Sprockhövel. Die Vorbereitungen dauern länger, als die Wettkämpfe von Sophie Bleibtreu selbst. Unser Redakteur hat es selbst ausprobiert und vieles gelernt.
Die Konzentration liegt auf der Geraden, die sie einen Moment später entlangrasen wird. Sie ist fokussiert, schon bevor es in den Block geht. Dann muss alles passen, der Startschuss folgt und ab geht‘s. Und nach einigen Sekunden ist schon alles erledigt. Sprinterin Sophie Bleibtreu aus Sprockhövel-Haßlinghausen ist nur kurz gefordert, doch dafür muss im Vorfeld und anschließend viel Zeit investiert werden. Das hat sie uns vor Ort auf dem Sportplatz am Landringhauser Weg erklärt.
Die erste Vorbereitung
Die Tasche ist abgestellt, die Laufschuhe schon an und es geht eine Runde um den Sportplatz, damit der Körper einmal von Grund auf vorbereitet ist. Da es bei Sprintern wie Sophie Bleibtreu, die sich auf 100 und 200 Meter spezialisiert haben, auf die Kurzzeitausdauer ankommt, müssen nicht viele Runden gedreht werden. Viel wichtiger sind danach ein paar dynamische Dehnungen, für die beanspruchten Muskelpartien der Beine.
Bleibtreu spult dabei intuitiv ihr Programm ab. Ich mache einfach mit und merke, welcher Muskel jeweils angesprochen wird. Zusammengefasst die Vorder- und Rückseite des Oberschenkels, die Wade und die seitliche Beinmuskulatur. Aber auch Teile der Rücken- und Bauchmuskeln. „Es soll dabei nicht ziehen, sondern der Muskel wirklich nur angedehnt werden“, erklärt die Sprinterin. Sonst würde er zu sehr in die Länge gezogen, was für den Antritt später schlimmstenfalls fatale Folgen haben könnte.
Gezielte Übungen auf der Bahn
Das typische Lauf-ABC wird danach nicht drangehängt, eher spezifische und genau zugeschnittene Bewegungen zum Aufwärmen. Immer nur bis zu zehn Meter lang über den Tartanuntergrund, um die Muskeln nicht zu sehr zu strapazieren – aber weiter vorzubereiten. Es geht unter anderem mit kleinen Schritten vorwärts, dabei beugt sich der Oberkörper nach vorne und die Hände bewegen sich in Richtung Fuß. „Die Übung zielt auf den Beinbeuger, der beim Sprint Hauptakteur ist“, erklärt die 21-Jährige Bleibtreu. Es sind schnelle, dynamische Bewegungen. Einmal wird ähnlich wie beim Kniehublauf das Bein in der Luft nochmal verstärkt in Richtung Oberkörper gezogen.
Am Sonntag steht Sophie Bleibtreu in Köln im Block
An diesem Wochenende startet die Sprockhövelerin Sophie Bleibtreu in Köln. Beim Generationen Mix des TuS Köln stehen die 100 Meter auf dem Plan. Sie hat auf dieser Strecke bereits die Norm für die Deutschen U23-Meisterschaften unterboten, möchte aber noch eine weitere Option wahrnehmen, um richtig in den Rhythmus zu kommen und ihre guten Trainingszeiten beim Wettkampf zu bestätigen.
Auch die junge Ennepetalerin Liv Stör, die zum Jahreswechsel von GW Ennepetal zum TSV Bayer Leverkusen gewechselt ist, startet in der Domstadt. Die auf Hochsprung spezialisierte Sportlerin tritt in der U18 über 200 Meter an. Mit Elisa und Thalia Rabe sind parallel zwei Athletinnen der RE Schwelm bei den Westfälischen Meisterschaften in Recklinghausen in der W14 gemeldet (80 Meter Hürden, Hochsprung).
