Ennepetal. Von „verbrannter Ausländer“ bis Hitler-Anspielung: So erlebt Abdulah El Youbari, der Kapitän des TuS Ennepetal, Rassismus auf Sportplätzen.

Sommer, Sonne, beste Stimmung. Nach einer erfolgreichen Saison macht sich Abdulah El Youbari mit seinen Teamkollegen vom TuS Ennepetal im Juni des vergangenen Jahres auf zur Mannschaftsfahrt nach Mallorca. Am ersten Abend der geselligen Fahrt treibt es die Mannschaft auf die berühmte Partymeile. Bevor es in die Disco geht, wollen die Jungs von Trainer Alexander Thamm aber noch etwas essen. Am „Grillkönig“, direkt neben der bekannten Disco „Bierkönig“ kommt es dann aber zu einem Zwischenfall, den El Youbari und seine Teamkollegen bis heute nicht vergessen haben.

„Ich habe mich an einen Tisch gesetzt, an dem ein älterer, braun gebrannter, Mann saß. Ich hätte ihn auf etwa Mitte 50 geschätzt. Als ich mich gerade hinsetzen wollte, sagte er mir wörtlich: ‘Hier brauchst du dich gar nicht hinsetzen, du verbrannter Ausländer’“, schildert El Youbari die Situation.

Nettersheim greift entschlossen ein

Sein Mannschaftskollege Nils Nettersheim griff sofort ein und fragte den Mann, was das denn solle. „Das war schon beeindruckend, wie Nils da ohne zu zögern eingeschritten ist“, erklärt der Kapitän des TuS Ennepetal mit marokkanischen Wurzeln. Angesprochen auf die aktuelle Rassismus-Debatte um den Tod des US-Amerikaners George Floyd ist es das erste Erlebnis, das El Youbari einfällt, wenn er an seine persönlichen Erfahrungen mit Rassismus und Fremdenfeindlichkeit angesprochen wird.

Abdulah El Youbari- In Lüdenscheid geboren

Abdulah El Youbari wurde in Lüdenscheid geboren und lebt seit mittlerweile 33 Jahren in seiner Geburtsstadt.

Nach der mittleren Reife machte der Kapitän des TuS Ennepetal eine Ausbildung zum Werkzeug-Mechatroniker und bildete sich später zum Techniker fort.

Mittlerweile arbeitet er in einer Lüdenscheider Stahl-Verarbeitungs-Firma als Mechatroniker.

Der Kapitän des TuS Ennepetal wird auch in der kommenden Saison in der Klutertstadt auf Torejagd gehen. Die Spielzeit 2020/2021 wird für den Flügelspieler die elfte Saison im Bremenstadion.

Leider ist es jedoch nicht die Einzige. „Auch auf dem Fußballplatz passiert es immer mal wieder, dass man rassistisch beleidigt wird. Zwar nicht oft, aber bestimmt so zwei oder drei Mal in der Saison“, erklärt der langjährige Spieler des Oberligisten. Meist kommen die menschenverachtenden Äußerungen jedoch nicht von Gegenspielern, sondern von den Zuschauerrängen: „Ich bin halt ein Spieler, der viel über seine Schnelligkeit kommt und daher auch öfter gefoult wird. Von den Zuschauer-Rängen kommen dann oft so Sprüche wie: ‘Geh doch zurück in deine Heimat, da wird das auf jeden Fall gepfiffen’ oder ‘In deiner Heimat ist es ja üblich, dass man sich fallen lässt.’“

Atsina wird als ‘Affe’ beleidigt

Darüber hinaus lässt auch eine Erfahrung bei einem Auswärtsspiel bei der SpVg Erkenschwick vor etwa drei Jahren den TuS-Kapitän bis heute nicht kalt. „Man muss sich vorstellen, dass Ennepetal gegen Erkenschwick schon immer ein Prestige-Duell war und immer harte Zweikämpfe geführt wurden. Wir hatten damals einen dunkelhäutigen Mannschaftskollegen, Charles Atsina. Als er eingewechselt wurde, haben die Zuschauer ihn sofort auf heftigste Art und Weise rassistisch beleidigt, haben ‘Ebola, Ebola’ gerufen und ihn als ‘Affen’ betitelt. Einer hat auch etwas in die Richtung gesagt wie: ‘Beim Führer hätte es sowas nicht gegeben.’ Da war ich einfach nur noch sprachlos“, erinnert sich der TuS-Kapitän.

