Olsberg/Münster. Sportmediziner Dr. Jens Hinder erlebt als Arzt des Profiteams Trek-Segafredo die emotionale Bandbreite des Radsports. HSK-Bindung.

An den renommierten Wettkampf-Hotspots – dort, wo sich die Welt-Elite des Radsports jährlich trifft – fährt dieser radsportbegeisterte Mann mit: Dr. Jens Hinder. Der 53-Jährige, mit einer Olsbergerin verheiratet und in seiner Freizeit oft im HSK unterwegs, ist Mannschaftsarzt des US-amerikanischen World-Tour-Teams Trek-Segafredo. Über seine Erlebnisse, die er unter anderem bei der Tour de France und beim Giro d’Italia sammelt, erzählt der Internist und Sportmediziner.

Der Radsport und Jens Hinder – das ist eine ganz besondere Liaison. Seit dem Kindesalter schlägt das Herz des gebürtigen Marburgers für das Radfahren. Seine Fähigkeiten auf dem Rad, ständiger Trainingsfleiß und gute Ausdauer machten ihn einst zum Lizenzfahrer für ein Dortmunder Continental-Radsport-Team. Das Talent zum Radsport-Profi? „Es war auf jeden Fall da”, sagt der nun mehr als Leitender Oberarzt im Sportmedizinischen Institut des Universitätsklinikums Münster (UKM) praktizierende Medizinier. „Irgendwann musste ich mich aber entscheiden. Mein Interesse für die Medizin war sehr groß. Es ist unglaublich, dass ich die Leidenschaft für den Sport und für die Medizin letztlich unter einen Hut habe bringen können”, bekräftigt er.

Sauerländer Arzt erlebt Schicksalsschläge

Dr. Jens Hinder hat einen abwechslungsreichen Alltag: Einerseits arbeitet er am UKM, andererseits ist er vor allem im Sommer als Teamarzt für Trek-Segafredo im Einsatz – schon seit zehn Jahren. Seither ist Hinder ein wichtiger Bestandteil dieser mit namhaften Stars, wie etwa dem Italiener Vincenzo Nibali und dem Niederländer Bauke Mollema, gespickten Mannschaft. Im großen Fahrzeugkonvoi ist Hinder bei Top-Ereignissen wie der Tour de France und dem Giro d'Italia auf den Etappen ganz nah dabei. „Die schönen, aber auch die schockierenden Erlebnisse prägen”, betont er.

So war Hinder 2011, im ersten Jahr als Arzt des Teams, das damals noch Leopard Trek hieß, gleich mit einem Horrorszenario konfrontiert: dem Tod eines Fahrers. Der Belgier Wouter Weylandt starb damals im Mai nach einem Downhill-Sturz auf der dritten Etappe des Giro d'Italia an den Folgen dieses Unglücks. „Dass ein Radsportler nach einem Sturz verstirbt, ist das Schlimmste, was passieren kann. Es war heftig, im Nachhinein die Eltern dieses jungen Fahrers zu kontaktieren und ihnen diese schreckliche Botschaft zu überbringen. So etwas möchte ich nie wieder erleben”, sagt Hinder.

Glücklicherweise überwiegen indes die vielen positiven Momente, die er bislang in diesem Job erleben durfte. „Das ganze Drumherum und die Euphorie bekommt man natürlich mit. Aber alle Teilnehmer sind hochkonzentriert, und das Adrenalin fährt selbst bei uns passiven Mannschaftsteilnehmern mit. Auch ich, der in einem der Begleitfahrzeuge nur so dasitzt, muss stundenlang und über hunderte von Kilometern sehr aufmerksam und hellwach bleiben. Ein Sturz kann alles verändern”, sagt der Arzt.

Hilfe – auch für Fans

Nicht selten muss Jens Hinder auch kurzerhand Zuschauer medizinisch behandeln – insbesondere bei steilen Bergetappen, wenn die Radsport-Fans ganz nah an den Fahrern und am Tross sind. „Es gibt so Ecken an den Bergpässen, wie etwa am Col du Tourmalet in den französischen Pyrenäen oder bei Alpe d'Huez in den französischen Alpen, wo wir oft über so manchen Fuß fahren. Und gelegentlich fliegt einem durch das offene Fenster auch mal ein Handy entgegen”, sagt er. Hinzu kämen ein hoher Lärmpegel und Stressfaktor, doch all das lohne sich, betont der Arzt.

Gleichwohl nennt Jens Hinder viel mehr die belgischen Straßenrennen-Klassiker als schillernde Veranstaltungen wie die Tour de France als seine Lieblingsrennen. „Es sind Ein-Tages-Rennen und die Menschen dort sind vollkommen radsportverrückt”, schwärmt er.

Sportmediziner Jens Hinder sitzt übrigens oft selbst auf dem Rad: 20.000 Kilometer pro Jahr legt er mit dem eigenen Rennrad zurück. Seine Touren führen dabei nicht selten ins Sauerland, zu Besuchen beim Schwiegervater in Olsberg oder zu Fachgesprächen mit Heiko Volkert und Jörg Scherf vom Team SKS Sauerland NRW. Dr. Jens Hinder: „In naher Zukunft werden bestimmt so einige erstklassige Rennen im Sauerland ausgetragen werden. Die Region ist wie gemacht für den Radsport."