Neheim. 19-jähriger Youssef Ahmad will Kindern aller Nationen beim FC Neheim-Erlenbruch einen familiären Treffpunkt bieten.

Ein kühler Spätnachmittag am Aschenplatz des FC Erlenbruch. Das Flutlicht geht an und vermittelt diese so eigenartige November-Stimmung, wie sie wohl nur auf Kreisliga-Sportplätzen entstehen kann. Kinder und Jugendliche rennen nach und nach aufs Feld, spielen sich Bälle zu und tauchen ein in die Welt des Fußballs. Mittendrin Youssef Ahmad. Der 19-Jährige ist Jugendleiter des Multi-Kulti-Vereins an der Ackerstraße.

Junges Engagement- Youssef Ahmad, Jugendleiter des FC Erlenbruch

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    Er erzählt stolz von seinem Verein, wie dieser vielen Menschen aus vielen Ländern einen wichtigen Anlaufpunkt gibt – und dass inzwischen Fußballer aus 33 Nationen beim FC Erlenbruch dem Ball hinterherjagen. Und kaum hat er das gesagt, wird wieder gerufen:

    „Youssef, darf er mal mit trainieren“, fragt ein Junge und zeigt auf seinen Kumpel. Darf er. „Sprichst du Deutsch?“, fragt Youssef. Nein, tut er nicht so gut. Das neue Gesicht kommt aus Kuba. „Hatten wir auch noch nicht“, lacht Youssef, „jetzt haben wir 34 Nationen bei uns.“

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    Mehr als Fußball

    Fußball beim FC Erlenbruch ist mehr als Kicken. Es ist Integrationsarbeit. Getragen wird sie im Kinder- und Jugendbereich maßgeblich von Youssef Ahmad. Vor eineinhalb Jahren gründete er die Jugendabteilung, die sich prächtig entwickelt. Erst war er noch Coach, dann gewann er weitere Trainer hinzu. In dieser Saison kann der FC Erlenbruch eine U17- und eine U15-Mannschaft stellen.

    Youssef Ahmad in der Kleiderkammer.
    Youssef Ahmad in der Kleiderkammer. © Martin Haselhorst

    Youssef ist Fußball-Fan durch und durch – und er liebt die Kreisliga-Plätze, wo man so nah dran ist am Geschehen. Selber kicken verbietet sich für den jungen Mann. Er hat einen angeborenen Herzfehler. So hatte er einen anderen Plan. Er fragte seinen Onkel Amer Siala, der im Vorstand beim FC Erlenbruch ist, „wie man einen Verein aufmacht.“ Der aber schlug ihm vor, ob es nicht mal eine bessere Idee sei, eine Jugendabteilung zu gründen.

    Und so machte er sich an die Arbeit – zusammen mit Rabi Ibrahim. „Wir sind stark auf die Migrantengruppen zugegangen“, erzählt Youssef Ahmad. Schon zuvor war er in der Flüchtlingsarbeit aktiv. Er half viel aus im arabischen Laden seines Onkels am Engelbertplatz in Neheim, half da Flüchtlingen bei Anträgen und Behördenpost und hatte so Kontakte zu Familien und in die Flüchtlingsunterkünfte. Seine Sprachkompetenz war hilfreich. „Ich spreche arabisch“, erzählt der in Wickede geborene und in Neheim aufgewachsene Sohn libanesischer Eltern.

    So war der Zugang zu Kindern und Flüchtlingen leichter. Schnell waren 70 junge Kicker zusammen. Viele von ihnen „Anfänger“ oder reine Straßenfußballer, andere kamen von anderen Clubs, wo sie nie richtig angekommen waren.

    Verhältnisse teils schwierig

    Mehr als 80 Prozent der Kinder im Verein haben Migrationshintergrund. „Wir bemühen uns dennoch. Deutsch zu sprechen“, sagt Youssef Ahmad. Das ist schließlich die verbindende Sprache für alle Nationalitäten. Die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen beim FC Erlenbruch ist eine andere als die in bürgerlichen Dorfvereinen. „Wir haben auch Kinder aus wirklich schwierigen Verhältnissen“, erzählt der junge Jugendleiter. Für die aber will der Vereine eine Heimat sein, sie will der Verein – wie so abgedroschen gesagt wird – von der Straße holen. Auch die Arbeit mit den Eltern sei nicht immer leicht.

    „Manchmal kommen Kinder im Schlafanzug, in Jeans und in Lackschuhen und wollen mitspielen“, sagt Youssef Ahmad. Für diese Fälle hat der FC Erlenbruch eine kleine Kleiderkammer eingerichtet. Hier können sich Kinder und Jugendliche Sportzeug ausleihen. „Auch Schuhe sind ein Problem, sie kosten halt viel Geld“, sagt der 19-Jährige. Eine Initiative mit den Spielern der Seniorenmannschaft sammelte Schuhwerk zusammen, das nun in einem ausgedienten alten Getränke-Kühlschrank fein säuberlich sortiert und aufgereiht auf die Ausleihe von den bedürftigen jungen Mitgliedern wartet.

    Expertengespräch Junges Engagement

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      „Hier ist ein familiärer Treffpunkt für alle“, freut sich Ahmad, „und ich will ein Ansprechpartner für die Jungs sein“. Er verbringt selber viel Zeit am Sportplatz. Im Jahr 2021 hat er sein Abitur am St. Ursula-Gymnasium gemacht und studiert nun Wirtschaftsingenieurwesen an der Fachhochschule Dortmund. Das beansprucht auch Zeit, doch strickt Youssef schon an neuen Ideen. „Es geht doch um mehr als nur Fußball und Tore“, sagt der junge Mann. So will er helfen, dass sich der Verein weiterentwickelt, „dass hier was zusammenwächst“. Wichtig dafür wäre ein Kunstrasen – in der entsprechenden Arbeitsgruppe im Verein arbeitet Youssef Ahmad maßgeblich mit. Nebenbei wird beim FC Erlenbruch aber auch Dart angeboten. „Ich überlege jetzt auch, ob wir eine Schachabteilung gründen sollen“, sagt er, „dann wären wir wohl der erste Fußballverein weit und breit, der so etwas macht!“

      Siehe auch Videos unter den Kurz-URLs wp.de/ahmad-je und wp.de/video-je