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„Als wir die Spieler und Trainer von Erkenschwick darauf angesprochen haben, haben die nur gesagt, dass sie ja nichts dafür könnten, was die Zuschauer sagen. Da hat man sich einfach nur hilflos gefühlt“, denkt El Youbari an seine damaligen Gefühle zurück.

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Mit sonstigen Beleidigungen, so erklärt es der Ennepetaler Kapitän, hätte er jedoch keine großen Probleme. „Das geht ins eine Ohr rein und aus dem Anderen wieder raus.“ Es sind die rassistischen Beleidigungen, die El Youbari nachdenklich machen. „Da muss ich ehrlich sagen, dass mich das beschäftigt. Das geht mir sehr nahe“, erklärt der 33-Jährige.

Die Frage, die sich El Youbari in den vielen Jahren seiner Laufbahn im gehobenen Amateur-Fußball immer wieder stellte, ist nur: Wie geht man mit Beleidigungen dieser Art um? „Ich habe ja jetzt auch schon ein gewisses Alter. Vor ein paar Jahren hätte ich auf so etwas vielleicht auch noch anders reagiert und hätte mich darüber geärgert. Jetzt bin ich aber auch schon 33 und habe als Kapitän einer Verantwortung gegenüber meiner Mannschaft. Daher versuche ich das, in dem Moment einfach auszublenden und mit jüngeren Spielern, denen so etwas passiert, darüber zu sprechen“, sagt er.

In Deutschland geboren

Was El Youbari am meisten brüskiert, wenn er rassistisch beleidigt wird, ist vor allem die Tatsache, „dass die Leute überhaupt nicht wissen, dass ich in Deutschland geboren bin, hier zur Schule gegangen bin, meine Freunde und Bekannten hier habe und ich Deutschland als meine Heimat ansehe. Wahrscheinlich spreche ich besser Deutsch als Mancher, der mich da in der Vergangenheit schon beleidigt hat“, ärgert er sich.

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In Folge der zahlreichen Erfahrungen, die El Youbari auf und neben dem Fußballplatz mit Rassismus machen musste, überlegte sich der Kapitän auch eine Lösung, wie es in Zukunft zu weniger rassistischen Vorfällen im Amateurbereich kommen könnte: „Der Schiedsrichter muss die Möglichkeit haben, die Leute vom Sportplatz zu verweisen, die sich als Rassisten äußern. So überlegen sich Diejenigen dann zweimal, ob sie das jetzt wirklich sagen oder nicht“, erklärt TuS-Akteur, der im zehnten Jahr das Ennepetaler Trikot trägt.

Hoffnung auf Solidarität

Mit dieser Möglichkeit hofft El Youbari auch auf die Solidarität aller anderen Zuschauer. „Wenn der Schiedsrichter nicht ausmachen kann, wer genau etwas gesagt hat, können immer noch die umstehenden Leute sagen: ‘Der war das.’ Ich glaube fest daran, dass die große Mehrheit keine Lust auf Rassisten hat und diese Leute auch nicht neben sich im Stadion stehen haben möchte“, so El Youbari.

Insgesamt hofft der Offensiv-Akteur der Klutertstädter in naher Zukunft darauf, dass rassistische Äußerungen vom Sportplatz gänzlich verschwinden. „Es gibt Leute, bei denen kriegt man diese Denkweise nicht mehr raus. Das haben die von Kindesbeinen an im Kopf. Es gibt aber auch junge Menschen, denen man sagen kann: Wir haben alle rotes Blut und sind alle Menschen, auch wenn wir vielleicht verschieden aussehen. An diese Leute appelliere ich: Lasst es bitte sein. Rassismus macht keinen Sinn und es ist verletzend, auf diese Art beleidigt zu werden.“