Sauerland. Sorgen Kopfbälle vor allem im Kinder- und Jugendfußball für gesundheitliche Gefahren? Das sagen drei Sauerländer Trainer zu neuen Maßnahmen.
Der Torabschluss nach einer scharf ins Zentrum geschlagenen Flanke, das Luftduell im Mittelfeld, der Klärungsversuch im eigenen Strafraum: Der Kopfball ist elementarer Bestandteil des Fußballsports. Ob viele Kopfstöße möglicherweise häufiger zu Langzeitfolgen und Krankheiten wie Demenz oder Alzheimer führen – darüber wird seit geraumer Zeit gestritten. Nun hat der Deutsche Fußball-Bund (DFB) erklärt, dass der Verband sich der Verband einem Maßnahmenpaket des Europäischen Fußballverbandes (UEFA) anschließen will. Darin enthalten: Empfehlungen zum Umgang mit dem Kopfballspiel im Fußball im Kindes- und Jugendalter.
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Im Gespräch mit dieser Zeitung erklären vier Juniorentrainer aus dem Sauerland, ob sie die Debatte nachvollziehen können, welche Ideen sie befürworten – und was sie an der Diskussion stört.
Kopfball im Fußball und die USA als Vorreiter
Dass sich ausgerechnet die USA zu einem Pionier für einen nicht unbedeutenden Teilbereich des Fußballs entwickeln könnten, erscheint kurios. Doch in der seit geraumer Zeit geführten Debatte, inwiefern das Kopfballspiel im Fußball womöglich die Gesundheit vor allem von Kindern und Jugendlichen beeinflusst, folgen England, das Mutterland des Fußballs, und nun in Teilen auch Deutschland den strengen Maßnahmen aus Übersee.
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Bereits seit dem Jahr 2015 dürfen junge Fußballer in den USA bis zum elften Lebensjahr den Ball nicht mit dem Kopf spielen. Für bis zu 13-Jährige ist nur ein eingeschränktes Köpfen erlaubt. Seit dem Frühjahr 2020 wird auch in England strenger mit der Faszination Kopfstoß umgegangen: Kinder zwischen sechs und elf Jahren ist verboten, den Ball im Training mit dem Kopf zu spielen. Sind die Kinder beziehungsweise Jugendlichen älter, sollen Kopfstöße weiterhin vermieden werden.
In England und beispielsweise auch in Schottland waren die strikteren Regeln 2020 vor allem deshalb aufgestellt worden, weil eine vom englischen Fußballverband und der Spielergewerkschaft PA in Auftrag gegebene Untersuchung Ergebnisse hervorbrachte, die Sorgen bereiteten. Demnach erkranken Fußballprofis in Großbritannien mit einer dreineinhalb Mal höheren Wahrscheinlichkeit an degenerativen Hirnkrankheiten. Das Risiko, an Alzheimer zu erkranken, ist laut der Studie bei Fußballern mehr als vier Mal höher. Aber: Ein wissenschaftlicher Zusammenhang zu Kopfbällen wurde nicht hergestellt.
Zwar empfahl hierzulande auch der DFB bislang, erst mit 13 oder 14 Jahren, also bei den C- oder D-Junioren, das Kopfballspiel gezielt zu trainieren – und auch dann zunächst mit leichteren Bällen –, doch nun sehen die Verantwortlichen um DFB-Mannschaftsarzt Prof. Dr. Tim Meyer und das DFB-Präsidium offenbar eine größere Notwendigkeit, Maßnahmen im Kinder- und Jugendfußball zu ergreifen.
Die konkreten Maßnahmen
Die Anzahl der Kopfbälle soll bei den Kindern und jugendlichen Fußballern verringert werden. Zudem sollen Trainer angehalten werden, „die Bedingungen für das Kopfballspiel altersgerecht zu gestalten. Unbedingt ist darauf zu achten, dass in Training und Spiel Größe und Gewicht des Balles der jeweiligen Altersgruppe entsprechen“, heißt es in der einer Mitteilung des Verbandes.
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Welche Auswirkungen hätten solche Maßnahmen auf die Arbeit der Jugendtrainer im Sauerland, auf die Gestaltung des Trainings und auf die Zusammenarbeit mit den Nachwuchskickern? „Bei den Jungen hat man nicht so oft vorne einen Langen drin, der ein paar Brote mehr gegessen hat und ständig mit Flanken gesucht wird“, beschreibt André von Ascheraden in einem Beispiel, warum er die möglichen Auswirkungen als nicht gravierend erachtet. Der B-Junioren-Trainer des SV Brilon findet es „gut, dass der DFB versucht, verschiedene Dinge zu optimieren. Im jüngeren Jugendbereich kommt dem Kopfballspiel aber wohl höchstens im Defensivbereich eine wirkliche Bedeutung zu“, so von Ascheraden.
Argumente aus dem HSK-Fußball
Ähnlich sieht es auch Marco Grebe, der beim SV Hüsten 09 seit Jahren erfolgreich im Jugendbereich als Coach arbeitet und aktuell mit den B-Junioren die Bezirksliga 5 anführt. „Das Dribbling, die Ballan- und mitnahme sowie der Pass sind viel wichtiger als das Kopfballspiel“, sagt Grebe.
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Zwar werde mitunter noch am Kopfballpendel trainiert, doch das stets dosiert „und das ist etwas ganz Anderes, als wenn man eine scharf getretene Flanke per Kopf nimmt“. Er habe nur ein Mal eine Gehirnerschütterung bei einem Spieler erlebt, „doch da ist er mit einem anderen im Luftduell zusammengerasselt“. Beim Kopfstoß sei es wichtig, „dass die Jungs die richtige Technik und gutes Timing lernen. Aber das geht auch, wenn wenig Druck hinter dem Ball ist“.
Moritz Koch coacht beim TuS Sundern die U19, den letzten Juniorenjahrgang vor dem Schritt in den Seniorenfußball. Die A-Jugend der Röhrtalschmiede ist punktgleicher Tabellenführer der Bezirksliga 5 und will unbedingt in die Landesliga aufsteigen. Auch aus seiner Sicht „findet das Kopfballspiel im Juniorenbereich eher beiläufig statt. Ich finde es aber vernünftig, über neue und vor allem moderne Ansätze im Fußball nachzudenken“, so Koch.
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Kevin Mattig trainiert die C1-Junioren in der Fußballabteilung des TuS Sundern. „Ich bin Fußballtrainer und kein Trainer einer Kopfballsportart. Grundsätzlich sind diese Ideen daher für mich irrelevant“, sagt er. Es könne mal passieren, dass „mal ein hoher Ball dabei ist, aber auch den kann man beispielsweise mit der Brust, dem Oberschenkel oder dem Fuß weiterverarbeiten“. Grundsätzliche befürwortet Mattig, dass der Verband nichts vorschreiben wolle, sondern Empfehlungen vorgebe: „Das ist das richtige Signal.“ Um die Gesundheit solle man sich auch im Fußball „immer Gedanken machen“.
Dass die Sauerländer Trainer ihre Trainingslehre aufgrund der neuen Empfehlungen des DFB nun grundlegend überarbeiten müssen, glauben die drei HSK-Juniorentrainer allesamt nicht. Achtsame Arbeit – leisten sie ohnehin.