Winterberg. Jamal Musiala ist die große Hoffnung der Deutschen Nationalmannschaft bei der WM. Wie ihn sein Personal Trainer aus dem Sauerland besser macht.
Diese Geschichte – klingt im Rückblick fast unwirklich. Doch sie ist wahr. „Damals haben wir zu zweit in einem kleinen Park in Feldkirchen, einem Vorort von München, trainiert. Ganz unbehelligt. Das war schon cool“, erzählt Steffen Tepel (37) und lacht. Mittlerweile ist so ein Training längst undenkbar und würde wohl in kürzester Zeit einen Menschenauflauf auslösen.
Denn der Winterberger Tepel ist Personal Coach und Neuroathletik-Trainer von Fußball-Profi Jamal Musiala (19), den das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ unlängst als einen „der prägenden Spieler der kommenden Jahre in der Nationalelf“ gewürdigt hat. Einen nicht unerheblichen Einfluss auf die großen fußballerischen Qualitäten des Juwels von Bayern München hat auch – Steffen Tepel.
Tepel und Musiala: intensiver Austausch während der WM in Katar
Wenn an diesem Donnerstagabend, 1. Dezember, 20 Uhr, die Deutsche Fußball-Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft in Katar im dritten und letzten Gruppenspiel gegen Costa Rica um den Einzug in das Achtelfinale kämpft, wird Sauerländer Tepel gemeinsam mit seiner Familie vor dem Fernseher sitzen und mitfiebern. „Ich schaue dann eigentlich nur auf Jamal, auf seine Aktionen und seine Bewegungsabläufe“, verrät der 37-Jährige schmunzelnd. Mit seinem prominentesten Athleten sei er auch während der WM im ständigen Austausch. Hier eine WhatsApp, dort mal Facetime, „wir analysieren die Spiele, arbeiten präventiv, und ich gebe ihm Tipps für seine Regeneration“, sagt Tepel.
Der Sauerländer ist Fachmann für Neuroathletik, ein Feld, das auch im Profi-Fußball in den vergangenen Jahren eine immer größere Bedeutung erlangt hat. Dabei werden die Gehirnfunktionen gezielt trainiert, um körperliche Leistungsfähigkeit weiter zu optimieren. „Jamal und ich machen viel Atemtraining, arbeiten mit den Gelenken und an Übungen für die Augen“, beschreibt der Sportwissenschaftler seine aktuellen Tätigkeiten mit dem Shootingstar der Deutschen Nationalmannschaft.
Auch die Beseitigung von Schmerzen sei wichtig, betont Tepel. „Beispielsweise hat Jamal im Spiel gegen die Japaner (1:2-Niederlage, Anmerkung der Redaktion) einen Schlag auf den Kopf bekommen. So etwas kann Folgen haben, und das sehe ich dann. Er hat dann von mir ein Video mit Übungen erhalten, die ihm helfen“, erklärt der Winterberger. Im Formhoch war Bayern-Profi Musiala zur Weltmeisterschaft gereist. Er hinterlasse auch in Katar „einen sehr guten Eindruck“, so Tepel: „Wir sehen das schon an seiner Körperhaltung: Er sieht super athletisch aus und hat sich da toll entwickelt.“
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Als Jamal Musiala im Sommer 2019 in den Campus des FC Bayern München und in die U17 wechselte, lernten sich Tepel, der damals schon mit Bayern-Talenten zusammenarbeitete, und der FCB-Zugang kennen. Musiala, geübter Schachspieler und begnadetes Bewegungstalent, vertiefte in der Arbeit mit dem Sauerländer Experten seine fußballspezifischen Bewegungsabläufe – lernte neue kennen und optimierte und stabilisierte diese.
