Winterberg. René Spies gilt als Goldschmied der Bobs. In China bestätigte der Winterberger den Ruf. Seine Zukunft – samt Gehaltserhöhung? – scheint geklärt.

In diesem Augenblick – war es selbst um ihn geschehen. So cool, wie René Spies in den Tagen zuvor nach außen hin wirkte, so cool war der Cheftrainer der deutschen Bobfahrer bei den Olympischen Winterspielen in China nämlich nicht. Und diese eine, eigentlich einfache Frage forderte den 48-jährigen Winterberger heraus. Seine ohnehin nur noch krächzende Stimme stockte, Spies rang mitten im Gespräch hörbar um Fassung.

Was geht in dir vor? So lautete die Frage an René Spies, ergänzt mit dem Satz: Du wirkst so gefasst.

„Ich bin nicht gefasst“, antwortete er, „ganz und gar nicht.“

Pause.

„Boah!“

Pause.

„Es war ein krasses Jahr.“

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Dieses „krasse Jahr“ krönten die deutschen Bobs mit sieben Medaillen bei den Winterspielen in China. Dreimal Gold, dreimal Silber und einmal Bronze – das ist die beeindruckende Bilanz. Spies untermauerte so seinen Ruf in der Bundestrainerszene als Goldschmied und Medaillenlieferant.

Schwab: „René ist ein Glücksfall“

Er selbst weist solche Lobeshymnen allerdings in schöner Regelmäßigkeit zurück. Natürlich, der Cheftrainer gibt die Richtung vor und trifft, wenn nötig, auch harte Entscheidungen. Aber im Großen und Ganzen setzt der Winterberger auf Teamarbeit, auf ein funktionierendes Mannschaftsgefüge. „René ist auf dieser Position ein Glücksfall für uns“, erzählte Thomas Schwab, Vorstandsvorsitzender des Bob- und Schlittenverbands für Deutschland (BSD), im Gespräch: „Ein Cheftrainer muss nicht die mega Ahnung von allem haben, die hat er auch, aber vor allem muss ein Cheftrainer den ganzen Laden zusammenhalten. Die Trainer und die Athleten müssen ihm folgen. Und das macht René einmalig gut.“

Deutschlands Top-100-Meter-Sprinterin Alexandra Burghardt (re.) holt als Anschieberin von Mariama Jamanka Silber. René Spies überraschte mit diesem Schachzug alle.
Deutschlands Top-100-Meter-Sprinterin Alexandra Burghardt (re.) holt als Anschieberin von Mariama Jamanka Silber. René Spies überraschte mit diesem Schachzug alle. © dpa | Michael Kappeler

In China erlebte Spies seine fünften Olympischen Spiele. Zweimal startete er selbst als Bobpilot, ehe ihn Verletzungen zum Karriereende zwangen. Bevor der Sauerländer als Cheftrainer die deutschen Auftritte bei Rennen im Zeichen der fünf Ringe in Pyeongchang/Südkorea 2018 und jetzt in Peking verantwortete, erlebte er als Bundestrainer unter der Regie von Christoph Langen in Sotschi/Russland 2014 den tiefsten Tiefpunkt deutscher Bob-Olympia-Geschichte. Ohne Medaillen kehrten die zuvor erfolgsverwöhnten Deutschen heim.

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„Nach Sotschi wurden die Weichen gestellt“, sagte Spies jetzt zurückblickend – die ersten noch von Christoph Langen, ab April 2016 die entscheidenden dann von dessen einstigem Assistenten.

Spies schwärmt von Nolte und Co.

Bereits in Südkorea vor vier Jahren waren die deutschen Bobs wieder in der Erfolgsspur und gewannen drei Goldmedaillen sowie einmal Silber. Doch die eindrucksvolle Machtdemonstration folgte im Yanqing National Sliding Centre. „Das ist eine goldene Generation“, lobte Spies seine Athletinnen- und Athleten-Schar, welche die Olympiasieger Francesco Friedrich und Laura Nolte anführen: „Das sind Vollprofis. Na klar steht uns dank der FES und der Entwicklung Top-Material zur Verfügung, aber was sie fahrerisch gezeigt haben, war absolute Oberklasse. Wir haben auch sportlich das Feld dominiert.“

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Dass alle Räder ineinander greifen – das ist Spies’ Verdienst.

Das ist René Spies

Verheiratet, zwei Kinder, heimatverbunden – das ist René Spies (48). Nach seiner Pilotenkarriere inklusive Olympiastarts2002 (6. im Zweier) und 2006 (5. im Vierer) startete der Winterberger als Trainer durch. Seit April 2016 ist Spies Cheftrainer. „René ist für uns eine ganz wichtige Person“, sagte Thomas Schwab, BSD-Boss: „und er weiß, dass er die 1000-prozentige Rückendeckung hat.“

Wie sehr seine komplette Mannschaft ihm folgt, verdeutlicht der Umgang mit der Angst vor einer Infektion mit dem Coronavirus im Bobteam. „René hat Regeln ausgegeben...“, erzählte Thomas Schwab, „wir haben ihm schon gesagt, er leide unter einer Paranoia.“ Doch letztendlich gab das Infektionsgeschehen dem Sauerländer und den harten Maßnahmen in dieser Saison recht. Bei den Rennrodlern, bei den Skeletonis, überall kriselte es nach positiven Corona-Tests – nur bei den Bobfahrern nicht.

Gehaltserhöhung in Aussicht

„Am Ende sieht alles so locker und leicht aus“, sagte Spies, nachdem die letzte Medaille in China überreicht war, „aber es war ein harter Weg hierhin.“ Ein Weg, den er mit seinen Entscheidungen ebnete.

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    Und wohin führt sein Weg nach diesen Olympischen Winterspielen? Gewöhnlich werden die Verträge der Bundestrainer für vier Jahre, für olympische Zyklen geschlossen. Für Thomas Schwab stellt sich diese Frage allerdings nicht. Eine Zukunft ohne Spies? Die kann er sich nicht vorstellen und ist dafür sogar bereit, an die finanzielle Grenze des Verbandes zu gehen. „Ich möchte mein Amt noch einen olympischen Zyklus bis 2026 ausführen“, sagte der Kufen-Chef: „Und das möchte ich mit René Spies an der Seite machen.“