Kitzbühel. Andreas Sander, Skifahrer aus Ennepetal, spricht vor der gefährlichsten Abfahrt des Winters über die Streif, seine Comeback-Saison und ein Tabu.
Die Beschreibungen für diese Strecke klingen brutal. „Die Streif, das sind 3312 Meter in Schnee und Eis gehauener Irrsinn“, heißt es, oder: „Das ist eine Piste als Frontalangriff auf die Gesundheit, ein gnadenloser Henker für Karrieren.“ Ein Henker allerdings, der bei blauem Himmel und Sonnenschein die Herzen aller Skisportler nur so dahinschmelzen lässt. An diesem Samstag (11.30 Uhr/ARD und Eurosport) kehrt Andreas Sander, Speedspezialist der SG Ennepetal, beim Weltcup der alpinen Skifahrer zurück auf die Streif.
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Im vergangenen Jahr verpasste der 30-Jährige den Abfahrtsklassiker in Kitzbühel, weil er sich kurz zuvor das Kreuzband gerissen hatte. Vor dem Rennen spricht Sander, beim Super G am Freitag als Achter bester Deutscher, unter anderem über seine bisherige Comeback-Saison und wie er als Familienvater die Streif sieht.
Herr Sander, die Streif wartet: Ist Ihr Respekt vor dieser legendären wie höchst gefährlichen Abfahrt, vielleicht auch nur unterbewusst, nach der Verletzung größer als zuvor?
Andreas Sander: Der Respekt ist nicht größer. Ich fühle mich echt gut, die Verletzung habe ich eigentlich ausgeschaltet. Vielleicht war sie in Bormio noch im Hinterkopf, weil ich mich dort verletzt habe. Aber ich bin bereit für Kitzbühel und die Streif, das zeigen ja auch die Trainingsergebnisse und der Super G. Ich habe den Respekt, den man in Kitzbühel haben muss – nicht mehr und nicht weniger.
Ich habe in der vergangenen Woche zufällig die Dokumentation „Streif – One Hell of a Ride“ gesehen. Können Sie sich – als Betroffener – so einen Film gut anschauen? „Die Streif hat mich leben gelassen“ ist ja nur ein markantes Zitat, von den vielen Sturz-Szenen ganz zu schweigen.
Bislang habe ich den Film zweimal gesehen. Ich schaue ihn mir sogar ganz gerne an – nur kurz vor Kitzbühel natürlich nicht. Es sind ja tatsächlich nicht nur positive Szenen drin, das wäre zu hart. Also: Generell kann man sich den Film schon gut anschauen, aber ab zwei Wochen vor Kitzbühel ist er für mich Tabu. (lächelt)
Sie starten zum ersten Mal als Vater eines kleinen Sohnes in Kitzbühel. Merken Sie, dass sich deshalb Ihre Einstellung zur Streif und der Mut zum Risiko auf dieser Piste verändert haben?
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Meine Einstellung hat sich nicht verändert. Ich bin vielleicht sogar ein bisschen abgeklärter geworden und weiß genau, was ich brauche. Ich fühle mich gut. Ich weiß nicht, ob ich es hier schon zeigen kann, aber in dieser Saison werde ich sicher noch zeigen können, dass ich in der Lage bin, während meiner Comeback-Saison gute Ergebnisse zu erzielen. Ich muss einfach geduldig bleiben.
Wie zufrieden sind Sie bislang mit Ihrer Comeback-Saison?
Ich bin natürlich noch nicht so zufrieden. Ich teile das immer gerne in zwei Hälften auf. Im Super G läuft es ganz gut, zwar auch noch nicht super, aber es passt in den Rennen. Das sind Leistungen, die man in einer Comeback-Saison bringen kann. Luft nach oben ist auf jeden Fall noch – das spüre ich selbst. In der Abfahrt läuft es gerade in den Rennen überhaupt nicht. Im Training klappt es manchmal ganz gut, aber irgendwie schaffe ich es noch nicht, einen Gang zuzulegen.
Warum schaffen Sie das nicht?
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(lächelt) Das weiß ich auch nicht. Dass es mit der Verletzung zu tun hat, glaube ich nicht. Ich fühle mich nicht so. In Kitzbühel habe ich auch zwei gute Trainings absolviert. Jetzt muss ich es im Rennen schaffen, einen drauf zu legen, weil die anderen das auch tun werden. Es wird schwierig. Noch bin ich mit der Abfahrt nicht so zufrieden – aber ich denke, dass ich ab Kitzbühel ein deutliches, positives Zeichen setzen kann.
Fällt es Ihnen schwer, bei Ergebnissen wie Rang 30 in Wengen zu sagen: Okay, ich hatte eben einen Kreuzbandriss und es dauert alles seine Zeit?
Mit Rang 30 in Wengen bin ich natürlich nicht zufrieden gewesen. Ich sehe aber auch, dass es skifahrerisch okay ist, nicht gut, aber okay. Vor allem an der Körperspannung muss ich arbeiten. Aber, wie gesagt, ich bin mir sicher, dass es kommt. Die Frage ist nur: Wann? Ich hoffe ab Samstag. (grinst)
Werden Sie manchmal neidisch, wenn Sie sehen, dass Ihre Kollegen, die eine ähnliche Verletzung hatten, schneller wieder zu Top-Ergebnissen kommen?
Die Kollegen legen gut vor. Besonders der Thomas (Dreßen, Anm.d.Red.) mit dem dritten Platz bei der Lauberhornabfahrt – das war ein megastarkes Comeback. Er ist allerdings auch von einem anderen Stand in die Verletzung gegangen und war dadurch schon eine Stufe besser, das muss man so sagen. Ich habe sicher noch einen weiteren Weg vor mir. Neidisch bin ich deshalb nicht. Klar will man gerne irgendwie nachlegen, aber Hut ab vor dieser Comeback-Saison von Thomas.
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