Hagen. Tornados und Szene Hagen lassen an der Vereinsführung von Phoenix kein gutes Jahr. Geschäftsführer Patrick Seidel wehrt sich gegen Vorwürfe.

In einer gemeinsamen Stellungnahme kritisieren die Fangruppen Szene Hagen und Tornados die Vereinsführung von Phoenix Hagen aufs Schärfste. „Denn nicht nur einige Personalentscheidungen, sondern auch die katastrophale Außendarstellung und die scheinbar völlig falsche Selbstwahrnehmung der Vereinsführung haben bei nicht wenigen von uns das Fass endgültig zum Überlaufen gebracht“, heißt es. Anstoß für das Brandbrief-ähnliche Statement, so scheint es, war die Trennung von Co-Trainer und Identifikationsfigur Alex Nolte.

Die Mitglieder von Tornados und Szene Hagen fordern die Phoenix-Verantwortlichen dazu auf, den „Ernst der Lage endlich zu erkennen und den Jahre andauernden Abwärtstrend endlich zu stoppen.“ Trotz aller Treue zum Verein seien sie an einem Punkt, an dem die Identifikation mit dem sportlichen Aushängeschild Hagens schwinde. Für sie steht fest: Das Geld, das sie für ihre Dauerkarten der Geistersaison 2020/21 bezahlt haben, werden sie zurückverlangen. Das Statement endet mit dem Sprichwort: „Die Hoffnung stirbt zuletzt.“

Die komplette Stellungnahme von Tornados und Szene Hagen finden Sie hier: Stellungnahme

Wir haben die wesentlichen Kritikpunkte zusammengefasst und Phoenix-Geschäftsführer Patrick Seidel um Reaktionen gebeten.

Die sportliche Entwicklung

Lediglich in einem von vier ProA-Jahren erreichte das Phoenix-Team die Playoffs, dreimal wurde die Endrunde verpasst. Der Verein habe in dieser Saison erneut nachverpflichten müssen und am Ende nur „Achtungserfolge“ eingefahren. „Corona-Umstände hin oder her: Die sportliche Bilanz in den letzten drei Jahren ist und bleibt indiskutabel.“ Nach dem Neustart in 2017 habe man die BBL innerhalb von drei Jahren erreichen wollen, nun stünde man der ProB näher als dem Basketball-Oberhaus.

Phoenix-Geschäftsführer Patrick Seidel im Oktober im Gespräch mit der WESTFALENPOST.
Phoenix-Geschäftsführer Patrick Seidel im Oktober im Gespräch mit der WESTFALENPOST. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Patrick Seidel: Ich kann die Frustration über die sportliche Situation zu 100 Prozent nachvollziehen. Wir stehen nicht da, wo wir stehen wollen. Wir haben allerdings nicht gesagt, innerhalb von drei Jahren in die BBL aufsteigen zu wollen, sondern innerhalb von drei Jahren so aufgestellt zu sein, oben mitspielen zu können. Ja, das haben wir verpasst, aber der Aufstieg war nicht das ausgelobte Ziel. Interessant wäre in dem Kontext gewesen, wo wir uns am Ende dieser drei Jahre im März letztes Jahr ohne Saisonabbruch wiedergefunden hätten. Da hatten wir eine geile Truppe.

Die wirtschaftliche Lage

Auch wirtschaftlich sei die Entwicklung bei Phoenix Hagen bedenklich. „Die Tatsache, dass man sich wirtschaftlich nach eigener Aussage im unteren Drittel der Liga wiederfindet und der Etat (auch schon vor der Corona-Krise) gesunken ist, lässt zumindest hinterfragen, ob eine kritische Betrachtung seitens der Gesellschafter und des Aufsichtsrats, jedoch auch seitens der Presse mal angebracht wäre. Schließlich beschäftigt man in der Geschäftsstelle immerhin zwei Festangestellte, die ausschließlich für die wirtschaftliche Situation zuständig und verantwortlich sind“, so die Fangruppen. Seidel habe Phoenix zwar halbwegs unbeschadet aus der Insolvenz geführt, doch die Gesamtentwicklung sei negativ.

Seidel: Bis zur Insolvenz wurde das meiste Geld in die Mannschaft gesteckt, ich habe allerdings mehr Wert auf den Aufbau von Strukturen gelegt. Natürlich ist das für den Fan unattraktiver. Aber man kann heutzutage nicht mir nichts dir nichts in die BBL aufsteigen. Man braucht ausgereifte Strukturen, eine Trainingshalle. Nach der Insolvenz hatten wir einen Etat von Null Euro, in der ersten Saison standen wir zunächst 900.000 Euro, im Laufe der Saisonbereits bei 1,25 Mio. Euro und bis vor Corona waren wir bei 1,6 Mio. Euro angelangt. Da ist eine deutliche Entwicklung zu erkennen gewesen. In drei von vier Jahren hatten wir einen positiven Jahresabschluss, trotz Corona in 2020 einen Jahresüberschuss von gut 30.000 Euro. Im Februar letzten Jahres hatten wir ein sehr produktives Gespräch mit dem Oberbürgermeister und unseren 15 Top-Partnern aus der Wirtschaft. Wir haben gesagt: Jetzt werden wir verstärkt Geld in das Team stecken und wollen sportlich angreifen. Wir sind kleine Schritte gegangen, aber unser Wachstum war organisch. Doch leider hat Corona unsere Pläne über den Haufen geworfen, der Etat musste um rund ein Drittel reduziert werden. Natürlich war das für uns eine völlig neue Situation. Aber wir werden auch zum 30. Juni 2021 solide da stehen.