Jamal Musiala ist auf dem Boden geblieben
Als Ergänzung zum „herausragenden Training beim FC Bayern“ (O-Ton Tepel) hilft der Personal Trainer Jamal Musiala, seine neuronalen und sensomotorischen Fähigkeiten weiter zu optimieren. Steffen Tepel: „Auf diesem hohen Niveau kann das den Unterschied ausmachen.“ Der Profi soll so möglichst verletzungsfrei bleiben, leistungsfähig sein und gezielt gefördert werden. „Als Trainer bist du immer für deinen Athleten da“, sagt der ehemalige Nordische Kombinierer, der als Profi im Weltcup aktiv war: „Er erhält von mir den passenden ,Schraubenschlüssel’ – und zieht dann selbstverantwortlich nach.“
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Konkret geht es beispielsweise darum, die ohnehin schon überragenden Ballan- und mitnahmen Musialas, vor allem den so wichtigen ersten Ballkontakt, stetig zu verbessern. „Dabei hilft uns unter anderem eine Shutter-Brille, die zwischen Hell- und Dunkelphasen wechselt“, erklärt Tepel. Auch das Durchsetzungsvermögen Musialas im Zweikampf werde optimiert. „Wichtig ist dafür eben nicht nur Muskeltraining, sondern die reflexive Stabilität. Durch gezieltes Training der Augen wird die Stabilität der Wirbelsäule verbessert – und das erhöht die Widerstandsfähigkeit im Zweikampf“, sagt Tepel, der eine eigene Agentur für Neuroathletik-Training gegründet hat.
Bereits vor sieben Monaten habe er die intensive Vorbereitungsphase auf die erste WM, die Jamal Musiala als Profi spielt, mit seinem Athleten aufgenommen. Im eng getakteten Terminplan eines Fußballers aus der Kategorie des gebürtigen Stuttgarters war dies ein nicht immer leichtes Unterfangen. Alle zwei oder drei Wochen arbeiten Coach und Sportler gemeinsam, „ich kontrolliere beispielsweise sein Augensystem, und Jamal erhält von mir Übungen, die er dann selbstständig zu Hause und zur Aktivierung vor dem Mannschaftstraining beim FC Bayern durchführen kann“, erklärt Steffen Tepel.
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Jamal Musiala – aktueller Marktwert laut des Portals „transfermarkt.de“: 100 Millionen Euro – sei bereits mit 19 Jahren ein sehr guter Fußballer, betont sein Personal Trainer. „Er ist ein sportliches Naturtalent und dazu ein ganz feiner Kerl, höflich, bodenständig, fleißig, locker und ehrgeizig“, sagt der Sauerländer. Außerhalb des Spielfeldes erhielt die Nachwuchshoffnung rasch den Spitznamen „Bambi“, doch auf dem Platz, so Tepel, „da ist er ein Krieger. Für solche entscheidenden Spiele wie nun bei der WM gegen Spanien (1:1-Remis, Anm. d. Red.) ist Jamal geboren. Er kann dort alles ausblenden und sich einfach auf das Spiel konzentrieren. Er blüht dann auf. So etwas wird eben oft nur im Kopf entschieden. Mental ist er mit seinen 19 Jahren absolute Weltklasse“.
Aus dem Sauerland hinaus in die große Fußball-Welt
Seit nun mehr als drei Jahren pflegt Neuroathletik-Coach Steffen Tepel ein intensives Trainer-Athleten-Verhältnis zum Jung-Nationalspieler. Auf die Frage, wie groß sein Anteil am rasanten Aufstieg Musialas vom U17-Youngster zum Profi und deutschen Nationalspieler ist, antwortet Steffen Tepel bescheiden: „In bin mit dabei in seinem engeren Umfeld. Aber: Das Ganze ist ein Gesamtpaket, in dem vor allem seine Familie den wichtigsten Einfluss auf ihn hat. Ich biete dabei einen der Bausteine zu seiner individuellen Leistungsoptimierung.
Bei Musialas großer Qualität gehe es um ein „Feintuning“ und ein stetiges Wiederholen der Abläufe. „Es ist cool, aus dem schönen und sportbegeisterten Sauerland heraus einen Teil zu dieser tollen Geschichte beizutragen“, sagt Steffen Tepel. Der Coach freut sich auf das nächste gemeinsame Training mit Jamal Musiala – auch wenn dies längst nicht mehr in einem öffentlichen Park stattfinden kann.