Hagen. Die Fangruppen Szene Hagen und Tornados Hagen lassen an den Phoenix-Verantwortlichen kein gutes Haar. Nolte-Trennung bringt Fass zum Überlaufen.
Die Mitglieder der Fangruppen Szene Hagen und Tornados sind die Stimme von Phoenix Hagen. Eine Stimme, die sowohl am Ischeland als auch bei Auswärtsspielen unüberhörbar ist, in der abgelaufenen Saison allerdings komplett verstummte. Im Geistermodus hatten Fans nun mal keinen Platz. Aber auch in den sozialen Medien wurden die treuen Anhänger eher ruhig; sie beobachteten und reflektierten das, was in und um ihren Verein herum geschah. Aber jetzt haben die Fans von Szene Hagen und Tornados ihre Stille gebrochen. Und wie.
In einer ausführlichen, gemeinsamen Stellungnahme kritisieren die beiden Fangruppen die Vereinsführung von Phoenix Hagen aufs Schärfste. Anstoß für das Brandbrief-ähnliche Statement, so scheint es, war die Trennung von Co-Trainer Alex Nolte, einer Hagener Identifikationsfigur, die bis vor einigen Jahren ebenfalls noch hoch oben auf dem „Heuboden“ stand und die Basketballer anfeuerte. Die Liste der Kritikpunkte ist lang. Im Kern wird dem Management um Geschäftsführer Patrick Seidel folgendes vorgeworfen:
– Die sportlichen und wirtschaftlichen Ziele, die sich der Verein selbst setzte, seien klar verfehlt worden;
– Phoenix fehle Selbstreflexion und eine kritische Kontrolle durch Gremien; auch die Presse betrachte die Geschehnisse bei Phoenix nicht kritisch;
– Phoenix fehle Kommunikationsbereitschaft, einen Meinungsaustausch mit Fans habe man nicht gesucht;
– Alex Nolte sei angesichts der wirtschaftlich angespannten Lage jetzt das „Bauernopfer“, während man die Leistungen von Cheftrainer Chris Harris nach dessen Verlängerung schön geredet habe;
– Von Visionen oder Plänen sei „schon längst nichts mehr zu hören“.All das führe dazu, so die beiden Fangruppen, dass die Identifikation mit Phoenix Hagen schwinde und sie nun „das Geld für unsere bezahlten Dauerkarten nicht dem Verein spenden, sondern geschlossen zurückfordern“.
Eine Reaktion von Patrick Seidel zur Fan-Kritik finden Sie hier: Link (Bezahlartikel).
Hier das gesamte Statement von Szene Hagen und Tornados Hagen (Link zum Original-Post):
Quo vadis, Phoenix Hagen?
Rund einen Monat liegt das Saisonende der ProA-Spielzeit 2020/2021 nun zurück. Eine Saison, die völlig anders war als die davor. Ohne einen einzigen Spielbesuch, ohne ein einziges Mal Heuboden, ohne eine einzige Minute auf der Autobahn. Wir haben uns als Hagener Fanszene während der letzten Spielzeit bewusst zurückgehalten und uns – mit Ausnahme der Posse um die „Klassenerhalt-Fahne“ – nicht einmal zum Geschehen rund um unseren Verein geäußert. Aufgrund der sportlichen Belanglosigkeit wurden die letzten Saisonspiele ohnehin nur noch mit einem Schulterzucken halbherzig verfolgt. Uns ging es auch darum, die letzten Monate sacken zu lassen und uns zu sammeln. Und nach einiger Zeit des Überlegens kamen wir nicht drum herum, uns noch einmal klar, deutlich und kritisch zur Entwicklung bei Phoenix Hagen zu äußern. Denn nicht nur einige Personalentscheidungen, sondern auch die katastrophale Außendarstellung und die scheinbar völlig falsche Selbstwahrnehmung der Vereinsführung haben bei nicht wenigen von uns das Fass endgültig zum Überlaufen gebracht.
