Sprockhövel. Bei der WM in Budapest gehen die deutschen Athleten erstmals leer aus – und das hat Gründe. Das zeigt auch das Beispiel Marie-Sophie Macke.
Mit etwas Anspannung wartet Marie-Sophie Macke darauf, dass eine Benachrichtigung einflattert: Die Aufnahme in den Nationalkader für ihre neue Altersklasse, die U23. Die junge Diskuswerferin aus Haßlinghausen ist zwar gut aufgestellt, aber wie so viele andere talentierte Leichtathletinnen und Leichtathleten auf Förderung angewiesen, um effektiv Leistungen zu bringen und damit den deutschen Leichtathletikverband (DLV) stark zu präsentieren – also das, was dem DLV-Team bei den Weltmeisterschaften in Budapest nicht gelungen ist. Der Aufschrei nach dem Wettbewerb ohne eine einzige Medaille ist groß. Und stärkere Unterstützung des Nachwuchses nun ein akutes Thema.
Macke besitzt bereits seit der U16 Bundeskaderstatus, durfte sich auf hohem Niveau messen. In der U20 verpasste sie 2022 aufgrund von anhaltenden Rückenproblemen knapp die Qualifikation zur Weltmeisterschaft (im entscheidenden Wettkampf fehlten neun Zentimeter), 2023 nach zwischenzeitlich privaten Problemen die Norm für die Europameisterschaft. Mit eher negativen Gefühlen hat sie sich damit aus der Altersklasse U20 verabschiedet – selbst wenn sie sich in der Wintersaison dieses Jahres den Deutschen Titel holte. Doch sie richtet den Blick nach vorne, was sie auch muss, um weiterhin erfolgreich Leichtathletik zu betreiben. Sie arbeitet nach einer kleinen Trainingspause nun wieder hart dafür.
Schon nah dran an der deutschen Spitze
Und genau auf ihre Generation richtet sich nach der WM in Ungarn nun der Fokus. Es müssen bereits gute Bedingungen gegeben sein, um den Nachwuchs nachhaltig zu fördern und konkurrenzfähig auszubilden. Das haben verschiedene Funktionäre im Verband erkannt. Erfahrene Leichtathleten kreideten sogar an, dass dies nicht ausreichend geschehe. Die derzeit beste deutsche Diskuswerferin, Kristin Pudenz, mahnte am Rande der WM an, dass das System der Leichtathletik nicht stagnieren dürfe. Marie-Sophie Macke hat sich bereits in der U20 teilweise mit Frauen bei Wettkämpfen gemessen hat – nur nicht mit den Top-Athletinnen. Doch das Potenzial ist unverkennbar. Und gerade in den Wurfdisziplinen hat die deutsche Auswahl bei der U20-EM sowie beim Europäischen Olympischen Sommer-Jugendfestival (U18) sehr stark abgeschnitten.
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Gute Nachwuchsarbeit beginnt laut Leonid Ekimov, dem Haupttrainer von Marie-Sophie Macke, aber schon vorher. „Man muss Talente viel früher fördern und nicht erst, wenn sie in einem Kader sind und Medaillen geholt haben. Schon in der U16 muss man schauen, welche Perspektiven sich ergeben können“, sagt er, der beim Fußball- und Leichtathletikverband Westfalen (FLVW) angestellt ist. Nur wenige Trainer haben eine feste Anstellung. Ekimov arbeitet am Olympiastützpunkt (OSP) in Wattenscheid, zudem in Dortmund, wo Macke auf nationaler Ebene für die LG Olympia startet. Ekimov sagt: „Wir brauchen qualifizierte Trainer, die hauptberuflich tätig sein und attraktiv bezahlt werden können. Sie müssen Zeit haben und ihre Leidenschaft voll einbringen.“ Sonst gelinge der gezielte Feinschliff an der sportlichen Leistung nicht.
Er selbst betreut eigentlich mehr Athleten als üblich, zur seiner Elitegruppe gehört Macke. Der für die U-Bundeskader verantwortliche Trainer der Diskuswerferinnen, Markus Münch, arbeitet in Potsdam und sieht die besten Athletinnen ab und zu bei Wettkämpfen, bei Lehrgängen oder Trainingslagern. Mackes Trainer steht hauptsächlich mit dem Bundestrainer in Kontakt, der die Sprockhövelerin bei internationalen Vergleichen betreuen würde – weil die Vereinstrainer nicht mal eben mitreisen können. Stichwort Trainingslager: Das kann sich gar nicht jeder leisten, der nicht im Kader ist. Und selbst die Fördergelder im Kader sind stark begrenzt.
Es fehlt auch an Geld
Viel muss also privat geschultert werden. „In Amerika gibt es Colleges, die einzeln viel Budget haben. Das ist hierzulande beim DLV gar nicht möglich. Für die Sportförderung durch Bundeswehr und Bundespolizei müssen sich außerdem selbst diejenigen erst bewerben, die in der Leichtathletik internationale Erfolge erreicht haben. Und sie werden teilweise gar nicht genommen“, weiß Ekimov. Bei einem 40-Stunden-Job, eventuell noch Familie neben dem Sport, fehlt die Zeit, sich ausgiebig auf den Leistungssport zu konzentrieren und das hohe Niveau zu erreichen oder zu halten. Es komme darauf an, direkt nach der Schulzeit Möglichkeiten anzubieten.
Die Trainingsmöglichkeiten an sich betrachtet der Ex-Kugelstoßer als gut, gerade am OSP hätten Talente viele Möglichkeiten mit einem Trainerteam, so wie es Macke hat. „Mit mehr Geld ist es natürlich noch einfacher, schneller gute Trainingsmaterialien anzuschaffen. Denn nicht jeder Verein vor Ort kann unterstützen.“ Der TV Wattenscheid macht das am OSP Bochum. Für ihn startete Macke auch mal ganz kurze Zeit, als sie auf dem Weg nach oben war. Nun hofft sie, es zu bleiben.