Kamen-Kaiserau. Der FLVW hat einen ungewöhnlichen Vorfall aus der Fußball-Kreisliga A Arnsberg verhandelt. Beschuldigt war ein Schiedsrichter. Die Ergebnisse:

Dieser Fall hatte nicht nur im Fußball-Sauerland, sondern auch innerhalb des Fußball- und Leichtathletik-Verbandes Westfalen (FLVW) hohe Wellen geschlagen. Im Zuge des Kreisliga-A-Spiels SV Hüsten 09 II gegen Türkiyemspor Neheim-Hüsten am Sonntag, 13. November, soll der Schiedsrichter einem Spieler Türkiyemspors die Worte „Na, Du Schwarzkopf, willst Du wieder einen Spielabbruch provozieren wie in Affeln?“ zugerufen und ihn so rassistisch beleidigt haben. Am Dienstagabend, 3. Januar, wurde der Fall nun im Zuge einer Mammutsitzung vor dem Verbandssportgericht (VSG), dem höchsten Sportrechtsorgan des FLVW im Seniorenbereich, in Kamen-Kaiserau verhandelt. Nach fünfeinhalb Stunden erfolgte eine Verfahrensbeendigung – und der Fall endete damit, dass der beschuldigte Unparteiische die an ihn gerichteten Vorwürfe zugab.

Rückblick: Vor etwa acht Wochen, konkret am Sonntag, 13. November, hatte die Ligapartie des SV Hüsten 09 II gegen Türkiyemspor Neheim-Hüsten (Endstand: 8:1) nach etwa einer Stunde Spielzeit kurz vor dem Abbruch gestanden. Der Grund: Nach einem Strafstoß für die Hüstener, den diese zum 3:0 verwandelt hatten, entwickelte sich auf dem Spielfeld ein Tumult. Ein Spieler Türkiyemspors sprach mit dem Unparteiischen. Der Schiedsrichter soll zum betreffenden Spieler mit türkischen Wurzeln „Na, Du Schwarzkopf, willst Du wieder einen Spielabbruch provozieren wie in Affeln?“ gesagt haben.

Anschließend kam es zu einer Rudelbildung und minutenlangen Unterbrechung, ehe die Partie doch fortgesetzt wurde. Im Gespräch mit dieser Redaktion hatte der Schiedsrichter am Abend wenige Stunden nach dem Spiel – konfrontiert mit den Vorwürfen – folgendes erklärt: „Ja, ich habe ihn gefragt, ob er wieder einen Abbruch provozieren will. Aber ich habe ihn nicht beleidigt.“ Den Begriff „Schwarzkopf“ habe er „definitiv nicht in den Mund genommen“, sagte der Unparteiische weiter.

Bezug auf Spielabbruch in Affeln

Vier Wochen vor der Partie in Hüsten war das Ligaspiel Türkiyemspors beim SV Affeln beim Stand von 1:1 abgebrochen worden. Damals soll ein Ordner der Affelner denselben Spieler Türkiyemspors wie dann bei der Partie in Hüsten körperlich angegangen sein. Die Partie wurde für Sonntag, 5. Februar, 15 Uhr, neu angesetzt.

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Nun erfolgte im Raum „Madrid“ des Sporthotels des FLVW-Sportzentrums in Kaiserau die Verhandlung vor dem Verbandssportgericht. Unter anderem waren zahlreiche Zeugen geladen, ebenso nahmen Vertreter des Vorstands des Fußballkreises Arnsberg, der seit dem Sommer neue FLVW-Vizepräsident Amateurfußball, Andree Kruphölter, sowie der beschuldigte Schiedsrichter nebst Rechtsanwalt an der Verhandlung, die Sportrichter Dr. Markus Seip (SV Hausberge, Kreis Minden-Lübbecke) gemeinsam mit zwei Beisitzern leitete, teil. Als Zeuge geladen war auch ein Groundhopper, der am 13. November zufällig als Besucher des Spiels in Hüsten vor Ort war und die Ereignisse teilweise auf Videos festgehalten hatte.

Nachdem sich mehr als vier Stunden lang die Verfahrensbeteiligten sowie insgesamt zwölf Zeugen (teilweise telefonisch zugeschaltet) zum Fall geäußert hatten, unterbrach das Gericht die Verhandlung für insgesamt 70 Minuten. Im Zuge eines Rechtsgesprächs wurden die Möglichkeiten einer Verfahrensbeendigung erörtert, zu der es dann um kurz nach 22.30 Uhr auch kam.

Dies bedeutete: Unter mehreren Auflagen wurde das Verfahren gegen den beschuldigten Schiedsrichter vollständig eingestellt. Der Beschuldigte sei „nicht verurteilt worden und nicht freigesprochen worden“, erklärte der Vorsitzende Richter. „Der Beschuldigte hat die Vorwürfe eingeräumt“, betonte Dr. Markus Seip nach der Verhandlung auf Nachfrage dieser Zeitung.

Arnsberg: Das sind die Folgen für den Schiedsrichter

Zuvor hatte der Schiedsrichter stundenlang bestritten, die Beleidigung „Du Schwarzkopf“ verwendet zu haben, hinter verschlossenen Türen gab er alle Vorwürfe im Zuge der Verfahrensbeendigung schließlich zu. „Es ist richtig, dass die Vorwürfe so zutreffen. Es tut ihm sehr leid, dass er sich dahingehend geäußert hat“, erklärte dessen Anwalt.

