Gelsenkirchen/Paris. Khurshed Kakhorov kam 2015 als Flüchtling nach Gelsenkirchen und fing mit Mixed Martial Arts an. Jetzt steht sein bisher wichtigster Kampf an.
Die Geschichte von Khurshed Kakhorov ist fast zu kitschig, um wahr zu sein: Der 31-Jährige flüchtete 2015 aus Tadschikistan nach Gelsenkirchen und fing mit Mixed-Martial-Arts (MMA) an.
Hier lernte er Mandy Böhm kennen, mit der UFC-Kämpferin aus Gelsenkirchen ist er mittlerweile verheiratet. Und auch sportlich ging es für Kakhorov steil aufwärts.
Er steht nun vor seinem wichtigsten Kampf in der zweitgrößten MMA-Organisation der Welt, der PFL. Am Samstag (ab 17 Uhr, live auf DAZN) trifft er in Paris auf Ali Taleb aus Schweden, der Sieger kämpft um den PFL-Europe-Titel und ein Preisgeld in Höhe von 100.000 Dollar. Kurz vor der Abreise spricht Kakhorov im WAZ-Interview über seinen ungewöhnlichen Weg an die Spitze und erklärt, was Filme mit seinem Erfolg zu tun haben.
Khurshed Kakhorov: Liebe zum Kampfsport durch Filme
Herr Kakhorov, wie kam es dazu, dass Sie nach Ihrer Flucht nach Gelsenkirchen mit MMA angefangen haben?
Khurshed Kakhorov: Die Liebe zum Kampfsport hatte ich schon als Kind, vor allem durch Kampfsportfilme. Ich habe davon geträumt, so zu werden wie die im Film. Mit 14, 15 Jahren habe ich aber verstanden, dass diese Filme nicht die Realität wiedergeben. Deshalb habe ich erst mal Judo gemacht. Als ich dann nach Gelsenkirchen gekommen bin, habe ich angefangen, meinen Traum wieder zu verfolgen. Das lag auch daran, dass ich einige Kämpfe von Anderson Silva gesehen habe. Der ist UFC-Champion geworden, obwohl er nie gerungen hat. Vorher hatte mir jeder gesagt: ‚Alle MMA-Kämpfer sind erst mal Ringer und werden dann zu Kämpfern. Wenn du keine Ringer-Erfahrung hast, hast du keine Chance.‘ Daran hatte ich immer geglaubt.
Und dann haben Sie einfach angefangen zu trainieren?
Ja, als ich hier angekommen bin, durfte ich ja zuerst nicht arbeiten. Also habe ich etwas gesucht, was ich machen kann, zum Beispiel Boxen. Aber ich habe nichts gefunden. Ich konnte Gelsenkirchen ja auch nicht verlassen – ohne Ticket und ohne Geld. Deshalb habe ich erst mal zuhause trainiert, dreimal am Tag. Ich war zum Beispiel viel joggen auf der Halde Rungenberg.
Erstes Paar Boxhandschuhe vom Flohmarkt
Also haben Sie gar nicht in einer Kampfsportschule trainiert?
Erst mal nicht. Irgendwann konnte ich dann zweimal pro Woche ins Gym gehen. Ich weiß noch genau: Meine ersten Boxhandschuhe habe ich mir für zwei Euro auf dem Flohmarkt gekauft. Die Leute im Gym haben mich ausgelacht, weil die Handschuhe viel zu groß waren. Als ich da dann mit dem Training angefangen habe, haben die Leute aber direkt gesagt: ‚Aus ihm wird ein Kämpfer.‘
Aber aus der Kampfsportschule in Gelsenkirchen bis in die PFL ist es ein weiter Weg.
Ich habe sehr viel trainiert. Nachdem ich anderthalb Stunden am Sandsack war, habe ich noch Techniktraining gemacht. Wobei: Meine Technik war am Anfang komplett falsch. Ich habe mir das ja selbst beigebracht. In meinen ersten Kämpfen hat das aber geklappt, weil ich einfach umso mehr geschlagen habe und aus Winkeln, aus denen es die Leute nicht erwartet hatten. Erst als ich fürs Training nach Irland und Amerika gegangen bin, habe ich meine Technik verbessert.
Am Samstag steht nun der große Kampf gegen Ali Taleb an. Wie fühlen Sie sich gerade? Sind Sie nervös?
Nein, noch bin ich nicht nervös. Ich fühle mich gut. Die Nervosität kommt bei mir meistens erst zwei Tage vor dem Kampf, wenn es darum geht, die letzten Kilos abzunehmen. Das macht ein bisschen Druck. Ich esse auch seit Anfang der Woche keine Kohlenhydrate mehr, das macht natürlich etwas mit der Laune. Ansonsten gilt: Ich mag das Kämpfen einfach, deshalb mache ich mir keinen Druck.
Kampf in Paris: Gegner Ali Taleb nicht unterschätzen
Inwiefern hilft Ihnen auch Ihre Ehefrau Mandy Böhm?
Sie hilft mir viel, zum Beispiel bei der Diät und auch am Cage. Von außen sieht man Sachen, die einem selbst im Cage nicht so auffallen. Und auch in der Vorbereitung: Da bremst sie mich, wenn ich zu viel trainiere. Mein Kopf sagt nämlich immer, dass ich mehr machen muss – obwohl ich eigentlich weiß, dass es reicht. Mehr Training ist nämlich nicht unbedingt gut. Ich hatte oft Verletzungen vor Kämpfen, weil ich zu viel trainiert habe. Jetzt ist das anders, ich bin topfit.
Wie schätzen Sie Ihre Chancen gegen Ali Taleb ein?
Er ist physisch sehr stark, aber langsam. In der ersten Runde ist er explosiv, aber je länger der Kampf dauert, desto mehr geht seine Explosivität weg. Ich sollte also nicht vor ihm stehen bleiben, sondern immer in Bewegung sein, um ihn müde zu machen. Ich sehe mich eigentlich in vielen Dingen stärker als er: Ich bin schneller, beweglicher und präziser als er. Aber im Kampf können Sachen passieren, die nicht man nicht erwartet. Deshalb darf ich ihn nicht unterschätzen.
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Sie haben sich in den USA auf den Kampf vorbereitet, wohnen aber weiterhin in Gelsenkirchen. Was bedeutet Ihnen die Stadt?
Gelsenkirchen ist meine zweite Heimat geworden. Ich bin jetzt ja seit acht Jahren hier und dieser Stadt auch sehr dankbar. Ohne die Möglichkeiten, die ich hier bekommen habe, hätte ich das alles nicht erreicht.
Fühlen Sie sich eigentlich als Vorbild für andere Menschen?
(überlegt) Na ja, ich finde: Man kann alles schaffen, man muss nur daran glauben. Und man darf nicht nach links und rechts gucken, sondern nur nach vorne. Wenn du ein Ziel hast, ist es egal, ob du dahin krabbelst oder gehst. Du wirst ankommen.