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Sportlich gesehen liegt hinter uns die schlechteste Saison der Vereinsgeschichte. Im dritten von vier ProA-Jahren wurde (bezogen auf die Abschlusstabelle) das Saisonziel Playoffs (klar) verpasst. Im zweiten Jahr in Folge fand man sich nach einem katastrophalen Fehlstart zwischenzeitlich am Tabellenende wieder. Zum zweiten Mal in Folge musste man nachverpflichten, da die im Sommer zusammengestellte Mannschaft keinen ProA-Ansprüchen genügte. Erst am Ende der Saison – als es längst um nichts mehr ging – landete man noch ein paar Achtungserfolge. Corona-Umstände hin oder her: Die sportliche Bilanz in den letzten drei Jahren ist und bleibt indiskutabel.
Zur Überraschung vieler wurde dennoch der Vertrag mit dem Trainer, der die zweitschlechteste Bilanz aller Coaches der Phoenix-Geschichte aufweist, verlängert. Steht die Verlängerung auf dem einen Blatt, war es vor allem die Art der Bekanntgabe, die vielen negativ aufstieß. So war davon die Rede, dass der Trainer die Saison unter schwierigen Umständen „gut gemeistert“ habe. Dass man „als es um vermeintlich nichts mehr ging, Spiele gewonnen“ und der Trainer „einiges auf den Weg gebracht“ habe. Betrachtet man die vergangene Spielzeit, aber auch die beiden Jahre davor, fragt man sich, ob die Vereinsverantwortlichen andere Spiele als wir gesehen haben. Eine kritische Selbstreflexion? Fehlanzeige! Es scheint, als haben ein paar passable Spiele zum Saisonende die Entscheidungsfindung maßgeblich beeinflusst und die vorangegangenen zwei Jahre wurden außen vorgelassen. Wir haben das klare Verpassen der Saisonziele in den vergangenen drei Jahren, die 11 Monate andauernde Heimmisere im Jahr 2019 und beschämende und blutleere Auftritte wie in Quakenbrück im Januar 2020 oder in Ehingen dieses Jahr jedenfalls nicht vergessen.
Grundsätzlich schwebte über der gesamten vergangenen Saison das Thema Corona. Zweifelsohne hat es Phoenix Hagen diesbezüglich hart erwischt. Auch möchten wir uns nicht anmaßen, über die sportliche Leistungsfähigkeit in Folge einer Corona-Erkrankung zu philosophieren. Verfolgt man jedoch die Statements der Klubverantwortlichen über die zurückliegenden 12 Monate, hat man jedoch den Eindruck, die Pandemie würde als Ausrede für grundsätzlich alles genutzt. Dabei war die sportliche wie auch die wirtschaftliche Entwicklung auch schon vor Corona rückläufig. Zu keinem Zeitpunkt hatte man das Gefühl, die Verantwortlichen würden die schwierige Situation nutzen, in die Hände zu spucken und das Beste aus der Situation zu machen. Stattdessen flüchtete man sich in nahezu jeder Mitteilung von Ausrede zu Ausrede. Man zeterte öffentlich gegen die Stadt, bemängelte deren fehlende Unterstützung und lieferte von verletzten Bankspielern bis weiten Anreisen eine hanebüchene Ausrede nach der nächsten für die katastrophalen sportlichen Leistungen.
Erneut stark zu kritisieren ist auch die Kommunikation mit den Fans. Angebote zum Meinungsaustausch während der Saison? Null! Erst am Ende der Saison, als diese schon längst gelaufen war, wurde ein Fan-Talk organsiert. Dieser war tatsächlich gut gemacht, hatte jedoch dermaßen belanglose Aussagen zu bieten, dass man den Abend lieber mit einer Folge „Promis unter Palmen“ hätte verbringen sollen.
