Arnsberg. Mit 15 Jahren erhält Arman Licina aus Hüsten die bittere Diagnose: Blutkrebs. Der Fußballer kämpft erfolgreich – so geht's ihm heute.

Seinen Schicksalstag? Er hat ihn diesmal vergessen. Er hat einfach mal nicht an all das gedacht, was in den vergangenen Jahren sein Leben so sehr bestimmte. Am 23. November 2015 hatte Arman Licina aus Arnsberg-Hüsten die Diagnose erhalten: Leukämie, bekannt als Blutkrebs. Arman war damals 15 Jahre alt. Die Diagnose: niederschmetternd. Als sich dieser besondere Tag nun vor wenigen Wochen zum fünften Mal jährte, „hatte ich all das nicht im Kopf – zum ersten Mal“, sagt Arman Licina und schmunzelt.

Der Hüstener, damals Fußballer der B-Junioren des SV Hüsten 09, fühlte sich an jenem Tag „ziemlich müde. Auch waren meine Lymphknoten am Hals stark geschwollen“. Zwar sei er zunächst nicht von einer Erkrankung ausgegangen, doch nach dem Besuch beim Hausarzt folgten Untersuchungen im Hüstener Karolinen-Hospital, die Diagnose Leukämie und anschließend weitere Folgeuntersuchungen im Universitätsklinikum Münster. Arman Licinas Blutwerte sackten ab – es musste gehandelt werden.

„Es wurde bei mir eine Akute Lymphatische Leukämie diagnostiziert“, erinnert sich der Sauerländer. Bei dieser Krankheit, Kurzform: ALL, wird die Knochenmarkfunktion vermindert, im Körper mangelt es an roten Blutzellen und Blutplättchen. Die ALL ist lebensbedrohlich, es bestehen jedoch mittlerweile gute Heilungschancen, die für Arman Licina bei etwa 80 bis 90 Prozent lagen. „Meine Ärzte haben mir auch schon am Anfang gesagt, dass ich auf jeden Fall eine Transplantation von Stammzellen brauchen werde“, sagt Arman Licina.

HSK-Fußballer erhält großartige Hilfe

Gleichwohl war die Diagnose ein Schock, sowohl für den 15-Jährigen, als auch für seine Eltern sowie die drei Geschwister. Es wurde umgehend ein Chemotherapie-Konzept erstellt, das blockweise Behandlungen mit Infusionen vorsah. Arman Licina verlor seine Haare, war oft müde, geschwächt und nahm etwa zehn Kilogramm ab. Oft weilte der Sauerländer mit seinen Eltern zur Behandlung in der Münsteraner Uniklinik und lag auf der Kinderonkologie. „Der Krankenhausalltag ist schwer, vor allem, wenn man kaum etwas machen kann. Es gab Tage, an denen man auf Nichts Lust hatte. Grundsätzlich bin ich aber immer ein positiver Mensch, und diese Einstellung hat mir damals und auch danach immer geholfen“, sagt Licina.

Neben seiner Familie hatte er damals und heute jedoch weitere besondere Mitstreiter. Ein halbes Jahr vor seiner Diagnose war Arman Licina mit seiner Freundin Vanessa Kis zusammengekommen. Damals mit 15 Jahren – die erste große Liebe. „Sie hat mir unheimlich geholfen. Diese Zeit hat uns sicherlich sehr zusammengeschweißt“, sagt Arman Licina. Nach wie vor sind beide ein Paar und leben nun seit drei Monaten auch zusammen.

Das Schicksal Arman Licinas beschäftigte vor fünf Jahren jedoch schnell eine ganze Region. Weil ein guter Kumpel des Jugendlichen, Nils Reinehr, damals zu Hause von Armans schlimmer Krankheit erzählte, wurde auch an anderer Stelle gehandelt. Denn Andreas Reinehr, Vater von Nils, ließ dieses Schicksal nicht mehr los. „Ich wollte unbedingt etwas tun und habe mich also an die DKMS gewendet“, sagt Andreas Reinehr. Die gemeinnützige Organisation kümmert sich vor allem um die Registrierung von Stammzellenspendern, um weltweit Blutkrebspatienten durch Transplantationen von gesunden Stammzellen ein Überleben zu ermöglichen.

Riesige Resonanz bei Typisierungsaktion

Lkw-Fahrer Andreas Reinehr, damals Jugendleiter der Fußballer beim Arnsberger Klub SV Holzen, übernahm federführend die Organisation einer Typisierungsaktion für den erkrankten Kicker. „Die DKMS hat bei der Vorbereitung und Durchführung unheimlich toll geholfen“, sagt Reinehr. Und die Hilfsbereitschaft in und um Arnsberg war riesig: Etwa 100 Menschen schlossen sich zu einer ehrenamtlich tätigen Orga-Gruppe zusammen, Vereine waren involviert, es wurden Essen und Getränke gestiftet, und nur wenige Wochen nach der Diagnose folgte die Typisierungsaktion in der Holzener Schützenhalle, genau gegenüber der Sportanlage des SV Holzen.

Die Resonanz war riesig: 940 Bürger ließen ihr Blut typisieren und damit ihre Stammzellen erfassen. Ebenso kamen dazu noch etwa 10.000 Euro an Spenden für die DKMS zusammen, die dieser half, die jeweils 40 Euro teuren Laborkosten pro Typisierung zu finanzieren. „Die Hilfe für Arman ist eine der größten Typisierungsaktionen der vergangenen Jahre in der Region“, bilanzierte damals Simon Stifter von der DKMS die Holzener Hilfsaktion.