Der Unparteiische muss seine Tätigkeit als Schiedsrichter nun bis zum 30. Juni dieses Jahres ruhen lassen, ebenso sein Amt als heimischer Funktionär (bis zum 31. März). Zudem muss er 500 Euro als Ausgleich an den betroffenen Spieler Türkiyemspors Neheim-Hüsten zahlen und ein Deeskalationstraining für Schiedsrichter beim FLVW absolvieren (etwa 1000 Euro Kosten).

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Zu Gute sei dem Beschuldigten gekommen, so Markus Seip, dass der Unparteiische seit Jahrzehnten ehrenamtlich tätig ist und bisher nicht aufgefallen sei. „Und er hat hier die Verantwortung übernommen.“ Zudem erkannte das Verbandssportgericht die „Prangerwirkung“ dieses Falles an. Der Anwalt des Schiedsrichters hatte eingangs der Verhandlung berichtet, wie der Beschuldigte und seine Familie nach dem Vorfall am 13. November „angefeindet worden“ seien: „Das betraf die Familie und ihn selbst.“

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Begonnen hatte die Verhandlung Stunden zuvor mit der Befragung des Schiedsrichters. Dieser erklärte, er sei auf dem Weg vom Spielfeld weg als „Nazi“ bezeichnet worden – dieser Vorwurf sei indes Bestandteil eines anderen Verfahrens, erklärte das VSG. Den Vorwurf, den Spieler Türkiyemspors gefragt zu haben, ob er „wieder einen Abbruch provozieren“ wolle, räumte der Unparteiische auch vor dem VSG rasch ein. „Das tut ihm ausgesprochen leid“, sagte sein Anwalt. „Wer mich kennt, der weiß: Wenn ich Scheiße baue, dann stehe ich dazu“, sagte der Beschuldigte selbst, und weiter: „Alles, was hier gleich gesprochen wird, ist in meinen Augen absolut gelogen.“ Als im Zuge des Hüsten-Spiels zwei Spieler Türkiyemspors miteinander Türkisch gesprochen hatten, hatte der Unparteiische zu ihnen gesagt: „In Deutschland wird Deutsch gesprochen.“ Auch diesen Vorwurf räumte er in Kaiserau ein.

Arnsberg: Betroffener Spieler zeigt sich „schockiert“

Gehört wurden im weiteren Verlauf der Verhandlung zahlreiche Zeugen, unter anderem Spieler beider Mannschaften und auch der betroffene Spieler Türkiyemspors, der ebenso wie der Schiedsrichter erzählte, dass man in den vergangenen Jahren schon andere Meinungsverschiedenheiten auf dem Spielfeld – teilweise in anderen Funktionen und anderen Vereinen – gehabt hatte. „Ich habe den Satz mit dem ,Schwarzkopf’ seitens des Schiedsrichters gehört und mich sehr über diese rassistische Äußerung erregt“, sagte ein Zeuge aus.

Der Spieler, der vom Schiedsrichter beleidigt worden war, erklärte, dass er überrascht gewesen sei, diesen Satz seitens eines Unparteiischen zu hören. „Als der Schiri das gesagt hat, war’s vorbei für mich“, meinte er. Der Unparteiische habe ihm dies einmal auf dem Spielfeld „im Vorbeigehen“ gesagt und auf seine Antwort hin dann noch einmal wiederholt, „direkt ins Gesicht“. Dies habe ihn mitgenommen: „Ich war traurig und schockiert. Das sind für mich rassistische Sprüche.“ Er habe daraufhin nicht weiterspielen wollen und sei in Richtung Ersatzbank gegangen.

Zeugen schildern Vorfälle in Hüsten

Ein Mitspieler Türkiyemspors erklärte bei seiner Befragung, dass er „einen oder 1,5 Meter daneben gestanden“ habe. „Das Wort ,Schwarzkopf’ ist hundertprozentig gefallen“, betonte er. Er habe daraufhin seinen Mitspieler zur Bank geleitet, um zu deeskalieren. Ähnlich äußerten sich weitere Spieler, die in dieser Begegnung der A-Liga Arnsberg dabei gewesen waren.

Andere Fußballer sagten aus, dass sie den Begriff „Schwarzkopf“ nicht gehört hätten. Ein Spieler meinte, er könne nicht genau sagen, ob das Wort „Schwarzkopf“ oder „Schwachkopf“ gefallen sei. „Das klingt beides ähnlich“, betonte er.

Auch ein Groundhopper aus NRW, der zufällig an diesem Tag als Zuschauer beim A-Liga-Spiel in Hüsten weilte, war als Zeuge geladen. Sein erstes Video habe er ursprünglich gestartet, „um den Schiri zu schützen“. Welche Worte genau auf dem Feld gefallen waren, habe er nicht hören können. „Dann aber fing der Schiedsrichter an, wüste Sachen zu sagen, wie etwa, dass niemand mehr Türkiyemspor pfeifen wolle. Aus einer defensiven Haltung, die ihm gut getan hätte, wurde eine offensive Haltung“, sagte er.

Nachdem alle Zeugen gehört worden waren, erklärte der Vorsitzende Richter, dass „eine Befriedung Sinn ergeben würde“. Eine der Bedingungen des Gerichts für eine Verfahrensbeendigung sei „ein Geständnis“ des Beschuldigten. Am Ende des langen Verhandlungsabends betonte Markus Seip: „Der Verband verurteilt jede Form von Rassismus – und ahndet diese.“