Zweifelsohne sind die Fans das, was den Basketballstandort Hagen von anderen abhebt. Und gerade in einer Saison, in der diese nicht in die Halle dürfen, hätte man sämtliche Gelegenheiten nutzen müssen, diese einzubinden und so das Feuer zumindest irgendwie aufrecht zu erhalten. Dass die letzten Saisonspiele kaum noch jemanden interessierten, war angesichts der fehlenden Reaktionen im Internet kaum von der Hand zu weisen. Stattdessen machte sich die Vereinsführung gänzlich lächerlich und behauptete im Fan-Talk, die Halle „wäre derzeit in jedem Spiel ausverkauft“. Allein diese Aussage zeigt, dass der Verein scheinbar jegliches Gespür verloren hat, was die Fanbasis wirklich bewegt. Offensichtlich klafft ein riesiges Loch zwischen der Selbstwahrnehmung des Vereins und der Realität.
Problematisch ist auch nach wie vor die fehlende Selbstreflexion sowie die offenbar fehlende kritische Kontrolle seitens zuständiger Gremien. Die Tatsache, dass man sich wirtschaftlich nach eigener Aussage im unteren Drittel der Liga wiederfindet und der Etat (auch schon vor der Corona-Krise) gesunken ist, lässt zumindest hinterfragen, ob eine kritische Betrachtung seitens der Gesellschafter und des Aufsichtsrats, jedoch auch seitens der Presse mal angebracht wäre. Schließlich beschäftigt man in der Geschäftsstelle immerhin zwei Festangestellte, die ausschließlich für die wirtschaftliche Situation zuständig und verantwortlich sind. Zweifelsohne hatte unser Geschäftsführer großen Anteil daran, dass der Verein halbwegs unbeschadet aus der Insolvenz gekommen ist. Nach drei Jahren negativer Entwicklung in sämtlichen Bereichen erwarten wir jedoch auch an seiner Stelle eine selbstkritische Herangehensweise.
Die wirtschaftlich knappe Situation führte nun offensichtlich auch dazu, dass man mit Co-Trainer Alex Nolte denjenigen vor die Tür setzte, der sicherlich am wenigsten für die ganze Situation kann. Alex stand wie kein anderer im Verein für Leidenschaft, Vereinstreue und Emotionen und war nicht nur durch seine Nähe zur Fanszene DAS Aushängeschild für Identifikation im Verein. Es scheint, als hätte man in ihm das Bauernopfer für die schlechte Arbeit anderer gefunden.
Vor dem Neustart in der ProA wurde das Ziel ausgegeben, innerhalb von drei Jahren um den Aufstieg in die BBL mitzuspielem. Dieses Ziel wurde schon im vergangenen Jahr meilenwert verpasst. Ein weiteres Jahr später ist man offenkundig der ProB näher als der Rückkehr ins Oberhaus. Von Visionen oder Plänen ist schon längst nichts mehr zu hören.
Für viele von uns ist Phoenix mehr als nur ein Hobby. Mehr als nur eine Wochenendbeschäftigung. Wir stecken Leidenschaft, Geld und Herzblut in den Verein. Verbringen Stunden in Autos und Bussen, um die Mannschaft in den letzten Ecken Deutschlands spielen zu sehen. Und nicht nur wir tun das, sondern auch viele andere, die nicht in der aktiven Fanszene organisiert sind. Trotz Insolvenz und sportlicher Misere sind wir immer wieder gekommen.Doch trotz aller Treue ist irgendwann auch ein Punkt erreicht, an dem es genug ist. An dem auch bei den treusten Fans die Identifikation mit dem Verein schwindet. Daher haben wir uns als aktive Fanszene dazu entschieden, das Geld für unsere bezahlten Dauerkarten nicht dem Verein zu spenden, sondern geschlossen zurückzufordern. Wir können nur hoffen, dass die Verantwortlichen den Ernst der Lage endlich erkennen und den Jahre andauernden Abwärtstrend endlich stoppen.
Die Hoffnung stirbt zuletzt...
Tornados Hagen & Szene Hagen, April 2021