Arman Licina und seine Familie waren bereits damals überwältigt von der großartigen Anteilnahme der Mitbürger – und sind das auch heute noch. „Damit hatten wir nicht gerechnet, das war einfach sehr schön“, sagt der Genese. Nach Monaten des Bangens war es jedoch sein Bruder Ramo, damals 18 Jahre alt, der Arman Licina im Mai 2016 mit einer Stammzellenspende weiterhelfen konnte. „Ihm wurden Stammzellen aus dem Beckenkamm entnommen und mir transplantiert“, sagt sein erkrankter Bruder. Die Gefahr einer Abstoßung durch den Körper sei bei Transplantationen von Stammzellen von Familienmitgliedern deutlich geringer. Aber: Mittlerweile konnten gleich mehrere der damals in Holzen typisierten Menschen anderen an Blutkrebs erkrankten Patienten mit Stammzellen helfen. „Deshalb war diese Aktion nicht nur für Arman sehr wichtig“, sagt Andreas Reinehr.

Die aktuellen Maßnahmen sind ihm wohl vertraut

Arman Licina erholte sich in der Folge. Hatte er zuvor aufgrund seiner Blutkrebs-Erkrankung zunächst auch nicht mehr am Schulunterricht teilnehmen können, erhielt er insbesondere von Janet Henke, damals Lehrerin des Hüstener Franz-Stock-Gymnasiums, große Unterstützung. Digitaler Unterricht – auch den lernte Arman Licina weit früher kennen als andere Schüler.

Bei seinen Aufenthalten in der Münsteraner Kinderonkologie paukte er auch für die Schule, wenn seine Gesundheit dies zuließ. „Als ich dann wieder in die Schule kam und auch beim Sportunterricht mitmachte, war vieles weg, vor allem meine Sprungkraft“, erinnert er sich. Auch an eine Empfehlung seiner Ärzte: „Mir wurde geraten, in der Schule ein Jahr zu wiederholen. Das wollte ich aber nicht. Ich habe also Klausuren nachgeschrieben und war ehrgeizig.“ Mit Erfolg: Im Frühsommer 2018 absolvierte Arman Licina am FSG mit Bravour seine Abitur-Prüfungen.

Dem Hüstener ist seit seiner Diagnose auch der Umgang mit gebotenem Abstand zu Mitmenschen, das dauerhafte Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes, das Desinfizieren der Hände und das Meiden größerer Menschenansammlungen wohl vertraut. Das hilft, vor allem seit Ausbruch der Coronapandemie. Die anfangs strikten Vorkehrungen wie etwa, auf bestimmte Lebensmittel wie Tomaten oder Nüsse zu verzichten, Alkohol zu vermeiden oder keinen Kontakt zu Tieren zu haben, sind nun nicht mehr alle nötig. Arman Licina führt ein weitgehend normales Leben, gilt als geheilt und ist nur noch etwa ein, zwei Mal im Jahr zu Nachsorgeuntersuchungen in Münster. „Sicher zähle ich auch noch irgendwie zur Risikogruppe, aber ich bin sehr froh, wie alles gelaufen ist“, sagt er.

Sein großer Unterstützer aus der schweren Zeit, Andreas Reinehr, ist der Familie Licina seitdem „emotional verbunden“, wie er sagt: „Wir alle waren sehr erleichtert, als es Arman besserging.“ Zwar sei er früher „deutlich besser und trainierter“ gewesen, sagt Licina, doch Fußball ist auch nach seiner Krankheit seine große sportliche Leidenschaft. „Ich habe damals Andreas versprochen, dass ich zur SG Holzen/Eisborn wechsele, wenn ich wieder spielen kann“, verrät Arman Licina.

Er führt ein fast normales Leben

Im Sommer dieses Jahres kam der Transfer dann zustande. Als Tabellenvorletzter der Fußball-Kreisliga A Arnsberg kämpft die SG Holzen/Eisborn, eine Spielgemeinschaft des Arnsberger Vereins SV Holzen und des Balver Klubs SuS Eisborn, um den Klassenverbleib. Derzeit steht aufgrund der Coronapandemie der Trainings- und Spielbetrieb jedoch still.

All das ist für den „Sechser“ Arman Licina indes nicht entscheidend, auch wenn er mit seiner Mannschaft unbedingt die Klasse halten will. „Mir wurde ein zweites Leben geschenkt“, sagt der Fußballer. „Das möchte ich nutzen.“ In Arnsberg absolviert Arman Licina eine Ausbildung zum Kaufmann für Versicherungen und Finanzen. Am Dienstag, 29. Dezember 2020, also in wenigen Tagen, feiert er seinen 21. Geburtstag. Angesichts seiner Geschichte ist das keine Selbstverständlichkeit.

Manchmal, so erzählt Arman Licina, blicke er gemeinsam mit seiner Familie oder mit seinen Freunden auf die schwere, belastende Zeit voller Ungewissheiten und Ängste zurück. „Meine Freunde sagen dann, dass sie fast vergessen haben, dass ich krank war, weil es mir heute wieder so gut“, sagt der Genesene. Vergessen – bedeutet bisweilen etwas Gutes.