Schwelm. Im Herbst 2023 wird Marco Di Maggio in einem Kreisliga-Spiel ins Gesicht geschlagen. Heute pfeift er immer noch, Lehren hat er trotzdem daraus gezogen.

So tapfer wie Marco Di Maggio wären wohl nur wenigsten, wenn sie in seiner Haut stecken würden. Wenn der Schiedsrichter über das spricht, was er vor über einem Jahr Schlimmes erlebt hat, wirkt er im Grunde ganz entspannt. Fast schon so, als hätte nicht selber einen Faustschlag mitten ins Gesicht bekommen, sondern jemand anders. Oder als würde er bei Kaffee und Kuchen bei Oma über den letzten „Tatort“ sprechen. Nichts besonders eben. Groß beeindruckt hat ihn der Vorfall, als ihn ein Spieler aus dem Nichts niederstreckte, in seinem Schiedsrichterdasein nämlich nicht, betont er immer wieder.

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Kurzer Rückblick: Eigentlich wollte Di Maggio vor einem Jahr im Oktober ganz normal die Fußball-A-Liga-Partie zwischen BW Voerde II und dem TuS Hasslinghausen pfeifen. Nichts deutete darauf hin, dass es anders enden würde als sonst. Doch nach einer guten Stunde brannten dem Voerder Keeper Fabian Voß plötzlich die Sicherungen durch. Nach einer mutmaßlichen Notbremse im eigenen Strafraum zeigt Maggio dem Keeper glatt Rot – und kassiert von diesem dann einen Fausthieb. Mitten ins Gesicht. In der ganzen Fußballszene geistern dann mehrere hochauflösende Fotos von Handy zu Handy, die den Schlag alle paar Millisekunden ablichten. Das Spiel bricht Di Maggio sofort ab.

Eine Pause war Di Maggio nie ein Thema

Für viele Schiedsrichter, die es schon ohne solche Vorfälle nicht einfach haben, wäre das das letzte Spiel gewesen. Nicht aber für Di Maggio: „Ich bin immer noch begeisterter Schiedsrichter“, betont er voller stolz. Er nahm sich nur zwei Monate Pause. Allerdings nicht mal nur wegen des Schlages, wie er sagt. Eine Pause – die wollte er so oder so einlegen.

„ Ich habe das verarbeitet. Die meisten anderen Situationen sind ja auch überwiegend positiv.“

Marco Di Maggio, Fußball-Schiedsrichter

Das ist nicht nur Tapferkeit, sondern wohl auch ein gutes Stück Resilienz. Groß beeindruckt hat ihn der Angriff nicht, sagt er. Immer wieder wird es deutlich, wenn dazu Fragen kommen. Kommen manchmal Erinnerungen bei dir hoch, wenn du wieder auf dem Platz stehst? Gibt es nicht Momente, die ihn triggern? Auf solche Fragen antwortet er nach einer kurzen Gedenkpause dann prägnant mit einem einfachen „Nein“. Mehr Worte braucht er eigentlich nicht, um in sein Innenleben blicken zu lassen.

Manche Situation erinnern Di Maggio an den Faustschlag

Doch dann, wenn er noch ein wenig länger nachdenkt, fällt ihm doch noch etwas mehr. Und das ist gar nicht Mal lange her, knapp drei Wochen nur. In einem B-Liga-Spiel zwischen dem TuS Esborn und dem FC Gevelsberg-Vogelsang II wird es nach nur vier Minuten plötzlich unsportlich. Einer schlägt seinen Gegenspieler mit dem Ellenbogen in den Bauch. Di Maggio überlegt nicht lange – und zückt sofort glatt Rot. Der betroffene Spieler war damit aber so gar nicht einverstanden. „Er hat sich lautstark beschwert und kam mir entgegen“, erzählt der Schiri. Da habe er kurz an die Situation mit dem Faustschlag gedacht, gibt er zu.

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Das war aber wahrscheinlich keine Angst, sondern vermutlich eher eine Sache, die er aus dem Vorfall mitgenommen hat. Viel verändert habe sich nicht, schiebt er vorweg. „Vielleicht nur, dass ich genauer hingucke, wie ein Spieler mir gegenüber ist und dass ich vielleicht früher einen Schritt zurückgehe“, sagt er. Mehr Dinge fallen ihm nicht ein, die er für sich aus dem Angriff auf ihn gelernt hat.

