Seattle/Volmarstein. Eine Saison spielte Footballerin Lena Müller bei den Seattle Majstics und will ihre Erfahrungen nun bei den Schwäbisch Hall Unicorns einbringen.

Wenn Lena Müller über ihren Sport spricht, nimmt sie sich Zeit. Sie spielt leidenschaftlich gerne Football. Zurzeit beim ambitionierten Zweitligisten Schwäbisch Hall, zwischenzeitlich sogar in den USA. Und nun ist es ihr Ziel, in die Damenbundesliga aufzusteigen. Die Volmarsteinerin ist parallel sehr heimatverbunden und macht für ihren Sport einen echten Spagat, der ihr aber aufgrund guter Organisation gelingt, weil sie sowohl Rückhalt als auch Freiraum gewährt bekommt.

Es war auch ein Bericht in der Westfalenpost, der die heute 31-Jährige zum Football brachte. Damals, vor der Saison 2017, suchten die Sauerland Mustangs (später Hagen Mustangs) Spielerinnen für ein komplett neues Damenteam. „Ich hatte vorher Spiele in der NFL und den Super Bowl gesehen und fand es eine coole Sache“, erinnert sie sich. Zu der Zeit machte sie regelmäßig Krafttraining, hatte nur anfangs Sorgen aufgrund fehlender Kondition. Doch das brauchte sie nicht. „Mein damaliger Trainer machte mir Mut, und wir trainierten sowieso das erste Jahr nur, bevor wir erst in einer Aufbauliga und danach in der Regionalliga mit immer mehr Spielerinnen antraten.“

In Hagen entwickelte sie sich prächtig, war ambitioniert und strebte nach mehr. Deshalb ging es 2020 in die zweite Bundesliga zu den Assassins Solingen/Wuppertal. Und auch von der Corona-Zeit ließ sich die Offense-Linerin nicht stoppen, selbst als 2021 nur eine Halbsaison gespielt wurde. Der Sport hatte sie endgültig gepackt. Sie besuchte sogar ein Camp in der Nähe von München, speziell für die offensiven Spielerinnen. „Dort erzählte eine andere Footballerin, dass in den USA eine neue Liga aufgebaut werden soll und sich Spielerinnen per Video bewerben können. Ich wollte es unbedingt ausprobieren, doch ich wurde nicht genommen, und die Liga kam dann auch gar nicht zustande“, erinnert sich Lena Müller. Sie war etwas geknickt, aber eigentlich motivierte sie es umso mehr.

Bewerbung per Video

„Ich war angefixt, habe Trainingsvideos von mir an Vereine aus der Frauenliga geschickt und gefragt, ob sie O-Liner bräuchten“, erzählt die Sportlerin. Und plötzlich klappte es. Die Seattle Majestics aus Washington meldeten sich zurück und nahmen mit Lena Müller die erste deutsche Spielerin für eine Saison unter Vertrag. Ihr Traum wurde wahr. Sie wirkte fünf Monate in der Women’s National Football Conference (WNFC) mit und sammelte wertvolle Erfahrungen. „Die Unterstützung ist dort schon eine ganz andere, ebenso das Miteinander und die Begeisterung füreinander. Das versuche ich für meine Laufbahn mitzunehmen“, sagt Lena Müller zum einen. Zum anderen sei das Training viel intensiver gewesen, basierend auf einem ausgereiften Konzept. „Alle Offense- sowie Defense-Linerinnen haben in den Einheiten auch den anderen Part übernommen und sich so in die gegenüberliegenden Rollen hineinversetzen können“, sagt die Footballerin, die zudem ausführliche Videoanalysen aus dem Training kennenlernte.

Sie wohnte sogar mit im Haus ihres Trainers. Der vermittelte ihr ohnehin schon viel, und sie lernte den Football aus einer neuen Perspektive kennen. Zum Beispiel waren die Spielerinnen schon eine halbe Stunden vor dem Training vor Ort. „Jede hat ein individuelles Warm-Up gemacht und jeweils eine eigene Routine entwickelt, bevor es mit dem Team losging“, verrät Lena Müller. Außerdem wurde eine mentale Vorbereitung gemacht. „Wichtig ist ja, nicht nur mit dem Körper da zu sein, sondern auch mit dem Kopf. Ich muss verstehen, wo ich im Spiel selbst einen Block setzen muss. Aber auch, was ich danach auf meiner Position zu tun habe. Das wird dadurch noch klarer“, sagt die Sportlerin, für die es auf dem Feld sehr gut lief und die sogar von anderen Teams Angebote erhielt.

Und die Krönung kam noch, als die Saison eigentlich vorbei und ihr offiziell beantragtes Urlaubsvisum auslief. Mit ihrer Mutter Dagmar, die dafür eigens anreiste, war noch eine entspannte Woche in den USA geplant. Doch plötzlich erhielt die Sportlerin die Nachricht, dass sie zu den besten Offensive-Linerinnen der WNFC-Teams dieser Saison gewählt worden war. Pro Verein wurden zwei Spielerinnen für das ALL-Stars-Team nominiert, die in zwei Mannschaften im „The Star“, dem Trainingsstadion der Dallas Cowboys, gegeneinander antraten. „Damit habe ich nicht gerechnet, das war überwältigend“, freute sich die Volmarsteinerin. So machten ihre Mutter und sie statt eines kleinen Wandertrips eine Fahrt mit dem Auto den Highway 101 entlang der Pazifikküste bis nach Dallas.

Persönliche Entwicklung

Sie ist stolz auf ihre Zeit in den USA, nicht allein mit Blick auf ihren sportlichen Schub. „Jeder, der eine Reise machen möchte, die ein Traum ist, sollte dies für eine persönliche Entwicklung einfach machen. Das empfehle ich, ich war zu der Zeit noch in einer gewissen Findungsphase“, sagt die angehende Kauffrau für Büromanagement, die im Familienbetrieb, der IBS Müller GmbH, arbeitet. Und dann war sie plötzlich weg und erfüllte sich ihren eigenen Traum.