. Aber so viel Zeit ist dann auch nicht möglich, weil wir Woche für Woche liefern müssen. Ich finde, dass seine Spielidee erkennbar wird und er kennt das Geschäft als Ex-Profi sehr gut. Der Kader passt sehr gut zu seiner Philosophie mit einem Handball, der mit immer kleineren und wendigeren Spielern gespielt wird. Der Trend geht allgemein dahin, so zu arbeiten. SC Magdeburg und Flensburg-Handewitt sind zwei Beispiele für Mannschaften, die auf kleinere und agilere Spieler setzen.

Sie haben den Schritt vom Ex-Profi zum Manager gemacht: Was treibt Sie an?

Ich hatte einen sicheren Job im IT-Bereich und in meiner aktiven Karriere war immer mein Ziel, dass ich so hoch wie möglich spiele. Es war also nie meine Vorstellung oder mein Traum, Geschäftsführer eines Handballvereins zu sein, denn ich wollte schließlich als Spieler durchstarten. Heute, nach dem Ende meiner aktiven Karriere, möchte ich daran arbeiten, dass die Spieler die Strukturen bekommen, die ich mir als Profi gewünscht hätte. Ich merke aber auch, dass der Job sehr anstrengend ist. Ich gucke nicht auf die Uhr und sage nach 40 Stunden in der Woche: So, jetzt ist Feierabend. Wir arbeiten quasi rund um die Uhr und das ist anspruchsvoll, aber es macht auch sehr viel Spaß.

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Wie lautet Ihre Erklärung dafür, dass die grün-gelben Profis reihenweise Favoriten (Rhein-Neckar Löwen, Bergischer HC, usw.) ärgern können, aber in der Liga nicht konstant liefern?

Wenn ich eine einfache Erklärung dafür hätte, dann würde ich sie direkt ansprechen. Aber so einfach ist das nicht. Wenn ich mal das Spiel gegen die Rhein-Neckar Löwen im DHB-Pokal betrachte, das war ja zu Beginn der Saison das große Highlight, wo wir ein wirklich gutes Spiel gemacht haben und nur knapp verloren haben. Ein paar Tage später verlieren wir dann gegen Elbflorenz mit 15 Toren Unterschied. An dem Beispiel sieht man, dass gewisse Mechanismen nicht so laufen, wie wir uns das gewünscht haben und das hat mehrere Gründe, zum Beispiel auch Verletzungen. Ich kenne aber auch die Spielerperspektive. Im Unterbewusstsein gibt es viele Kleinigkeiten, die passen müssen, damit man die letzten Prozente als Mannschaft herauskitzeln kann. Wir haben nominell einen Kader, der in der 2. Handball-Bundesliga in den Top fünf stehen kann, wenn nicht sogar muss. Aber du merkst jedes Jahr aufs Neue, wie brutal diese Liga ist. Jeder kann jeden schlagen und das macht es schwierig, vor allem, wenn du einmal in einen Abwärtsstrudel gerätst.

War nach der letzten Rückrunde die Erwartungshaltung vielleicht zu groß?

Vielleicht. Ich glaube aber schon, dass wir nach dieser langen Serie von Siegen schnell wieder runtergeholt wurden, weil wir zum Ende der Saison dann wieder fünf Spiele ohne Sieg da standen. Da war das Selbstvertrauen auch nicht mehr so, wie es in der überragenden Phase vorher war.

Weniger Selbstvertrauen ist das eine Thema, aber ist Mentalität, was eher mit der Einstellung und dem Charakter zu tun hat, auch etwas, womit sich die Eintracht beschäftigen sollte?

Sowohl als auch. Die Mentalitätsfrage sollten wir uns auf jeden Fall stellen. Mentalität und auch Emotionalität sind Dinge, die im Profi-Sport immer wichtiger werden. Es ist eine spannende Frage, ob wir diese Saison das große Mentalitätsmonster in unseren Reihen haben, das vielleicht nicht zehn Tore werfen kann, aber das man unbedingt gerne dabei haben möchte. Man hat allgemein aber nicht mehr diese richtigen Typen, die bewusst aus der Reihe tanzen. Insgesamt haben wir gehofft, dass der Start besser laufen würde und diese Mentalität mit einem gewissen Selbstverständnis von sich aus wächst. Ich erkenne aber positive Tendenzen, auch wenn die Situation nach wie vor angespannt ist.

M. Kleinrensing WP Hagen Handball
Er ist stets nah dran am grün-gelben Nachwuchs: Sebastian Schneider, hier neben U23-Trainer Alexander Zapf. © WP | Michael Kleinrensing

Sie haben erneut das Jugendzertifikat der HBL erhalten. Warum ist das für Eintracht Hagen so wichtig?

Es ist für uns wichtig, weil es um unsere Akademiearbeit geht. Wir geben unseren jungen Spielern eine Plattform, um sich zu entwickeln. Das betrifft nicht nur die Arbeit der Spieler, sondern auch die der Trainer und des Jugendkoordinators. Wir sind einer von sieben Zweitligisten, die das Zertifikat bekommen haben. In der ersten Liga sind es 15 von 18 Vereinen. Das heißt, wir gehören mittlerweile zu einem elitären Kreis, was für unsere gute Jugendarbeit spricht.

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Mit Joshua Thiele stößt für ein halbes Jahr ein weiterer Kreisläufer ins Team. Kann man das als Eingeständnis bewerten, dass es bei der zurückliegenden Kaderplanung doch Fehler gab?

Es ist ein ganz normaler Prozess. Ich würde nicht von einer Fehlplanung sprechen. Das wäre der Fall gewesen, wenn wir nicht mit drei Kreisläufern in die Saison gegangen wären. Wir sind aber ganz bewusst mit Tilman Pröhl, Alexander Becker und Igor Panisic ins Rennen gegangen. Dahinter gibt es aber auch junge Spieler wie Arne Quittmann und Niklas Pfalzer. Man hat also gedanklich fünf Spieler auf dem Schirm. Durch die Verletzung von Alexander Becker, der leider weiterhin fehlen wird, mussten wir handeln. Wir haben frühzeitig entschieden, dass wir tätig werden, aber der Markt hat natürlich nicht viel hergegeben. Für Sommer haben wir mit Tim Düren eine Lösung gefunden, die für diesen Winter nicht passte. Mit der Leihgabe von Joshua Thiele haben wir jetzt eine Top-Verpflichtung bekommen, weil er viel Erfahrung hat und schon lange Zeit in der Bundesliga unterwegs ist. Wir haben jemanden geholt, der uns sofort helfen kann. Wir gehen gut aufgestellt in die Rückrunde.

„Es ist ein ganz normaler Prozess. Ich würde nicht von einer Fehlplanung sprechen. Das wäre der Fall gewesen, wenn wir nicht mit drei Kreisläufern in die Saison gegangen wären.“

Sebastian Schneider, Geschäftsführer beim VfL Eintracht Hagen, über die Kaderplanung aus der Vorsaison