Neheim. Fußballer des FC Neheim-Erlenbruch setzen mit neuer Nachwuchsabteilung Akzente für die Zukunft. Verein profitiert dabei von jungen Migranten

Nicht selten kommt es vor, dass Jugendmannschaften im Hochsauerland so lange Mannschaftsnamen haben, dass sie kaum noch in eine Zeitungsspalte passen. Das liegt weniger an den langen Ortsnamen an sich, sondern vielmehr daran, dass es kaum noch Teams gibt, die nicht als Jugendspielgemeinschaft (JSG) auflaufen. Und das zeigt wiederum deutlich: Der Jugendfußball hat ein gewaltiges Problem. Nicht nur im Sauerland, sondern bundesweit.

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Aufwärtstrend bei den Jugendteams

Umso bemerkenswerter ist es deshalb, dass der FC Neheim-Erlenbruch seit rund anderthalb Jahren wieder eine Nachwuchsabteilung aufbaut und dem Negativtrend damit die Stirn bietet. „Gute Jugendmannschaften sind die Grundlage für einen soliden Seniorenbereich“, sagt Youssef Ahmad. Der 20-Jährige kümmert sich im Verein als Jugendleiter um den Nachwuchsbereich und sieht trotz der anhaltenden Corona-Pandemie mit monatelangem Trainingsverbot einen Aufwärtstrend. „Wir wollen unsere Abteilung künftig ausbauen und weiter wachsen“, sagt Ahmad. Derzeit hat der Verein eine C- und eine B-Jugend im Ligabetrieb gemeldet, insgesamt 40 Jugendliche gehören den beiden Mannschaften an. Im Sommer 2020 wurde die C-Jugend ins Leben gerufen. Davor hatte der Neheimer Fußballclub rund neun Jahre lang keinen Jugendbereich.

Jugendspielgemeinschaften dominieren die Liga

In der Kreisliga A der C-Junioren gehen von 13 Teams insgesamt neun Mannschaften als Jugendspielgemeinschaften (JSG) an den Start. Die C-Junioren des FC Neheim-Erlenbruch stehen nach zwölf Spielen mit 15 Punkten auf Rang acht.

Auf die Idee zur Reaktivierung kam Youssef Ahmad, weil er aus familiären Gründen mit dem Verein verbunden ist und sich produktiv in die Arbeit vor Ort einbringen wollte. „Aus gesundheitlichen Gründen kann ich leider selbst kein Fußball spielen, dafür aber organisieren und eine Abteilung aus dem Boden stampfen“, erklärt Ahmad. Sein Onkel Amer Siala ist nicht nur Trainer der 1. Mannschaft, sondern als 2. Vorsitzender auch im Vorstand tätig. Viel Überzeugungsarbeit brauchte es nicht, bis der Versuch vor rund anderthalb Jahren gestartet werden konnte. „Ich habe in einem Lebensmittelladen gearbeitet und hatte viel Kontakt zu Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Ich habe Werbung gemacht, auf Mund-zu-Mund-Propaganda gesetzt und es hat nicht lange gedauert, bis ich viele von ihnen beim Training wiedergesehen habe.“

Amer Siala vom FC Neheim-Erlenbruch.
Amer Siala vom FC Neheim-Erlenbruch. © WP | Philipp Bülter

Von den insgesamt 40 Spielern der beiden Jugendmannschaften haben Ahmad zufolge rund 70 Prozent einen Migrationshintergrund, viele von ihnen sind mit ihren Familien aus dem Nahen Osten nach Deutschland geflüchtet. 33 Nationalitäten sind beim FC Neheim-Erlenbruch vertreten, ein Spieler kommt sogar aus Kuba. „Wir sind wortwörtlich ein Multi-Kulti-Verein“, sagt Ahmad. Für die Kinder und Jugendlichen sei das Training wichtig, um die Sprache zu lernen und die Integration zu fördern. „Der Umgang zwischen all den Kulturen und Nationalitäten klappt gut, und wir profitieren alle voneinander“, sagt der 20-Jährige. Die Integrationsarbeit geht auch im Vorstand weiter: Der Verein hilft Eltern bei der Jobsuche und der Übersetzung von deutschen Dokumenten in die arabische Sprache.

Nachwuchs aus den eigenen Reihen

Amer Siala sieht im Aufbau der Jugendabteilung auch eine große Chance für den Seniorenbereich. Insgesamt vier Herrenteams spielen in den Kreisligen A, C und D. Dazu kommen die Alten Herren, die im Kreispokal im Kreis Arnsberg antreten. Die 1. Mannschaft ist derzeit mit 34 Punkten Tabellenführer in der Kreisliga A – und natürlich Vorbild für viele Jugendspieler. „Im Optimalfall können wir in ein paar Jahren viele unserer Nachwuchsspieler in unsere Seniorenmannschaften einbinden“, sagt Siala. Aktuell hilft mit Amer Zidan ein B-Jugendlicher in der dritten Mannschaft aus und schnuppert erste Luft bei den Senioren. Damit Zidan weitere Youngster folgen, soll ab Juli 2022 eine A-Jugend etabliert werden, um die Lücke zwischen Jugend- und Seniorenbereich kleiner werden zu lassen. Auch über eine G- und D-Jugend hat sein Neffe Youssef Ahmad bereits nachgedacht.

Damit die ambitionierten Zukunftspläne kurz- und mittelfristig Realität werden, will der Verein seinen nicht mehr zeitgemäßen Ascheplatz durch Kunstrasen ersetzen lassen. „Asche ist ein riesengroßer Nachteil. Eltern wollen ihre Kinder ungern auf dem harten Platz spielen sehen und Spieler im Seniorenbereich wollen sich das ebenfalls nicht antun. Daran ist schon so mancher Wechsel gescheitert“, sagt Siala. Für ihn steht und fällt mit dem Kunstrasenplatz eine Menge. „Wenn wir den Platz realisieren, dann ist das ein Meilenstein für den Verein und eine Aufwertung für die Sportlandschaft in Neheim.“ Rund 120.000 Euro hat die Stadt Neheim zugesichert, der fehlende Betrag von rund 240.000 Euro muss noch durch Spenden und Sponsoren gesammelt werden. Auf seiner Internetseite (www.fc-neheim-erlenbruch.de) bietet der Verein Parzellen zum Verkauf an. „Der Kunstrasenplatz ist für uns das Allerwichtigste. Seit 1976 wird auf Asche gespielt und es wird höchste Zeit, dass sich das ändert“, sagt Siala. Damit man Spieler aller Altersklassen im Verein halten könne, müsse ihnen auch etwas geboten werden, macht er deutlich.