Dass nicht jeder so einen Vorfall wegstecken könnte, ist er sich bewusst. „Ich kann mir gut vorstellen, dass es dem einen oder anderen zu Bedenken gegeben hätte. Manchen hätten vielleicht sogar auch aufgehört. Ich habe das verarbeitet. Die meisten anderen Situationen sind ja auch überwiegend positiv“, sagt er.

Neuer Anwärterlehrgang

Der Fußballkreis Hagen/Ennepe-Ruhr ist weiterhin auf der Suche nach neuen Schiedsrichtern. Wie in jedem Jahr veranstaltet der Fußballkreis deswegen wieder einen Anwärterlehrgang.

Der Lehrgang wird in einer Woche abgehandelt. Start ist am 16. Januar mit einem Onlinekurs, ehe es am 18. und 19. Januar (jeweils 10 Uhr bis 17 Uhr) im Vereinsheim des TuS Hasslinghausen am Landringhauser Weg mit einem Präsenztermin weitergeht.

Die Prüfung findet dann am 21. Januar ebenfalls am Landringhauser Weg statt. Anmeldungen sind bis zum 9. Januar via DFBnet möglich.

Oft ist das Verhalten am Spielfeldrand respektlos

Hat er nicht trotzdem direkt nach dem Faustschlag mal ans Aufhören gedacht? „Es kann sein, dass der Gedanke mal ganz kurz da war“, sagt er. Aber nicht unbedingt nur wegen der Tätlichkeit, sondern seine erste Ansetzung danach ließ ihn zweifeln. Die hatte er knapp zwei Monate später bei einem Frauen-Hallenturnier. Da hätten sich die Trainer am Seitenrand nicht gerade respektvoll benommen. Eigentlich – so ist das ja die bittere und traurige Realität – sind pöbelnde Trainer nichts Ungewöhnliches. „Da habe ich echt überlegt. Weil es immer wieder dasselbe ist und ob ich mir das weiter antun soll“, sagt der Unparteiische. Aber als er wenig später ein Jugendspiel pfiff, hat ihm das nochmal Auftrieb gegeben. Und seitdem pfeift er wieder regelmäßig.

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Seit dem Sommer gibt es für ihn und seine Schiedsrichterkollegen neue regeltechnische Instrumente, die auch die Schiedsrichter schützen. Das eine ist die Kapitänsregelung. „Ich habe schon das Gefühl, dass die Spieler zurückhaltender sind. Gerade in den ersten Spielen“, begrüßt Di Maggio das. Das andere ist die Stopp-Regel. Wenn die Partie hochkocht, können Unparteiische ein Spiel unterbrechen und die Teams in die eigenen Strafräume schicken. Im Mittelkreis spricht der Schiri dann mit den Teamverantwortlichen, wie es weitergehen soll.

Di Maggio wendet Stoppregel in der A-Liga an

Di Maggio ist im Kreis der erste Schiri, der diese Regel angewendet hat. Im September unterbrach er nach 70 Minuten das A-Liga-Spiel TuS Hasslinghausen gegen die SpVg. Linderhausen. Dabei war die Begegnung eigentlich gar nicht hitzig, sondern vielmehr ging es um einen Zwischenruf eines Zuschauers, der daraufhin von der Anlage entfernt worden ist.

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Der Spieler jedenfalls, der ihn vor über einem Jahr geschlagen hatte, bereut seine Aktion bis heute zutiefst. „Ich bin entsetzt von mir selber. Ich habe das im selben Augenblick schon bereut. Mir tut das leid und ich verstehe, dass alle von mir enttäuscht sind. Das war ein Blackout. Ich verurteile mein eigenes Verhalten aufs Schärfste und es gibt keine Entschuldigung dafür“, sagte er direkt nach dem besagten Spiel dieser Redaktion. Er wollte sich auch gerne persönlich bei seinem Opfer entschuldigen. Dieser wiegelte jedoch ab. „Ich habe keinen Bedarf gesehen“, sagt er. Der Voerde Keeper ist seitdem und noch für viele Jahre gesperrt – für Di Maggio geht das Schiedsrichterleben dagegen ganz normal weiter.

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