Schmallenberg. Rad-Profi Gino Mäder stürzt bei der Tour de Suisse in eine Schlucht und stirbt. Profi-Fahrer aus Schmallenberg erklärt das Risiko von Abfahrten.
Diese Nachricht hat weltweit für große Bestürzung in der Radsport-Szene gesorgt: Profi Gino Mäder aus der Schweiz verunglückte vor wenigen Tagen auf der Königsetappe der Tour de Suisse auf der Abfahrt vom Albula-Pass zum Zielort La Punt auf den letzten Kilometern der fünften Etappe schwer. In einer langen Linkskurve kam Mäder von der Straße ab und stürzte mit hohem Tempo in eine Schlucht. Der 26-Jährige musste reanimiert werden, verstarb jedoch einen Tag später im Krankenhaus.
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Als heimischer Profi-Fahrer des Rennstalls Saris Rouvy Sauerland Team kennt Lennart Voege die Gefahr von Abfahrten. Erst kürzlich jagte der 23-Jährige mit dem Feld bei der Aziz-Shuscha-Tour in Aserbaidschan noch Abfahrten mit mehr als 100 Stundenkilometer hinunter. Der Nordenauer erklärt, warum das Risiko immer mitfährt, und wie man sich als Abfahrer idealerweise verhalten sollte.
Lennart Voege, wie haben Sie das schlimme Unglück und den Tod Gino Mäders aufgenommen?
Lennart Voege: Zuerst war ich natürlich geschockt. Die erste Nachricht war ja, dass Gino reanimiert wurde, was schon mehr als schlimm ist, diese Nachricht von einem Radrennen zu hören. Natürlich hofft man dann immer noch, dass alles so gut wie möglich für ihn ausgeht. Später wurde dann klar, dass er den Unfall nicht überlebt hat – das konnte ich erst mal nicht glauben, gerade, weil er nicht viel älter als ich war. Mein Schweizer Teamkollege (Dominik Weiss, Anmerkung der Redaktion) erzählte das eine oder andere Mal von ihm und fuhr auch ein paar Rennen mit ihm. Ich bin selbst nicht mit ihm zusammen Rennen gefahren.
Wie schätzen Sie die Gefahren von Abfahrten im Profi-Radsport ein? Diese sind ja für alle Fahrer gegeben, egal, ob Mitglied eines World-Tour-, Pro- oder Kontinental-Teams...
Man will immer so schnell wie möglich sein, und in der Abfahrt kann man nun mal durch Fahrtechnik und Risiko das aufholen oder ausbauen, was man Berg hoch verloren beziehungsweise gewonnen hat. Die Gefahren sind immer da. Eine Strecke über 170 Kilometer komplett abzuzäunen oder abzupolstern, ist meiner Meinung nach nicht möglich. Unser Sport lebt davon, dass wir uns an die örtlichen Begebenheiten anpassen, und da kann es eben nicht immer nur geradeaus gehen, Hindernisse sind immer im Weg. Manche Abfahrten oder gefährliche Sprintankünfte müssen wirklich nicht sein, das hat man nun schon öfter gesehen, da müssen die Rennveranstalter reagieren.
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Was muss man als Fahrer vor allem beachten, wenn man im Rennen oder Training im hohen Tempo eine Abfahrt hinunterfährt?
Das Wichtigste ist, dass man absolut bei der Sache ist, auch, wenn der Puls nach einem Anstieg an die 200 Schläge kratzt. Es gibt so viel Faktoren, die man beachten muss in einer Abfahrt beim Rennen: Was machen die anderen 150 Fahrer um einen herum, insbesondere der Vordermann, dem man ja nur wenige Zentimeter am Hinterrad hängt, um Windschatten zu bekommen? Wie ist der Asphalt? Wie sind die Kurvenfolgen? Gibt es Verkehrsinseln oder Verkehrsberuhigungselemente? Was machen die Begleitfahrzeuge? Das alles muss man bei Geschwindigkeiten bis zu 100 Stundenkilometern sehr schnell entscheiden. Im Training ist das nicht ganz so schlimm, da setzen viele dieser Faktoren nicht ein. Ich versuche aber trotzdem, im Training ans Limit zu gehen, um die Technik zu trainieren – ich will schließlich im Rennen nicht abgehängt werden.
Haben Sie sich selbst in Abfahrten schon verletzt? Gibt es Abfahrten, die Ihnen großen Respekt einflößen?
Beim Rennradfahren bin ich zum Glück beim Bergabfahren noch nie gestürzt, beim Mountainbiken schon – die Verletzungen blieben aber immer klein, sodass ich weiterfahren konnte. Als Profi-Fahrer darf man sich vor Abfahrten keineswegs fürchten, daran darf man keine Gedanken verschwenden. Der nötige Respekt fährt immer mit, jeder von uns weiß schließlich, wo die Grenzen sind. Irgendwann kommt man dann auch an den Punkt, an dem es richtig anfängt Spaß zu machen, wenn man die Fahrtechnik richtig beherrscht.
Spricht man mit Partnerin, Familie oder Freunden darüber, wie gefährlich Radfahren auch 2023 noch ist?
Selbstverständlich spricht man über die Gefahren. Das sind Sachen, die ich nach einem Rennen loswerden will, weil es brenzlig wurde. Oder man schaut am TV live bei Radrennen zu und spricht über die Dinge, die man dort sieht.