Aber auch die Fußgelenke müssen hinsichtlich der Stabilität und fließenden Bewegung im Sprint vorbereitet werden. Das geht mit schnellen Bewegungen nach unten auf den Boden, bei dem die Fußspitzen leicht nach oben zeigend aufsetzten und im Schersprung, sowie mit kleinen Sprüngen und dem Mitziehen der Arme. Es darf ruhig auch kurzzeitig an die Grenzen gehen, statt die Übungen nur locker durchzuführen. Sophie Bleibtreu sagt dazu: „Beim Sprint gibt man 100 Prozent, alles wird auf die Bahn gebracht. Wenn man die Übungen nicht hintereinander macht, werden die Muskeln nicht richtig belastet und gleichzeitig ist die Konzentration weg.“
Die Spikes und das Einstellen des Startblocks
Erst vor dem Sprint werden die Spikes angezogen. Worauf muss dabei geachtet werden? „Es ist quasi unser Arbeitswerkzeug, sie müssen gut sitzen, die Nägel müssen fest sein und zur Not nachgezogen werden. Da wir auf dem Ballen aufsetzen und die Ferse gar nicht beanspruchen, darf der Fuß im Schuh nicht nach hinten rutschen. So hat man die Kraft, mithilfe der Nägel wirklich nach vorne zu kommen“, so Bleibtreu. Ich ziehe meine Nägel daher lieber noch einmal fest und höre auch nichts klimpern, was zur Überprüfung dient.
Beim Startblock sagt man generell: der Abstand zum Block des Stoßbeins sind von der Startlinie aus gemessen zwei Schritte, zum dem des Schwungbeins drei. Bleibtreu hat für sich im Laufe der Zeit durch Trainingsanalyse die präzisen Werte von 50 Zentimetern (Stoßbein) und 89 Zentimetern (Schwungbein) herausgefunden. Der vordere Block ist dabei flacher eingestellt als der hintere, um den optimalen Druck beim Start zu bekommen. „Der Körper darf keine Möglichkeit haben, aus der verharrenden Position zu kippen, um den Startblock für den Druck überhaupt nutzen zu können“, erklärt sie. Ab 30 Metern nach dem Startschuss sollte man dann aus der Beschleunigungsphase den Körper aufrichten.
Der eigentliche Sprint
Wenn es zum Lauf geht, ist mentale Kraft gefragt. Bleibtreu ist vor allem beim Vorlauf aufgeregt. „Wenn der nicht gut ist, hat man vielleicht keine Chance mehr, im Zwischenlauf oder Finale anzutreten. Das ist mir sehr bewusst. Bei den folgenden Läufen wird sie auch nochmal kurz nervös, bevor es losgeht oder ihr Name aufgerufen wird. Das kann auch positiv sein und einen Schub geben. „Ich bin häufig sehr verkopft, man muss die Aufregung dann ins Positive umschlagen.“
Wenn es mehrere Läufe sind, ist Bleibtreu natürlich nicht nur einmal gefordert. „Die Kunst liegt darin, zwischen den Starts einfach die Ruhe zu bewahren. Nervosität gehört weiter dazu. Sie ist auch wichtig. Wenn man am Start denkt: ‚Ich mache das jetzt mal eben‘, dann fehlt etwas und auch das Adrenalin, was man braucht“, klärt die Athletin auf.
Die Verpflegung zwischendurch
Natürlich trinkt Sophie Bleibtreu immer mal einen Schluck aus ihrer Flasche, vor und nach dem Aufwärmen und natürlich nach einem Lauf, um den Körper mit ausreichend Wasser zu versorgen. Steht ein langer Wettkampftag an, mit Vorläufen der Einzelstarts direkt am Vormittag und zum Abschluss des Programms Staffelläufe, muss die Athletin zwischendurch auch etwas essen. „Es ist eher leichtes Essen, ob Salzstangen oder ein kleiner Nudel-Mozzarella-Salat. Es soll sättigen, ohne dass ich ein totales Völlegefühl habe“, erzählt sie. Interessant: Kurz vor einem Lauf kann ein Schluck Cola oder Energydrink nur für reines Durchspülen im Mund helfen, dem Körper kurzfristig Zucker für die wenigen Sekunden Belastung bereit zu stellen.
Die Cool-Down-Phase
Nach dem Lauf werden die Joggingschuhe noch einmal hervorgeholt und lockeres Joggen ist angesagt, um den Körper wieder nach und nach herunterzufahren. Auch ausgehen am Ende gehört noch zu der Phase, bevor es noch mal in die Dehnung geht. „Ich breite meine Muskeln auch noch mal mit Black Roles nach“, so die Sprockhövelerin, ehe die verdiente und wirkliche Ruhephase folgt.