Die Trainerentscheidungen

Von Co-Trainer Alex Nolte hat sich Phoenix Hagen getrennt, der „wie kein anderer für Leidenschaft, Vereinstreue und Emotionen [stand] und nicht nur durch seine Nähe zur Fanszene DAS Aushängeschild für Identifikation im Verein [war]. Es scheint, als hätte man in ihm das Bauernopfer für die schlechte Arbeit anderer gefunden.“ Zugleich habe bei der Entscheidung, mit Chris Harris zu verlängern, Selbstreflexion gefehlt. Harris habe die zweitschlechteste Bilanz der Phoenix-Geschichte. „Es scheint, als haben ein paar passable Spiele zum Saisonende die Entscheidungsfindung maßgeblich beeinflusst und die vorangegangenen zwei Jahre wurden außen vor gelassen.“

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Seidel: Zu Alex Nolte: Uns war klar, dass es einen Aufschrei geben wird, wenn es mal zu einer Trennung kommen sollte. Egal zu welchem Zeitpunkt. Alex war ein Junge des Heubodens, der es hier zum Assistenztrainer geschafft hat. Ich kann es gut nachvollziehen, dass die Kritik groß ist. Es war für uns auch eine schwierige Entscheidung, aber aus finanziellen Erwägungen sehen wir vorerst keinen hauptamtlichen Co-Trainer mehr vor.

Zu Chris Harris: Seine Bilanz nach der Zeit von Kevin Magdowski liegt bei 35:40, das kann jeder den offiziellen Tabellen entnehmen. Vor Corona war seine Bilanz bei rund 50 Prozent gewonnener Spiele. Über die Gründe für seine Weiterverpflichtung haben wir uns schon hinreichend geäußert. Man darf nicht vergessen, dass unser Team in dieser Saison dreimal in Quarantäne musste. Speziell die zweite Phase hat unsere Saison über den Haufen geworfen, als alle infektiös waren und wir Monate mit den Folgen gekämpft haben. Außerdem wurde in unseren zuständigen Gremien die Trainerfrage kontrovers diskutiert.

Die Kommunikation

Die Verantwortlichen von Phoenix Hagen würden nicht oder zumindest nicht ausreichend kommunizieren, so der Vorwurf. Angebote zum Meinungsaustausch habe es während der Saison seitens des Vereins nicht gegeben. Der Online-Fan-Talk am Ende der Spielzeit sei ein schwacher Trost gewesen. „Dieser war tatsächlich gut gemacht, hatte jedoch dermaßen belanglose Aussagen zu bieten, dass man den Abend lieber mit einer Folge ‘Promis unter Palmen’ hätte verbringen sollen.“

Seidel: Der Vorwurf lautet ja, dass wir nicht greifbar wären, aber das möchte ich mir nicht gefallen lassen. Einige der Tornados-Mitglieder haben meine Handynummer, meine Mailadresse ist bekannt. Wir können jederzeit gerne reden, aber unter einer Voraussetzung: Dass man unsere Argumente auch zulässt und man unsere Positionen verstehen möchte. Wir hatten schon Fantalks im Foyer oder im Crocodile. Abseits der Medien gab es auch einmal ein Treffen zusammen mit Bernd Kruel und den Tornados. In der letzten Saison hatten wir den digitalen Fan-Talk. Zu meiner Überraschung wurden viele Fragen gar nicht gestellt, die dann aber in den Sozialen Medien thematisiert werden. In meinen Augen wäre das eine super Gelegenheit für alle gewesen, jede Frage in den Raum zu werfen. Aber als Fan muss ich es mit meinem Verein auch gut meinen und darf mich nicht ausschließlich dem Populismus hingeben. Ich bin jederzeit gesprächsbereit.

+++ Info +++

In ihrem Statement kritisierten die Tornados noch mal, dass eine Fahne mit der Aufschrift „Für den Klassenerhalt“, das sie im Januar in der Krollmann Arena anbringen ließen, von einem Phoenix-Verantwortlichen wieder abgehängt wurde. Phoenix begründete dies damit, dass die Botschaft des Banners für die sportlich kriselnde Mannschaft nicht förderlich sei und man sich nicht im Abstiegskampf befände.

Die Tornados reagierten darauf mit Häme und ließen ein Banner mit der Aufschrift „Erstklassig“ anbringen.